Balzac auf dem Neumarkt – oder: Et kütt wie kütt!

Die Statue des Künstlers Auguste Rodin stellt den Schriftsteller Honoré de Balzac dar, Bild: Uli Kievernagel
Die Statue des Künstlers Auguste Rodin stellt den Schriftsteller Honoré de Balzac dar, Bild: Uli Kievernagel

Jetzt steht er da: Balzac. Am Neumarkt. Riesig, schwarz. Mehr als vier Meter hoch und acht Tonnen schwer. Köln ist um ein Kunstwerk im öffentlichen Raum reicher: Die von Rodin geschaffene Skulptur des französischen Schriftstellers Balzac befindet sich auf der östlichen Seite des Neumarkts.

Bewegte Geschichte des Kunstwerks

Um es gleich den Kritikern vorwegzunehmen: Die Stadt hat weder für die Skulptur noch für den Sockel etwas bezahlen müssen. Henrik Hanstein, Inhaber des Kunsthauses Lempertz, hat alle Kosten getragen.

Die Statue selber hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Der renommierte Bildhauer François-Auguste-René Rodin (1840 – 1917) fertigte bereits 1891 ein lebensgroßes Gipsmodell des Dichters Honoré de Balzac an. Dieses Modell wurde in Paris ausgestellt – und kam überhaupt nicht gut an. Die, so die Kritiker, groteske Darstellung des Schriftstellers Balzac wäre unangemessen. Rodin, mindestens leicht beleidigt, brachte das Gipsmodell in sein Haus in Meudon, einem Vorort von Paris.

Detailansicht der Balzac-Statue von Rodin, Bild: Uli Kievernagel
Detailansicht der Balzac-Statue von Rodin, Bild: Uli Kievernagel

Mehr oder minder vergessen lagerte dort das Gipsmodell. Erst 1939, immerhin 22 Jahre nach dem Tod Rodins, wurde die Statue erstmals in Bronze gegossen und in Paris an der Ecke Boulevard du Montparnasse, Boulevard Raspail aufgestellt. Die in Köln aufgestellte Skulptur ist ein Bronzeabdruck des in Paris ausgestellten Originals.

Der Plan, die Skulptur mitten auf dem Neumarkt aufzustellen, wurde schnell verworfen, da damit die nutzbare Fläche des Platzes stark eingeschränkt wäre. So müsste zum Beispiel der Zirkus Roncalli, welcher regelmäßig seine Zelte auf dem Neumarkt aufschlägt, seine Artisten um Balzac drumherum jonglieren lassen. Daher wurde der Bereich am Rand des Platzes gewählt – unmittelbar vor dem Ladenlokal des Stifters. 

Problemzone Neumarkt

Andere Städte würden Köln um den Neumarkt beneiden: Ein großer, repräsentativer Platz. Mitten in der Stadt. Top Lage. Und auch verkehrstechnisch perfekt angebunden. Und genau hier liegt das  wesentliche Problem: Der Neumarkt ist ein verkehrsumtoster Platz. Bis zu drei Fahrspuren trennen den Platz von den Fußgängerbereichen, der tägliche Stau ist Normalität. Die Aufenthaltsqualität dort ist gleich Null.

Der Neumarkt - eine verkehrsumtoste Insel in der Stadt, Bild: Raimond Spekking
Der Neumarkt – eine verkehrsumtoste Insel in der Stadt, Bild: Raimond Spekking

Gleichzeitig ist der Neumarkt der Hotspot für Kölns Drogenszene. Es wird gedealt, und man muss sich nicht besonders anstrengen, Junkies zu finden, die sich auf offener Straße eine Nadel in die Vene rammen.

Kurzum: Auf dem Neumarkt hält man sich – wenn überhaupt- nur auf, um auf die Bahn zu warten, oder man versucht, sich diesen Platz auf dem Weihnachtsmarkt mit reichlich Glühwein schönzutrinken.

Aufwertung Neumarkt als Teil des Speer-Masterplans

Die Skulptur ist Teil einer Initiative, den Neumarkt aufzuwerten. Und diese Aufwertung ist wiederum Teil des „Masterplan Innenstadt Köln“, auch bekannt als „Speer-Masterplan“, welcher bereits seit 2009 vorliegt.

Aus ein paar Meter Entfernung wirkt die Rodin-Statue etwas verloren zwischen Ampeln, Autos und Leuchtreklame, Bild: Uli Kievernagel
Aus ein paar Meter Entfernung wirkt die Rodin-Statue etwas verloren zwischen Ampeln, Autos und Leuchtreklame, Bild: Uli Kievernagel

Die konkrete Idee im Masterplan zum Neumarkt: Die Nordseite (die Seite, an welcher die Schildergasse einmündet) soll vollständig autofrei werden und zusammen mit der Apostelnstraße eine große Fußgängerzone werden.

Und bis dies irgendwann mal geschieht, kann Balzac dem lauten Treiben und den Staus rund um den Neumarkt zusehen. Und irgendwie war Balzac extrem weitsichtig. Ihm wird dieses Zitat zugeschrieben, welches perfekt seine Sicht auf den Neumarkt und die Aufwertung des Platzes zusammenfasst:

Alle Macht des Menschen besteht
aus einer Mischung von Zeit und Geduld.
Honoré de Balzac (1799-1850)

Die kölsche Übersetzung dazu lautet:
Et kütt wie et kütt.


