Das ehemalige Funkhaus der Deutschen Welle

Das schmalste Hochhaus Kölns, Bild: Uli Kievernagel
Das schmalste Hochhaus Kölns, Bild: Uli Kievernagel

Preisfrage: Wo stand Kölns schmalstes Hochhaus?
Antwort: Im Kölner Süden, am Raderberggürtel.

Es sah tatsächlich etwas seltsam aus: Ein Hochhaus mit knapp 140 Meter Höhe aber nur 12 x 15 Meter Grundfläche – wie ein riesiger, in den Boden gerammter Bleistift. Unwillkürlich fragte man sich: Was ist das?

Bei diesem Bleistift handelt es sich um den Aufzugsturm des ehemals aus drei Bauteilen bestehenden Gebäudes der Deutschen Welle. Ein imposanter Komplex, prägend für die Skyline des Kölner Südens. Tatsächlich handelte es sich nach dem Kölnturm im Mediapark und dem Colonia-Haus um das dritthöchste Hochhaus in Köln.

Das ist allerdings Geschichte. Anfang 2021 wurde der Abriss des Gebäudes abgeschlossen. Und so konnte das Uni-Center auf Platz drei der Kölner Hochhäuser vorrücken.

Das Gebäude entsteht im Kalten Krieg

Die Deutsche Welle ist der Auslandsrundfunk Deutschlands. Die Aufgabe des Senders ist sogar im „Deutsche-Welle-Gesetz“ festgeschrieben. Im § 4 lautet es: „Die Angebote der Deutschen Welle sollen Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat verständlich machen. Sie sollen deutschen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen vor allem der Politik, Kultur und Wirtschaft … ein Forum geben mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern. … “.

Mitten im Kalten Krieg begannen 1974 die Bauarbeiten für das Funkhaus am Raderberggürtel. Das Gebäude war so konzipiert, dass selbst nach einem Atombombenangriff der Sendebetrieb weitergehen sollte. Dafür wurden eigens Bunker unter dem Gebäude angelegt und riesige Notstromaggregate hätten den für den Sendebetrieb notwendigen Strom geliefert. Fraglich ist allerdings, ob bei einem tatsächlichen Angriff noch viel vom Kölner Süden übriggeblieben wäre: Immerhin befindet sich in fast unmittelbarer Nachbarschaft die Zentrale des Militärischen Abschirmdiensts, dem mit Sicherheit mindestens ein eigener Kernsprengkopf gewidmet war.

Im Jahr 1980 wurde das riesige Gebäude bezogen. Dabei diente der blau-türkis verkleidete Teil des Gebäudes als Büroturm und der rote Teil als Studioturm. In der Mitte befand sich der 138 Meter hohe, schwarz verkleidete Aufzugsturm, der heute noch als „Bleistift“ zu sehen ist. Mehr als 1.100 Mitarbeiter produzierten hier zunächst Radio, ab 1992 auch TV-Sendungen. Und das in immerhin 30 Sprachen, darunter auch  Kisuaheli und Haussa.

Das Funkhaus der Deutschen Welle. Links der rote Studioturm, rechts der blau-türkise Büroturm und in der Mitte der Aufzugsturm. Bild: Riadismat
Das Funkhaus der Deutschen Welle. Links der rote Studioturm, rechts der blau-türkise Büroturm und in der Mitte der Aufzugsturm. Bild: Riadismat

Asbest-Belastung verursacht Probleme

Problematisch war die Asbest-Belastung. In dem Gebäude wurden nach Expertenschätzungen mehr als 500 Tonnen Asbest verbaut: Als Spritzasbest um die Stahlträger, im Putz, auf den Platten der Außenfassade, den Feuerschutztüren und vielen weiteren Bauteilen. Im Jahr 2003 zog die Deutsche Welle daher aus dem Gebäude aus. Neue Zentrale wurde der ursprünglich für Abgeordnetenbüros geplante Schürmannbau im Bonner Regierungsviertel.

Das Gebäude am Raderberggürtel fiel daraufhin für fast 15 Jahre in einen Dornröschenschlaf. Alle Ideen einer neuen Nutzung, wie zum Beispiel Büros oder Studentenwohnungen, scheiterten an den baulichen Voraussetzungen und an der Asbest-Belastung. Das war auch der Grund, weshalb Investoren sich scheuten, in dieser sehr attraktiven Lage neu zu bauen.

Im Rahmen eines Architektenwettbewerbs wurde 2015 die städtebauliche Planung für ein Konsortium, bestehend aus DIE WOHNKOMPANIE NRW GmbH und Bauwens Development GmbH & Co. KG, entwickelt und festgelegt.

Der Beginn des Rückbaus. Im Einsatz: Einer der größten mobilen Kräne Europas, Bild: Hans Jörg Michell, www.lindenthal.blog
Der Beginn des Rückbaus. Im Einsatz: Einer der größten mobilen Kräne Europas, Bild: Hans Jörg Michell

Rückbau statt Sprengung

Bevor gebaut werden kann, muss erst das alte Gebäude abgerissen werden. Ursprünglich war eine Sprengung aller drei Gebäudeteile geplant. Das wäre ein Weltrekord geworden: Noch nie wurde ein so hohes Gebäude gezielt gesprengt. Dies rief allerdings den benachbarten Deutschlandfunk auf den Plan: Eine Sprengung der durch eine gemeinsame Bodenplatte verbundenen Gebäude würden den Sendebetrieb gefährden. Auch die Nachbarschaft befürchtete, dass bei der Entkernung nicht gefundene Asbestfasern sich über den gesamten Kölner Süden verbreiten würden.

Die Gegner der Sprengung setzten sich schließlich durch und so wurde das Gebäude seit November 2019 konventionell von „oben nach unten“ abgerissen. Dazu wurden die größten mobilen Kräne Europas eingesetzt. Die Zahlen sind so eindrucksvoll wie das Gebäude selbst: 360.000 Kubikmeter umbauter Raum mit etwa 18.000 Tonnen Stahl und etwa 140.000 Tonnen Beton wurden zurückgebaut. Die Kosten für Rückbau und Entsorgung des asbestbelasteten Materials wurden auf mehr als 14 Mio. Euro geschätzt. Immerhin: Große Teile des Abbruchmaterials, selbstverständlich asbestfrei, wurden vor Ort aufbereitet und für die Verfüllung der Baugruben verwendet. Das sparte, so die beauftragte Entsorgungsfirma, mehr als 10.000 LKW-Betriebsstunden.

Peter Hutt hat den Fortschritt des Abrisses fotografiert und ein sehr sehenswertes Zeitraffervideo daraus gemacht.

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Beeindruckende Baustelle

Die Dimensionen der riesigen Baustelle erschließen sich erst aus der Luft. Mamuel Jakobi hat Bilder mit seiner Drohne gemacht und mir erlaubt, diese hier zu zeigen: 

Die beeindruckende Baustelle auf dem Gelände der Deutschen Welle, Bild: Manuel Jakobi

Bild 1 von 10

Die beeindruckende Baustelle auf dem Gelände der Deutschen Welle, Bild: Manuel Jakobi

Hohe Verdichtung

Wegen der hohen Kosten des Abrisses und der Entsorgung des asbechtverseuchten Materials hat die Stadt auch das kooperative Baulandmodell für dieses Areal ausgesetzt. Dieses Modell sieht bei solchen Bauprojekten einen Anteil von 30 Prozent Sozialwohnungen vor. Diese Quote muss bei diesem Projekt nicht erfüllt werden.

Gleichzeitig wird auf dem Gelände mit bis zu 700 Wohnungen auf etwa 55.000 Quadratmetern eine extreme Verdichtung des Wohnraums stattfinden.