Umzug der Skulptur 2026

Im Januar 2024 hat die Bezirksvertretung Innenstadt entschieden, dass die Skulptur noch maximal zwei Jahre am Standort stehen bleiben soll. Bin mal gespannt, wie lange Rodin sich das Treiben am Neumarkt noch tatsächlich ansehen wird.


Sehenswürdigkeiten rund um den Kölner Neumarkt, Bilder: Uli Kievernagel, Raimond Spekking
Sehenswürdigkeiten rund um den Kölner Neumarkt, Bilder: Uli Kievernagel, Raimond Spekking

Rund um den Neumarkt gibt es viel zu erkunden!

Am Neumarkt steht nicht nur die riesige Eistüte von Claes Oldenburg, sondern auch die von Rodin geschaffene Skulptur des französischen Schriftstellers Balzac. Etwas versetzt hinter der Neumarktgalerie, in der Richmodstraße, findet sich der Richmodisturm mit den beiden sagenumwobenen Päädsköpp. Auf der Südseite des Platzes steht ein Gebäude mit bewegter Geschichte: Das Bing-Haus. Und zu Geschäftszeiten lohnt sich ein Abstecher in die benachbarte Schalterhalle der Kreissparkasse – dort gibt es 4711 kostenlos.


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Zum Tod von Fritz Schopps: Es wird still im Märchenwald.

Et Rumpelstilzje Fritz Schopps (1946 - 2022), Bild: Martin Schopps
Et Rumpelstilzje Fritz Schopps (1946 – 2022), Bild: Martin Schopps

Still wird es im Märchenwald
Eine Hommage an et Rumpelstilzje Fritz Schopps

Stille herrscht im Märchenwald,
Rapunzel friert, selbst Frau Holle ist kalt.

Schneewittchen und die sieben Zwerge sind ganz leise,
auch Rotkäppchen trauert auf seine eigene Art und Weise.

Jeder dort hat es mittlerweile erfahren:
Et Rumpelstilzje ist in den Märchenhimmel eingefahren.

Pinocchio weint kleine Holztränen,
der böse Wolf knirscht mit den Zähnen.

Wer, fragt Dornröschen, wird in Zukunft berichten
über die neuesten Märchenwald-Nachrichten?

Er ist jetzt fort, zieht nicht mehr den Hut,
zollt den Märchenwald-Figuren nicht mehr Tribut.

Gewitzt war er, mit spitzer Feder,
zog er auch manchmal derber vom Leder.

Getroffen hat immer die Richtigen,
ganz oft waren das die vermeintlich Hochwichtigen.

Reimen konnte er, wie kein Zweiter,
exakt auf den Punkt und immer heiter.

Im Saal hörten alle ihm aufmerksam zu,
den Meister zu stören, das war tabu!

Jetzt im Märchenhimmel ist er bei den ganz Großen,
de Doof Nuss un et Botterblömche wollen mit ihm anstoßen.

Da sitzt neben Ferdi Huick, dem Bergischen Landboten
der Toni Geller, beide lauschen Rumpelstilzchens Anekdoten.

Der ganze Märchenwald ist außer Rand und Band,
der Meister jetzt seinen Weg zu ihnen fand.

Auch der gestiefelte Kater erblasst jetzt vor Neid,
trägt doch jetzt Rumpelstilzchen die schönsten Stiefel weit und breit.

Die kunterbunte Jacke, die Feder am Hut,
jeder im Märchenwald erkennt den Fritz Schopps gut.

Ach wie gut, dass dort jeder weiß,
dass der Schopps eigentlich Rumpelstilzchen heißt.


Fritz Schopps – Et Rumpelstilzje (1946 – 2022)

Fritz Schopps wurde 1946 geboren, studierte Englisch, Geschichte und Mathematik auf Lehramt und war als Lehrer an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Köln-Höhenhaus tätig. Ab den 1980er Jahren war er, mit roten Stiefeln, kunterbunter Flickenjacke und Hut mit großer Feder als Rumpelstilzje eine feste Größe im Kölner Karneval.

Schopps hatte mit seiner für ihn typischen Reimrede mit den neuesten Nachrichten aus dem Märchenwald immer die Gesellschaft und die Politik deutlich aber liebevoll aufs Korn genommen.

Als Rumpelstilzchen wollte er eigentlich im Jahr 2021 seine Karriere beenden, doch die Corona-Pandemie machte ihm einen Strich durch die Rechnung.  So plante er, noch ein Jahr dranzuhängen, um sich auf der Bühne von seinem Publikum zu verabschieden. Doch diese Chance hat er leider nicht mehr bekommen.

Fritz Schopps – et Rumpelstilzje – ist am 5. Juni 2022 im Alter von 76 Jahren verstorben.

Und wir Kölner ziehen den Hut vor einem ganz großen in der Bütt.


Ein großes DANKE an Martin Schopps, Sohn von Fritz Schopps, der mir das Bild für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat.