Zukünftige Wohnbebauung auf dem Welle-Areal, Bild: Bauwens
Zukünftige Wohnbebauung auf dem Welle-Areal, Bild: Bauwens

 Allerdings hätte sich beim Festhalten an der Quote für die Sozialwohnungen und bei einer geringeren Verdichtung wohl kein Investor gefunden. Franz-Josef Höing, von 2012 bis 2017 Kölner Baudezernent konstatierte daher auch:

„Die hohe Dichte, die dort erforderlich ist,
hat mir zunächst Kopfschmerzen bereitet“
.

Mal sehen, wie sich dich diese Projekt nach der Fertigstellung in die bestehende Nachbarschaft einfügen wird.


Gerade mal 900 Meter Luftlinie entfernt befindet sich das alte WERAG-Funkhaus aus den 1920ern. Weniger als 300 Meter stadteinwärts findet ihr die sehenswerte Siedlung Wilhemsruh.


Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel
Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel

Lotsentour – Raderberg & Raderthal

Das Areal der Deutschen Welle ist auch Bestandteil der Lotsentour Raderberg & Raderthal. Eine Stadtführung mit dem Fahrrad.


Das verlassene Gebäude der Welle hatte vor dem Abriss immer wieder Abenteuerer animiert, dort herumzuklettern. Das spektakulärste Video dazu stammt von Bennet Encke

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Besonders sehenswert sind auch die Drohnenaufnahmen vom Abriss des Aufzugsturms. 

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Ein großes DANKE an das Bauwens-Team, besonders an Christina Hansen. Die Fachleute des Unternehmens haben mich mit Informationen rund um den Bau versorgt und auch das Bild der zukünftigen Wohnbebauung zur Verfügung gestellt.


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Der Frauenbrunnen: 2000 Jahre Kölner Frauen im Wandel der Zeit

Der Frauenbrunnen am Farina-Haus, Bild: Uli Kievernagel
Der Frauenbrunnen am Farina-Haus, Bild: Uli Kievernagel

Egal, ob als Marketing-Fachfrau, Tennis-Star, Umweltschützerin, Nonne oder Schauspielerin:  In Köln lebten und leben starke Frauen. Ganz plastisch gezeigt wird das im Innenhof des Farina-Hauses mitten in der Innenstadt am Frauenbrunnen.

Der offizielle Name dieses Brunnens lautet „Frauen im Wandel der Zeit“. Dargestellt werden zehn Frauen in jeweilig typischen Gewändern. Jede steht dabei für eine Epoche in der Stadtgeschichte. 

Nur durch diese, hier am Beispiel der Frauen gezeigte ständige Veränderung konnte unsere Stadt zu dem werden, was sie heute ist.


Die Ubierin, Bild: Uli Kievernagel
Die Ubierin, Bild: Uli Kievernagel

Ubierin (50 n. Chr.)

Die ersten Kölschen Frauen waren Ubierinnen. Dieser ursprünglich auf der „Schäl Sick“, der rechten Rheinseite, beheimatete Germanenstamm wurde von den Römern um 20/19 v. Chr. auf die linke Seite des Rheins umgesiedelt. Die neue Siedlung wurde „Oppidum Ubiorum“, also „Siedlung der Ubier“ genannt.

 

 

 


Die Römerin, Bild: Uli Kievernagel
Die Römerin, Bild: Uli Kievernagel

Römerin (50 n. Chr.)

Mit den Römern kam der Aufschwung an den Rhein. Eine – nicht ganz unumstrittene – Dame spielte dabei eine besondere Rolle: Agrippina, Nichte und gleichzeitig Gattin von Kaiser Claudius, sorgte dafür, dass Köln die Rechte einer Kolonie bekam. CCAA – Colonia Claudia Ara Agrippinensium entstand.

 

 

 


Die Fränkin, Bild: Uli Kievernagel
Die Fränkin, Bild: Uli Kievernagel

Fränkin (um 400)

Etwa 455 eroberten die Franken die damals wichtigste Stadt nördlich der Alpen. Damit endete die römische Herrschaft über Köln. In der Stadt lebten damals Franken, andere Germanen und auch Römer gemeinsam.

 

 

 


Die Heilige Ursula, Bild: Uli Kievernagel
Die Heilige Ursula, Bild: Uli Kievernagel

Die heilige Ursula

Sie ist nicht nur Schutzpatronin der Stadt, sondern auch Basis der Legende um die 11.000 Jungfrauen und dem damit verbundenen Reliquienkult. Ihre Darstellung auf dem Brunnen zeigt auch fünf dieser Jungfrauen. Die Legende besagt, dass Ursula eine Prinzessin aus der Bretagne war. Übrigens: Die elf als Tropfen, Flammen oder Tränen bezeichneten Elemente unseres Stadtwappens stellen tatsächlich Hermelinschwänze dar, die sich auf dem alten Wappen der Bretagne befanden.

 


Die Kölnerin um das Jahr 1400, Bild: Uli Kievernagel
Die Kölnerin um das Jahr 1400, Bild: Uli Kievernagel

Frau aus dem Mittelalter (um 1400)

Köln, als größte Stadt des Heiligen Römischen Reichs, hatte etwa 40.000 Einwohner. Der Gürzenich und der Rathausturm werden gebaut. In der Freien Reichsstadt genießen Frauen eine größere Freiheit als in jeder anderen Stadt. Sie gründen eigene Zünfte z.B. die Zunft der Garnmacherinnen, Seidenmacherinnen und Goldspinnerinnen.

 

 

 


Die Jüdin, Bild: Uli Kievernagel
Die Jüdin, Bild: Uli Kievernagel

Jüdin (1424)

Die jüdische Gemeinde Kölns war die die älteste jüdische Gemeinschaft nördlich der Alpen. Der Frauenbrunnen befindet sich fast mitten im alten jüdischen Viertel. Im Jahr 1424 werden die Juden aus Köln vertrieben.

 

 

 

 


Die Niederländerin, Bild: Uli Kievernagel
Die Niederländerin, Bild: Uli Kievernagel

Niederländerin (um 1600)

Insbesondere durch den Rhein als Handelsweg bestehen enge Bindungen zu den Niederlanden. Köln wird der Marktplatz für z.B. Heringe und Muscheln aus der Nordsee. In umgekehrter Richtung wird insbesondere viel Wein verschifft. Der Geusenfriedhof ist nach niederländischen Glaubensflüchtlingen benannt.

 

 

 


Die Italienerin, Bild: Uli Kievernagel
Die Italienerin, Bild: Uli Kievernagel

Italienerin (18. Jahrhundert)

Der Erfinder des „Eau de Cologne“ war der Italiener Johann Maria Farina. Der Brunnen steht inmitten des ehemaligen Farina-Fabrikgeländes.

 

 

 

 

 


Preußin (1832)

Die Preussin, Bild: Uli Kievernagel
Die Preussin, Bild: Uli Kievernagel

Im Jahr 1814 besetzen die Preußen Köln. Keine besonders gute Zeit für Frauen in einer von säbelschwingenden Männern dominierten Welt. Wilhelm II. spricht den Frauen jegliche Bedeutung ab und sorgt ausdrücklich dafür, dass auf der Siegesallee im Berliner Tiergarten nur Statuen von Männern aufzustellen sind. Gut, dass hier in Köln auch an die preußischen Frauen gedacht wird.

 

 

 


Die moderne Kölnerin, Bild: Uli Kievernagel
Die moderne Kölnerin, Bild: Uli Kievernagel

Kölnerin (1987)

Die moderne Frau aus Köln zeigt sich auf dem Brunnen mit Kind.

 

 

 

 

 

 


Mehr als nur Darstellung der Bekleidung

Der Frauenbrunnen wurde von der Bildhauerin Anneliese Langenbach (1926-2008) geschaffen. Besonderen Wert bei der Gestaltung des Frauenbrunnens hat sie auf die Kleidung der Frauen gelegt, geleitet von der Kernfrage: Welche Kleider haben wohl die Frauen in den jeweiligen Epochen getragen?

Doch der Brunnen zeigt mehr als Kleider: Ronald Füllbrandt von den Kölschgängern verweist in seinen Betrachtungen des Frauenbrunnens ausdrücklich darauf: „Ja, Köln hatte schon immer starke und hübsche Frauen, darauf sollten wir stolz sein.“

Und damit hat Ronald recht!


Brunnen in Köln
Brunnen in Köln

Neben dem Frauenbrunnen haben wir auch andere Brunnen in Köln:


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Nikolaus Gülich: „Der kölnische Rebell“

Der Kopf des Nikolaus Gülich von der abgerissenen Schandsäule, heute im Kölnischen Stadtmuseum zu sehen, Bild: Willy Horsch CC BY 3.0
Der Kopf des Nikolaus Gülich von der abgerissenen Schandsäule, heute im Kölnischen Stadtmuseum zu sehen, Bild: Willy Horsch CC BY 3.0

Köln versinkt im Klüngel. Lukrative Amtsposten werden gegen eine „angemessene“ Gebühr vergeben. Die Geschäfte funktionieren nur dank Beziehungen und enger Verflechtungen. Städtische Aufträge gehen nicht an den günstigsten Anbieter, sondern an den, der einen kennt, der einen kennt.

Kommt euch irgendwie bekannt vor?
Klar – war aber irgendwie schon immer so.

Wir schreiben das Jahr 1680. Der Kölner Bürgermeister Maximilian von Kreps lässt seine Kutsche überholen und mit Blattgold belegen. Gleichzeitig wird sein Haus luxuriös umgebaut. Wie praktisch, dass von Kreps dafür keinen Pfennig bezahlen muss – alles geht zu Lasten der Stadt.

Ähnlich auch eine Geschichte aus der gleichen Zeit: Thomas Fabian wollte seine Lizenz als Verwalter des Ratskellers verlängern. Die beiden Kölner Bürgermeister Jakob von Wolfskehl und Gisbert von den Hoevel lassen sich die Verlängerung gut bezahlen: 1.000 Taler und ein Fass Wein für sich und zusätzlich jeweils 25 Taler für ihre Ehefrauen.

Gülich begehrt gegen den Klüngel auf

Doch einer begehrt dagegen auf: Nikolaus Gülich. Eigentlich ist Gülich ein Teil der privilegierten Oberschicht. Sein Vater ist Tuchhändler, seine Mutter Maria de Reuss entstammt einer bedeutenden Kölner Kaufmannsfamilie. Nikolaus, geboren am 30. Oktober 1644, erbt als ältestes von sechs Geschwistern das elterliche Geschäft. Er lässt sich an der Straße Obenmarspforten nieder und könnte das geruhsame Leben eines erfolgreichen Kaufmanns führen.

Ein Ereignis im März 1679 ändert allerdings Gülichs Einstellung grundlegend. Die Stadt, die verpflichtet war, Abgaben an die kaiserliche Armee zu zahlen, nahm diese Pflicht aber nicht so genau. Um aber an ihr Geld zu kommen, wurden Kölner Geschäftsleute, darunter auch Nikolaus Gülich, auf dem Weg zur Messe in Leipzig von Söldnern im Auftrag der Kaisers gefangen genommen. Das hört sich jetzt schlimmer an, als es vermutlich war. Tatsächlich ging es nur darum, Lösegeld zu erpressen, um dies mit fälligen Zahlungen für die kaiserliche Armee zu verrechnen – eine mehr oder minder gängige Praxis in der damaligen Zeit. Deswegen wurde auch im sogenannten Transfixbrief aus dem Jahr 1513 festgelegt, dass unverschuldet in Haft gekommene Kölner Bürger durch die Stadt befreit werden mussten. In der Regel lief dies ohne Waffengewalt durch die Zahlung einer entsprechenden Summe ab.

In diesem konkreten Fall weigerte sich der Stadtrat jedoch, die Summe zu zahlen, daher mussten die Gefangenen das Geld selber aufbringen. Kaum wieder in Köln angekommen, protestiert Gülich mit Unterstützung verschiedener Kaufmänner lautstark gegen diese Entscheidung des Rats. Dieser Protest bringt ihm eine Vorladung ein. Man droht mit Verhaftung, doch dank Gülichs wachsender Popularität kommt er mit einer Verwarnung davon.

Die Gülich-Schandsäule am Gülich-Platz, 1797 von den Franzosen abgebrochen, Bild: Benedikt Beckenkamp, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Gülich-Schandsäule am Gülich-Platz, 1797 von den Franzosen abgebrochen, Bild: Benedikt Beckenkamp, Public domain, via Wikimedia Commons

Bürgermeister werden entmachtet

Dass ihm wichtige Rechte genommen werden und er mundtot gemacht werden soll, stachelt Nikolaus Gülich zunehmend auf – sein Kampf mit dem Stadtrat beginnt. Er verfasst im September 1680 eine Klageschrift und prangert deutlich den Ämterkauf, Wahlbetrug und die Veruntreuung städtischer Mittel an. Er stürmt mit Hilfe von bewaffneten Gefolgsleuten das Rathaus und setzt den Rat ab. Auch den Bürgermeistern Cronenberg, Wolfskehl und Kreps wird der Prozess gemacht, sie verlieren ihre Ämter, werden unter Hausarrest gestellt und müssen hohe Strafen bezahlen. Gülich, obwohl kein Jurist, wird 1683 als „syndicus specialis“ (Rechtsberater) neben einem neuen Stadtrat installiert.

Ab dieser Zeit verliert Nikolaus Gülich zunehmend seine Unterstützer. Er verhält sich selbstherrlich und so, wie er es der alten Stadtspitze selber vorgeworfen hat. Gleichzeitig verschlechtert sich die Wirtschaftslage, die Franzosen marschieren von Straßburg kommend in Richtung Rheinland. Kaiser Leopold I. hat Angst, seinen Einfluss in der wichtigen Reichsstadt Köln zu verlieren und unterstützt den „alten“ Rat um die abgesetzten Bürgermeister.

Gülich wird mit der Reichsacht belegt

So verhängte der Kaiser im August 1685 die Reichsacht über Gülich und seine Anhänger. Das bedeutete eine totale Rechtlosigkeit, der Besitz der mit der Reichsacht belegten Personen wurde beschlagnahmt und jeder hatte das Recht, den Geächteten straflos zu töten. Die meisten Anhänger Gülichs unterwarfen sich daraufhin dem Kaiser, Gülich selber wurde verhaftet und am 23. Februar 1686 in der Mülheimer Heide geköpft. Sein Kopf wurde am Bayenturm zur Abschreckung ausgestellt.

Auch sein Haus wurde abgerissen. Dort wurde eine Schandsäule aufgestellt: Ein in Bronze gegossener Kopf, aus dem ein Richtschwert herausragt. Die Säule wurde etwa 100 Jahre später von französischen Truppen abgerissen und Gülich als Volksheld gewürdigt. Der mit dem Schwert durchbohrte Kopf aus Bronze befindet sich heute im Kölnischen Stadtmuseum.


Das Farina-Stammhaus am prominenten Platz gegenüber dem Jülichs-Platz, Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH
Das Farina-Stammhaus am prominenten Platz gegenüber dem Jülichs-Platz, Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH

Farina gegenüber dem Jülichs-Platz.

Der Platz des früheren Hauses heißt heute Gülichplatz, früher „Jülichs-Platz“. Der Dufthersteller Farina nahm diese Adresse sogar in den Firmennamen auf und heißt heute noch immer so:
Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz.


Nikolaus-Gülich-Fonds 

Die Kölner GRÜNEN haben 2006 den Nikolaus-Gülich

-Fonds gegründet. Mit Mitteln aus diesem Fonds werden Initiativen gefördert, die Ökologie, Selbstbestimmung, erweiterte Gerechtigkeit, lebendige Demokratie, Gewaltfreiheit und Menschenrechte verfolgen.


Figur des Nikolaus Gülich am Kölner Rathausturm (in der Mitte). Links neben ihm ist Johann Maria Farina, Bild: Raimond Spekking
Figur des Nikolaus Gülich am Kölner Rathausturm (in der Mitte). Links neben ihm ist Johann Maria Farina, Bild: Raimond Spekking

Gülich-Figur auf dem Rathausturm

Eine der 124 Figuren des Rathausturms ist Nikolaus Gülich gewidmet, dem Kämpfer gegen den Klüngel im Rathaus.


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Der Vierungsturm: Die „Warze“ des Doms

109 Meter hoch und nicht wirklich geliebt: Der Vierungsturm des Kölner Doms, Bild: CEphoto, Uwe Aranas
109 Meter hoch und nicht wirklich geliebt: Der Vierungsturm des Kölner Doms, Bild: CEphoto, Uwe Aranas

Wenn der Dom fertig ist, geht die Welt unter.
(… glaubt der Kölner)

Der Kölsche liebt seine Provisorien. Daher hat er regelrecht Angst davor, dass der staatse Dom eines Tages tatsächlich mal fertig werden könnte. Gut, dass das nie passieren wird. Am Dom wird immer weiter gearbeitet. Und wenn irgendwann mal keine Baugerüste mehr den Dom zieren, wäre das sogar ein schlechtes Zeichen: Dann würde nichts mehr geschraubt, gebaut und repariert.

Ein gutes Beispiel für diese stetige Bautätigkeit ist die „Warze“ auf unserer Kathedrale. So hat Philippe Villeneuve, der französische Chef-Architekt der Pariser Kathedrale Notre-Dame, den Vierungsturm bezeichnet. Und diese „Warze“ in der aktuellen Form ist auch erst 50 Jahre alt und bereits die dritte Variante des Turms.

Grundsätzlicher Streit: Vierungsturm ja oder nein?

Die Vierung einer Kirche ist die Stelle, wo das Haupt- und das Querschiff sich treffen. In kreuzförmigen Kirchen wie im Dom trennt die Vierung den Chor vom Langhaus. Im Dom sollte ursprünglich der Dreikönigsschrein in der Vierung aufgestellt werden. Da die Kölschen allerdings bekanntlich etwas länger am Dom bauten1um genau zu sein 632 Jahre, waren das Lang- und das Querhaus schlichtweg nicht fertig und so fand der Schrein seinen Platz im Chor und in der Vierung steht der Vierungsaltar.

Der Vierungsaltar im Kreuzungspunkt des Lang- und des Querhauses, Bild: Willy Horsch, CC BY 3.0
Der Vierungsaltar im Kreuzungspunkt des Lang- und des Querhauses, Bild: Willy Horsch, CC BY 3.0

Auf dem Dach steht über der Vierung der Vierungsturm. Fraglich ist aber, ob dies so geplant war. In den ursprünglichen Entwürfen ist kein solcher Turm zu finden. Allerdings wurde bereits 1322 ein Dachreiter2Ein Dachreiter ist ein i.d.R. aus Holz gebautes Türmchen, welches oft als Glockenstuhl dient. auf den Chor gesetzt.

Erst eine barocke Variante, danach ein neugotischer Turm

Im Jahr 1744 wurde ein neuer, barocker Dachreiter errichtet. Auf alten Stichen ist dieser kleine bauchige Turm zu sehen. Über Geschmack lässt sich ja trefflich streiten, doch diese Konstruktion will so gar nicht zum Rest des gotischen Doms passen. Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner meinte im Kölner Stadt-Anzeiger Ausgabe3vom 29. April 2020 dazu, dass dieses Türmchen „eher wie eine Laterne aussah“.

Ein Stich aus dem Jahr 1806 zeigt den barocken Dachreiter des Doms
Ein Stich aus dem Jahr 1806 zeigt den barocken Dachreiter des Doms

Gut, dass der damalige Dombaumeister Zwirner im Jahr 1859 dieses eher unpassende Ding abreißen lies und einen neugotischen Turm an dessen Stelle setzte.

Der Dom im Jahr 1865 vor der Vollendung der Domtürme mit freier Sicht auf den Vierungs­turm
Der Dom im Jahr 1865 vor der Vollendung der Domtürme mit freier Sicht auf den neugotischen Vierungs­turm.

Dass überhaupt ein Turm an dieser Stelle geplant war, ist stark zu bezweifeln. Auf den Plänen ist kein solcher Turm zu finden. Allerdings war Sulpiz Boisserée, einer der Hauptinitiatoren der Dom-Fertigstellung im 19. Jahrhundert, der festen Überzeugung, dass dort ein Vierungsturm gebaut werden sollte. Sein Argument: Auch andere gotische Kathedralen des 13. Jahrhunderts würden über einen solchen Turm verfügen und überhaupt sähe der Dom mit Vierungsturm viel schöner aus. Gutes Argument. Sein Entwurf sah einen massiven achteckiger Vierungsturm vor. 

Sulpiz Boisserée „Idealansicht“ des fertigen Doms (1821). Gut zu erkennen: Der massive, achteckige Vierungsturm
Sulpiz Boisserée „Idealansicht“ des fertigen Doms (1821). Gut zu erkennen: Der massive, achteckige Vierungsturm

Das Problem war aber, dass die Säulen der Vierung so berechnet waren, dass sie nur das Gewölbe der Vierung zu tragen hatten. Bei der Errichtung eines massiven Turms bestand die Gefahr, dass die übermäßige Belastung zum Einstürzen der östlichen Vierungspfeiler führen könnte. So entschied sich Dombaumeister Zwirner für eine Eisenkonstruktion. Angenehmer Nebeneffekt dieser leichteren Variante: Es wurde wesentlich billiger.

Ansicht des Vierungsturms mit Details, ca. 1860
Ansicht des aus Eisen gebauten Vierungsturms, ca. 1860

Heute dritthöchster Kirchturm Kölns – Gestaltung umstritten

Dieser Turm hatte die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs recht gut überstanden. Zwar waren einige Verkleidungselemente vom Druck der Bomben abgerissen, aber die die eiserne Unterkonstruktion wurde als sehr solide bezeichnet.

Die fehlenden Verzierungen waren aber nach Einschätzung des Dombaumeisters Willy Weyres (Dombaumeister von 1947–1972) nicht mehr zu ersetzen, wobei das durchaus als Vorwand zu sehen ist. Weyres wollte alle neugotischen Elemente des Doms zurückbauen. Dazu gehörte auch der Vierungsturm. Statt einer einfachen Instandsetzung wurde der Turm daher radikal neu gestaltet. Ab 1965 wurden an der bestehenden Konstruktion neue Verkleidungen und Schmuckelemente im Art déco Stil angebracht. Prägendes Element dabei sind die acht großen Engel. Die von unten recht klein aussehenden Engel sind tatsächlich 4,10 m hoch und wiegen jeweils mehr als zwei Tonnen.

Acht Engel im Art déco Stil prägen den Vierungsturm, Bild: Fritz Jörn, CC BY 3.0
Acht Engel im Art déco Stil prägen den Vierungsturm, Bild: Fritz Jörn, CC BY 3.0

Mit 109 Metern Höhe ist der Vierungsturm heute, nach den beiden Domtürmen, der dritthöchste Kirchturm in Köln. Und er bleibt umstritten. Weder Weyres Nachfolger im Amt des Dombaumeisters, Arnold Wolff, noch dessen Nachfolgerin Barbara Schock-Werner konnten sich je mit der Gestaltung des Vierungsturm anfreunden. Allerdings scheuten beide, den aktuellen Turm umzubauen. Mal sehen, ob der aktuelle Dombaumeister Peter Füssenich sich dieses Themas annimmt. Doch selbst wenn er das nicht tut: Der Dom bleibt auf ewig eine Baustelle.

Gut so, denn sonst ginge ja die Welt unter.
(… glaubt der Kölner)


Auf der Spitze des Vierungsturms ist nicht, wie sonst bei Kirchen üblich, ein Kreuz, sondern ein vergoldeter Stern zu sehen. Dieser Stern erinnert an den Stern von Betlehem, welchem die Heiligen Drei Könige gefolgt sind. Hoch oben, über den Dächern der Stadt, weist dieser Stern den Pilgern den Weg zu deren Gebeinen im Dreikönigsschrein.

Auf 109 Metern Höhe weist der Stern von Betlehem darauf hin, dass im Dom die Gebeine der Heiligen Drei Könige zu finden sind, Bild: CEphoto, Uwe Aranas
Auf 109 Metern Höhe weist der Stern von Betlehem darauf hin, dass im Dom die Gebeine der Heiligen Drei Könige zu finden sind, Bild: CEphoto, Uwe Aranas

Mein Nachbar Thomas hatte das große Glück, Silvester pünktlich um 12 Uhr auf dem Vierungsturm des Doms zu stehen. Es gibt in Köln keinen besseren Platz, um das Feuerwerk zu sehen. 


Die Dame müsste sich nur etwas bücken - dann würde sie in das Mittelschiff des Doms passen, Bilder/Collage: Uli Kievernagel
Die Dame müsste sich nur etwas bücken – dann würde sie in das Mittelschiff des Doms passen, Bilder/Collage: Uli Kievernagel

Wie hoch ist der Dom?
Wie viele Stufen sind es bis nach oben?
Wie viele Menschen kommen täglich?

Alles zum Dom in Zahlen: Von 4 bis 10 Milliarden


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Die Hand aufhalten: kötten gehen

Jemand hält die Hand auf - der Kölsche nennt das kötten
Jemand hält die Hand auf – der Kölsche nennt das kötten

Sogar die Roten Funken haben es getan: Fastelovend 2019 sind die Mitglieder der stolzen Garde mit der Kötterbüchs1Spendensammeldose rumgelaufen und haben Geld für obdachlose Frauen in Köln gesammelt. Die Herren sind kötten gegangen. Sehr lobenswert.

Mit „kötten gehen“ bezeichnet der Kölsche schlichtweg, jemanden um etwas zu bitten. Somit ist kötten eigentlich ein Begriff für betteln, allerdings – das hat die übliche Umfrage in meiner Stammkneipe ergeben – ein etwas feinerer Begriff. Die einhellige Meinung der Kölschen in meiner Nachbarschaft: Wer köttet, der ist nicht so penetrant. Erst wenn jemand aggressiv köttet, wir es zum Betteln.

Vielleicht ist das Wort auf den Cut zurückzuführen

Die Herkunft des Wortes ist tatsächlich unbekannt. Im schon öfters von mir zitiertem „Mitmachwörterbuch der rheinischen Umgangssprache“ gehen die Spekulationen vom Gehrock über Hausierer bis hin zur einfachen Bauernhütte:

  • Der Sprachforscher Peter Honnen weist darauf hin, dass man im Sauerland Hausierer und Korbflechter Kötter nennt. Möglicherweise ist das der Ursprung für das „kötten“
  • Eine andere Erklärung besagt, dass Kötter arme Menschen sind, die in sehr einfachen kleinen Kotten, als Synonym für „Kate“, also in einfachen Häusern leben.
Ein klassischer Cut - damit kann man kötten gehen, Bild: Rogi.Official, CC BY-SA 3.0
Ein klassischer Cut – damit kann man kötten gehen, Bild: Rogi.Official, CC BY-SA 3.0
  • Die schönste Erklärung für mich ist allerdings die Herleitung über den Gehrock, also einen Cutaway oder kurz Cut. Dieser wird bei uns „Kött“ ausgesprochen. Der Vorteil des Kött: Der vergleichsweise große und weit geschnittene Gehrock hat sehr viele Taschen. Wenn nun ein Fest anstand und der Gehrock dabei getragen wurde, konnte der Träger die Taschen nutzen, um Essensreste für die Daheimgebliebenen mitzubringen – es wurde geköttet.

Setzt ein Zeichen der Solidarität

Gerade in den aktuell schwierigen Zeiten müssen leider viele Menschen wieder kötten gehen. War in normalen Zeiten schon der Monat länger als das Geld reichte, wird es jetzt mit Kurzarbeitergeld in vielen Haushalten kritisch. Daher haben die Tafeln momentan auch einen großen Zulauf.

Der Gabenzaun des Bürgervereins RADERBERG und -THAL e.V., Bild: Ulla Giesen
Der Gabenzaun des Bürgervereins RADERBERG und -THAL e.V., Bild: Ulla Giesen

Sehr lobenswert sind daher Initiativen wie zum Beispiel der „Gabenzaun“ des Bürgervereins RADERBERG und -THAL in meiner Nachbarschaft. Unter dem Motto „Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt!“ können haltbare Lebensmittel für Menschen gespendet werden, die sich diese aus den bereitgestellten Beuteln nehmen können.

Schaut euch bitte mal bei nächster Gelegenheit in eurer Nachbarschaft um. Dort gibt es bestimmt auch Menschen, die kötten gehen müssen. Und wenn jeder nur ein eine Kleinigkeit gibt, dann kommen alle Menschen über die Runden.


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Der Kölner Wasserkrieg: Streit um den Duffesbach

Das Wasser des Flusses wird genutzt, um den Wassergraben des Herrenhauses „Weißhaus“ in Klettenberg zu füllen. Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Das Wasser des Duffesbachs wird auch genutzt, um den Wassergraben des Herrenhauses „Weißhaus“ in Klettenberg zu füllen. Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Der Duffesbach ist heute, da unterirdisch und kanalisiert, fast unbekannt. Das war in früheren Zeiten ganz anders. Das Wasser des Bachs war für die Kölner extrem wichtig. Schon ab etwa 1320 gab es daher einen städtischen „Bachmeister“ mit der Aufgabe, für eine ausreichende Menge Wasser im Duffesbach zu sorgen.

Dieser Bach läuft, bevor er nach Köln kommt, durch Hürth. Und auch die Hürther nutzten intensiv das Wasser des Duffesbachs. Nach Sicht des Kölner Bachmeisters unerlaubt, da es sich beim Duffesbach nicht um einen Fluss sondern um ein künstlich im Fluss gehaltenes Gewässer handeln würde, dessen Quellen sich im Besitz der Stadt Köln befinden würden. Folglich musste eine Vereinbarung getroffen werden.

Unter Woche Wasser für die Kölner – am Wochenende für die Hürther

Eine erste Einigung über die Wassernutzung mit den verschiedenen Grundeigentümern am Verlauf des Bachs gab es bereits im Jahr 1321. Diese Einigung bestand darin, dass die Grundeigentümer in Hürth immer nur samstags und sonntags das Wasser des Duffesbachs, der in Hürth „Hürther Bach“ hieß, nutzen durften. So wurde sichergestellt, dass werktags für die Kölner Handwerker wie Gerber oder Färber ausreichend Wasser zur Verfügung stand.

Die Hürther Bäche um 1800, Fotograf/Zeichner: Tranchot / von Müffling / Public domain
Die Hürther Bäche um 1800, Fotograf/Zeichner: Tranchot / von Müffling / Public domain

Diese Vereinbarung hielt. Mehr als 200 Jahre lang gab es nur kleinere, eher unbedeutende, Reibereien zwischen den Hürthern und den Kölnern um das Wasser. Doch im heißen Sommer 1560 nutzten die Hürther auch unter der Woche das Wasser mit der Folge, dass die Kölner Handwerker kein Wasser mehr zur Verfügung hatten. Zur Klärung machte sich der Kölner Bachmeister  mit einer kleinen Abordnung auf den Weg nach Hürth. Dort wurden die Kölner vom Hürther Schultheiß Damian Bell von Efferen und einer Horde mit Mistgabeln und Knüppeln bewaffneten Bauern empfangen und gefangen genommen.

Der Kölner Wasserkrieg entbrennt

Das konnte die stolze Reichsstadt Köln nicht hinnehmen und stellte mit 1.000 Mann eine große Streitmacht auf, die den Bauern zeigen sollte, wer in der Region das Sagen hatte. Schwer bewaffnet ging es Richtung Hürth in den „Kölner Wasserkrieg“. Zu einer Schlacht kam es allerdings nicht. Damian Bell wurde gefangen genommen und in den Kerker geworfen.

Damit hätte der ausgebrochene Wasserkrieg bereits am gleichen Tag beendet sein können, wenn nicht beide Seiten den juristischen Streit in dieser Sache gesucht hätten. Kern des Problems war dabei allerdings weniger der Tatbestand des „Wasserdiebstahls“ sondern vielmehr, welches Gericht zuständig war. Köln als Reichsstadt wollte den Streit vor das Reichskammergericht bringen. Die Hürther hingegen unterstanden den Herzogen von Brabant und wollten Fall vor deren Hof in Brüssel verhandeln. Und schon zog der „Kölner Wasserkrieg“ eine vorher nicht absehbare Welle nach sich.

Ferdinand I., (1503 - 1564), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und römisch-deutscher König, Bild: Dominicus Custos / Public domain
Ferdinand I., (1503 – 1564), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und römisch-deutscher König, Bild: Dominicus Custos / Public domain

Die Argumentation der Hürther: Da Brabant dem spanischen König unterstand, könne nur dieser als Gerichtsbarkeit anerkannt werden. Die Kölner wiederum berufen sich auf Kaiser Ferdinand I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und römisch-deutscher König, der jeden anderen Gerichtsstand als das Reichskammergericht schlichtweg ablehnte.

Und dieser juristische Streit sollte mehr als 50 Jahre lang währen. Erst 1617, nach unzähligen Klagen, Schriftsätzen und Verhandlungen, kam es zu einer Einigung, die sehr bekannt vorkommt: Die Hürther durften am Wochenende das Wasser des Duffesbachs nutzen, die Kölner unter der Woche.

Das hätte man einfacher haben können.


Etwas früher, bereits 1369, kam es zum „Kölner Flaschenkrieg“.


Der Duffesbach im Wechsel der Jahreszeiten (bitte Bilder anklicken)

Ein großes DANKE an Andy Ramacher und Elisabeth van Langen für die Fotos.


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Dreimol „Huh“ op de Frisöre! Gedanken und Bilder zur Corona-Krise

Die Sehnsucht nach dem Friseur wächst, Bild: Martin Jäger / pixelio.de
Die Sehnsucht nach einer ordentlichen Frisur wächst, Bild: Martin Jäger / pixelio.de

Die Corona-Krise hat uns fest im Griff. Und verändert unseren Alltag. Dabei sind Gesichtsmasken und das „sich-aus-dem-Weg-gehen“ hoffentlich nur vorübergehende Erscheinungen. Genau wie der temporäre Klopapapier-Notfall. Mittlerweile gibt es, zumindest in meinem bevorzugten Supermarkt, sogar 16er-Pack vierlagig wieder zu kaufen. Gottseidank – das „Geschäft“ ist gerettet.

Interessanter sind aber die Effekte, die niemand vorher auf dem Zettel hatte:
Zootiere langweilen sich – es fehlen ihnen die Besucher zum Anschauen. Und die Birkhühner in den Wäldern können endlich in Ruhe balzen. Beim Menschen ist die Frage der Balz noch offen: Wird es gegen Ende des Jahres einen Baby-Boom geben oder steigen die Scheidungsraten?

In Köln-Raderberg wird für die Helfer in der Corona-Krise geklatscht. Hier ein leider etwas dunkles Video vom 26.03. um 21 Uhr in der Raderberger Straße), Video: Uli Kievernagel
Abends um 21 Uhr wird für die Helfer in der Corona-Krise geklatscht. Hier ein leider etwas dunkles Video vom 26. März 2020, Video: Uli Kievernagel

Auch interessant: Gerade Väter stellen fest: „Mensch – ich habe Kinder. Und die muss ich beschäftigen.“ Gut zu beobachten in meiner unmittelbaren Nachbarschaft. Außerdem: Einbrecher will man in diesen Tagen bestimmt nicht sein. Genau wie Pfleger im Altenheim, Paketfahrer oder Kassiererin im Supermarkt. Es wurde zwar geklatscht – aber das macht den 10-Stunden-Tag im Aldi hinter Plexiglas auch nicht erträglicher.

Es gibt aber auch positive Erlebnisse, hier ein paar Beispiele:

  • Am kreativsten sind mal wieder Kinder. In meiner Nachbarschaft haben die Pänz Briefkästen gebastelt und an die Gartenzäune gehangen, um sich gegenseitig Nachrichten zu schreiben.
  • Menschen bieten ihren Nachbarn Unterstützung an. In vielen Hausfluren hängen Zettel mit dem Angebot, Einkäufe für Nachbarn zu erledigen.
  • Experten gehen davon aus, dass durch den fast kompletten Wegfall des Flugverkehrs bis zu 100 Mio. Tonnen CO2 eingespart werden. Auf einmal ist Deutschland wieder nah dran am Klimaziel – Corona sei gedankt.
  • Es werden Gabenzäune für die Menschen errichtet, die mit dem Kurzarbeitergeld nicht über den Monat kommen.

Öffnung der Frisöre steht bevor! Nicht nur die Frauen jubeln.

Und morgen, Montag, 4. Mai, ist dann auch der Tag X für alle, die sich selbst nicht mehr im Spiegel ansehen können: DIE FRISEURE ÖFFNEN WIEDER! Zwar unter strengen Auflagen, aber egal: Es heißt endlich wieder „waschen – föhnen – legen“ . Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich dieses Thema massiv unterschätzt habe. Fragt gerne dazu bei Gelegenheit mal meine Frau – für sie ist ein Friseur systemrelevant.

Auch meine kölsche Lieblingslyrikern Juliane wartet sehnsüchtig darauf, dat de Hoor widder Fazung kreje. Diese Sehnsucht nach ´nem neuen Kopp hat sie in das Gedicht „Systemrelevante Hoorspalterei“ gepackt und sie hat das Gedicht auch wieder selbst eingesprochen. Härlisch. Unbedingt anhören.
Vell Freud domet.


Systemrelevante Hoorspalterei
Juliane Poloczek

Ich hald‘ et nit us! Wie sinn ich bloß us!
Un dat alles bloß durch dä blöde Virus!
De Hoor nit mieh brung, janz ohne Fazung.
Jetz sinn ich alt us, nit schön un nit jung.

Wie jään ich jetz wör beim mingem Frisör!
Ich bruche janz dringend jet neue Kolör.
Mingen Aansatz es jries, dat fingen ich fies.
Met dä schäbije Pürk föhlen ich mich ärch mies.

Wat maachen ich jetz? Nen Hoot opjesetz?
Fastelovendsdreispetz? Oder leever en Mötz?
Om Däätz nen Turban? Dat hööt sich joot aan.
Koppdooch oder Burka – dat wör doch ne Plan.

Doch baal määt hä op, dä Frisure-Shop.
Dann krijjen ich widder ne „neue Kopp“.
Met Packung un Färverei un janz vell Hoorspray.
Es et endlich vorbei met dä Hoorspalterei.

Dreimol „Huh“ op de Frisöre!


Wie immer ein paar Erklärungen zu ausgewählten kölschen Wörtern

Fazung = Form
schäbije Prück = wörtlich übersetzt: armselige Perücke, hier sind aber tatsächlich die eigenen Haare und keine Perücke gemeint
ärch = sehr
Däätz = Kopf
baal = bald
krijjen = bekommen


Mehr von Juliane Poloczek gibt es auch hier:


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Der Duffesbach – ja wo ist er denn?

Verlauf des Duffesbachs, Karte: Stadtentwässerungsbetriebe Köln
Verlauf des Duffesbachs, Karte: Stadtentwässerungsbetriebe Köln

Blaubach, Rothgerberbach, Mühlenbach, Weidenbach, Am Duffesbach – die Kölner Innenstadt ist voller Bäche. Der Kölsche spricht deswegen für die Strecke vom Eifelplatz, über St. Pantaleon und Waidmarkt bis zum Rhein auch nur von „den Bächen“. Aber wo sind diese Bäche? Und wie viele Bäche sind es denn überhaupt?

Ein Bach – viele Namen

Eigentlich ist es ganz einfach: Es gibt nur einen Bach – den Duffesbach. Dieser hat allerdings an verschiedenen Stellen unterschiedliche Namen. Und die Suche nach dem Duffesbach ist vergeblich: Der Bach ist heute durchgehend kanalisiert und läuft fast ausschließlich unterirdisch. Bei der Wasserqualität ist das auch besser, denn der niedrige Sauerstoffgehalt und die hohe Konzentration an Gift lässt im Wasser kaum Leben zu, so Hannah Brüggemann von der NABU-Naturschutzstation Leverkusen-Köln.1„Duffesbach”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-108535-20141126-7, abgerufen: 2. März 2020

Der Fluss entspringt in Hürth-Knapsack – auch hier ist er heute nicht mehr zu sehen. Unterirdisch und kanalisiert tritt dieser erst für ein kurzes Stück im Grüngürtel an die Oberfläche. Und wenn nicht bereits die Römer den Bachlauf verlängert hätten, wäre schon im heutigen Zollstock Schluss gewesen – der Duffesbach versickerte schlichtweg.

Wer heute aber einen echten Fluss erwartet, wird enttäuscht. Zu sehen ist der Fluss nur auf einem kurzen Stück im Grüngürtel. Je nach Wetter ist kaum mehr als ein schmales Rinnsal auszumachen.

Trockengefallener Duffesbach im Grüngürtel, Bild: Travus / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)
Trockengefallener Duffesbach im Grüngürtel, Bild: Travus / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Auch seine Mündung in den Rhein ist unspektakulär: Aus einem Rohr läuft der Duffesbach unterhalb der Wasseroberfläche direkt in den Rhein und ist nicht zu sehen – es sei denn, es ist extremes Niedrigwasser. Dann kann man zumindest das Rohr des Baches in Höhe der Rheingasse sehen. Hauptgrund dafür, dass der Duffesbach kaum noch Wasser führt, ist der Braunkohleabbau in der Ville. Damit sich die riesigen Tagebauten nicht mit Wasser füllten, musste der Grundwasserspiegel stark abgesenkt werden. So wurde dem Duffesbach schlichtweg das Wasser entzogen.

Mündung des Duffesbachs in den Rhein, Höhe Rheingasse. Nur zu sehen bei extremen Niedrigwasser, Bild: Marcus Bentfeld / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)
Mündung des Duffesbachs in den Rhein, Höhe Rheingasse. Nur zu sehen bei extremen Niedrigwasser, Bild: Marcus Bentfeld / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)
Bedeutende Wasserversorgung für die Stadt

Früher war das anders. Bevor die römische Wasserleitung aus der Eifel die Stadt mit Frischwasser versorgte, stellte der Duffesbach die wichtigste Wasserversorgung der Stadt dar, trieb unzählige Mühlen an und war existenziell für unterschiedliche Gewerbe. Die Namen „der Bäche“ weisen auf diese Nutzung hin:

  • Am Duffesbach
    Der Name leitet sich wahrscheinlich von einer Mühle, die „tuifhaus“ genannt wurde, her.
  • Rothgerberbach
    Hier waren viele Gerber im mittelalterlichen Köln ansässig.
  • Weidenbach und Blaubach
    An diesem Abschnitt waren die Färber zu finden, die mit Färberwaid Stoffe färbten.
  • Mühlenbach
    Dieser Name erschließt sich von selbst. Der Kölsche kennt heute noch die „Malzmühle“ wegen des dort gebrauten, süffigen Mühlen-Kölschs.

Die Nutzung des Wassers war für die Handwerker existenziell und jahrhundertelang Gegenstand von Streit: Wer durfte das Wasser wann nutzen? Dies führte 1560 sogar zum „Kölner Wasserkrieg“.

Unter dem "Rothgerberbach" verläuft der kanalisierte Fluss, Bild: HOWI - Horsch, Willy / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)
Unter dem „Rothgerberbach“ verläuft der kanalisierte Fluss, Bild: HOWI – Horsch, Willy / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)
Der Duffesbach bleibt kanalisiert

Es ist nicht zu erwarten, dass der Duffesbach eines Tages wieder an die Oberfläche geholt und zur Naherholung beitragen wird. Hintergrund ist, dass der Bach nie ein natürliches Bett gehabt hat und schon seit der römischen Zeit in Köln durch Menschen kanalisiert wurde. Außerdem ist schlichtweg kein Platz für eine Führung des Gewässers an der Oberfläche vorhanden.

Typisch Kölsch: Wenn man den Bach schon nicht sieht, kann man aber immerhin darüber singen. So haben die Bläck Fööss dem Duffesbach in dem Lied der „Drei vun d´r Eierquell“ eine wunderschöne Zeile gewidmet:

„Mer trofe e Mädche am Duffesbach,
do kräte met däm singem Tuppes Krach.“


Der Duffesbach im Wechsel der Jahreszeiten (bitte Bilder anklicken)

Ein großes DANKE an Andy Ramacher und Elisabeth van Langen für die Fotos.


 

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Kölsche Sisyphusarbeit: Sich zum Schänzchen arbeiten

Sisyphos müht sich mit dem Stein ab - er arbeitet sich zum Schänzchen. Hier ein Darstellung von Tizian
Sisyphos müht sich mit dem Stein ab – er arbeitet sich zum Schänzchen. Hier ein Darstellung von Tizian

In der griechischen Mythologie wurde Sisyphus vom Gott Hermes dazu gezwungen, immer wieder einen schweren Stein einen Berg hinaufzurollen. Und wenn Sisyphus fast oben angekommen ist, rollt der Stein hinunter und er muss wieder vor vorne anfangen. Man spricht deswegen von einer Sisyphusaufgabe. Das bedeutet, einer schweren oder anstrengenden Tätigkeit nachzugehen ohne ein Ende abzusehen.

Der Kölner braucht für die Beschreibung von solchen Tätigkeiten keine Gottheiten. Der Kölner spricht einfach vom Schänzchen oder Schänzjen. Jetzt rollen Kölsche bekanntlich keine Steine irgendwelche Berge rauf. Das würde der Kölsche, auch mangels geeigneter Berge, nie machen. Deswegen hier ein anderes Beispiel: Nehmen wir mal an, ein Kölner wird dazu verdonnert, Laub aufzufegen. Eigentlich ist klar, dass die nächste Windböe direkt wieder weitere Blätter heranbläst. Doch der Kölsche fegt unermüdlich (nun ja, so unermüdlich wie es einem Kölner halt möglich ist) die Blätter. Dann arbeitet er sich zum Schänzchen. Er erledigt also eine niemals endende Aufgabe.

Ein Begriff aus dem Festungsbau

Tatsächlich handelt es sich bei einem Schänzchen um ein Bündel Anfeuerholz, also kleingeschnittenes Brennholz oder Reisig zum Anzünden eines Herdfeuers. So hielt meine Oma immer neben ihrem Herd aus Gusseisen die entsprechenden Klütten (Briketts) zur Befeuerung, ein paar Scheite Holz und eben das Schänzchen zum Anfeuern bereit.

Der Kölsche nennt sie Schänzchen: Reisigbündel zum Anzünden.
Der Kölsche nennt sie Schänzchen: Reisigbündel zum Anzünden.

Jetzt stellt sich die Frage, wie der Begriff für das Anfeuerholz zur Sisyphusaufgabe werden konnte. Die Erklärung stammt aus dem Festungsbau. Eine Schanze ist eine militärische Befestigungsanlage. Das bekannteste Beispiel dürfte Hitlers Führerhauptquartier Wolfsschanze im heutigen Polen sein. Eine Schanze im engeren Sinne ist ein Befestigungswerk, welches nicht dauerhaft angelegt ist. Gebildet wurden diese Anlagen aus Schanzkörben. Das sind runde Geflechte aus Reisig, die mit Erde gefüllt waren. Der Bau dieser Anlagen war sehr beschwerlich und eigentlich wurde die Anlage auch nie wirklich fertig. Eine echte Sisyphusaufgabe, bei der man sich zum Schänzchen arbeitet. Nur am Rande: Wenn sich jemand heute hinter etwas verschanzt, hat das die gleiche Wortherkunft.

Schanzkörbe: Mit Erde gefüllte Reisigkörbe als militärische Befestigung im 16. Jahrhundert
Schanzkörbe: Mit Erde gefüllte Reisigkörbe als militärische Befestigung im 16. Jahrhundert

Am Bonner Rheinufer gibt es noch heute das Schänzchen. Das als Biergarten genutzte Gelände war ursprünglich ein Teil des römischen Militärlagers Castra Bonnensia. Auch hier dürften sich etliche Römer und Bonner zum Schänzchen gearbeitet haben.

Sich zum Schänzchen suchen

Heute wird das Schänzchen in vielen Bedeutungen genutzt. So kann man sich an einem leckeren Essen ein Schänzchen dran essen oder ein Schänzchen anfressen. Wenn etwas sehr lustig ist, lacht sich der Kölner zum Schänzchen. Und wenn man etwas nicht findet, sucht man sich zum Schänzchen. Und fängt wieder von vorne an zu suchen. Immer wieder. Genau wie Sisyphus, der immer wieder seinen Stein den Berg raufrollt.


In dem Lied „Dann gom’mer nom Königsfors“ von Karl Berbuer lautet es im Refrain „… de Schänzcher injepack wie Wandervögel“. Hier sind mit Schänzcher allerdings keine Reisigbündel oder Anfeuerholz gemeint, sondern es geht um Wegzehrung wie zum Beispiel Butterbrote. Der Sprachforscher Peter Honnen bestätigt dies im Mitmachwörterbuch der rheinischen Umgangssprache: „Schänzchen als scherzhafte Bezeichnung für ein Butterbrot gibt es tatsächlich im westlichen Köln bis hin nach Frechen. Diese Bedeutung ist jedoch nur sehr kleinräumig verbreitet.“


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Köln in Corona-Zeiten und die Hoffnung auf bessere Zeiten

Trauriger Anblick: Ein abgesperrter Spielplatz zu Corona-Zeiten, Bild: Silke Kievernagel
Trauriger Anblick: Ein abgesperrter Spielplatz zu Corona-Zeiten, Bild: Silke Kievernagel

Ich gebe es zu – ich habe es schon wieder getan! Eigentlich wollte ich mich im Köln-Ding der Woche bewusst nicht mehr mit der Corona-Krise beschäftigen.

Dass ich es heute doch noch einmal mache, seid IHR schuld. Die Resonanz auf das Gedicht „Joode Zigge – Schläächte Zigge“ meiner kölschen Lieblingslyrikerin Juliane Poloczek (im Köln-Ding von vor zwei Wochen) hat mich umgehauen. Selten gab es zu meiner sonntäglichen Post so viele Rückmeldungen. Das macht mir klar, dass uns die Krise alle stark beschäftigt. Und dann hat Juliane mir noch diese Woche ihr neues Gedicht „Jlöck, Freud, Spass un Eu“ vorgestellt. Sie beschreibt hier ihre Freude daran, wenn die Zeiten wieder „normal“ sind, man sich gegenseitig besuchen kann und nicht mehr alleine zu Hause vor der Äujelskess (dem Fernseher) sitzt. Mein Tipp: Juliane hat dieses Gedicht extra für euch noch einmal eingesprochen. Ihr herrliches Kölsch ist ein Traum für die Ohren.


Jlöck, Freud, Spass un Eu
Juliane Poloczek

Wat weed dat schön, wann mr uns all widder besööke.
Wat han ich Freud, wann ich mi Leevje widder dröcke.
Wat weed ich juhze, wann ich dich widder bütze
ohne ming Schnüss met ner Mask dovür ze schütze.
Wat sin mr fruh, wann mr widder eng zesammesitze
ohne Angs beim Neese dr Nohbor aanzespritze.
Wat für e Jlöck, wann e Fes‘ mr widder fiere
un nit nor doheim en de Äujelskess stiere.

Wat han ich Eu, wann em Chor ich widder singe
Un hoffe, de richtije Tönche och ze finge.
Wie joot, mit de Fraulück widder Sport ze drieve
un dann dr Muskelkater mit Salv jet enzerieve.
Nä, wat ne Spass, mit Fründe en dr Weetschaff esse,
bei nem Jlas Wing die schwere Zick endlich verjesse.
Wie wunderbar, uns widder en et Auch ze luure.
Ich bin janz sicher, et weed su lang nit duure.


Ein paar Erklärungen zu ausgewählten kölschen Wörtern

  • Jlöck = Glück
  • Eu = Spaß, Freude
  • Besööke = besuchen
  • juhze = (vor Freude) jauchzen
  • Schnüss = Mund
  • Äujelskess = Fernseher
  • Auch = Auge
  • luure = sehen, schauen
  • duure = dauern

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