Martin Schopps ist doppelter Hinsicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten: Er ist auch Lehrer und ist ein gern gesehener Redner und Moderator auf den (Karnevals-) Bühnen im ganzen Land..

Weitere Infos zu ihm gibt es auf seiner Website.

Martin Schopps


Wolfgang aus Köln hat mein Gedicht überarbeitet. Diese Version entspricht eher der Reimkunst von Fritz Schopps. Vielen Dank, dass ich diese Version veröffentlichen darf.

Im Märchenwald sich Stille zeigt.
Rapunzel friert, Frau Holle schweigt.
Schneewittchen mit den sieben Zwergen
trauert ratlos in den Bergen.
Rotkäppchen nimmt die Nachricht schwer:
Et Rumpelstielzche ist nicht mehr!
Pinocchio aus Holz weint Tränen,
Der  böse Wolf knirscht mit den Zähnen.
Wer, fragt Dornröschen, wird berichten die
neu‘sten Märchenwaldgeschichten?
Gezogen wird nicht mehr der Hut , 
dem Märchenwald fehlt der Tribut .
Gewitzt zog mit gespitzter Feder
auch manchmal derber er vom  Leder
Dabei traf genau die Richtigen,
 er die vermeintlich Superwichtigen !
Reimen konnt‘ er wie kein zweiter,
punktgenau und immer heiter.
Ernsthaft hörten alle zu,
Ihn zu stören, war Tabu !
Aufmerksam die Narren lauschten, 
danach stets Beifallsstürme rauschten.
Im Märchenhimmel bei den Großen 
vereint gemeinsam anzustoßen 
mem Botterblöömche und Doof Nuss
bereitet ihm jetzt Hochgenuss!
Mit Ferdi Huick, dem Landesboten
tauscht Toni Geller Anekdoten. 
Zu ihnen hat er sich gesellt
und grüßt uns aus der „ander‘n Welt“
Die schönsten Stiefel weit und breit
trägt Rumpelstielzchen, und vor Neid
erblasst der Kater und mit Graus
zieht er entnervt die Schuhe aus!
 
Die Jacke kunterbunt , die Feder
am Hut , so kennt bis heute jeder
FRITZ SCHOPPS , wie gut dass jeder weiß,
dass eigentlich er Rumpelstielzche heißt!
 

 


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Kölsche Originale: Fleuten-Arnöldche – gutmütiger Künstler mit einer ausgeprägten Schwäche für Alkohol

Der Musikant Arnold Wenger, bekannt als Fleuten-Arnöldche, auf dem Karl-Berbuer-Brunnen Bild: Uli Kievernagel
Der Musikant Arnold Wenger, bekannt als Fleuten-Arnöldche, auf dem Karl-Berbuer-Brunnen Bild: Uli Kievernagel

Eine Kölner Schankstube in den in 1860er Jahren: Eine ganze Schänke voller  fröhlicher Zecher, jeder einen vollen Becher Bier vor sich und in der Ecke steht ein kleingewachsener, pausbäckiger Mann und spielt auf seiner Flöte. Der kleine Mann mit der Flöte ist Arnold Wenger, in Köln aber als „Fleuten- Arnöldche“ bekannt: 

„In der Wirtsstube herrscht reges Leben und fast sämtliche Tische sind besetzt. Es sind nur Kölner in der Wirtsstube, Fremde sieht man nicht und man hört auch keinen fremden Dialekt; die Leute sprechen alle kölsch. … Die einzelnen Gruppen sind in lebhafter Unterhaltung begriffen, und es geht ziemlich laut dabei zu. … Doch plötzlich bemerkt man ein Getuschel an den Tischen, die Gäste stoßen sich an und aller Augen sind auf die Türe gerichtet, wo eben ein neuer Gast mit einer langen Flöte unter dem Arm hereingetreten war. Gleich am ersten Tisch wurde „Fleuten-Arnöldchen“, das war der neue Gast, festgehalten und herzlich begrüßt. Er bekam ein Glas Bier, das er in einem Zuge leerte, und dann blies er ein Stück auf seiner Flöte, während der Zappjung sein Glas wieder füllte.“1 Heinz Sartorius, ein Zeitzeuge, zitiert nach Reinhold Louis: Kölner Originale, Greven Verlag 1985, Seite 136

Gasthäuser, Flöte und der Alkohol bestimmen das Leben vom Flöten Arnöldche

Diese eindrucksvolle Schilderung beinhaltet fast alles, was das Leben von Arnold Wenger, genannt Fleuten-Arnöldche, auszeichnete: Geselligkeit, Gasthäuser, Flöte spielen und viel Alkohol. Wenger wurde am 12. Februar 1836 in Köln geboren. Sein Geburtshaus lag in der Sankt-Apern-Straße, unweit vom Römerturm. Und genau hier beginnt auch der Aufstieg und Fall des kölschen Musikanten.

Sein Vater betreibt eine Weinstube, so der frühe Zugang des jungen Arnold zum Alkohol. Außerdem ist der Vater ein talentierter Musiker, der Wert darauf legt, dass sein Sohn Noten lesen und ein Instrument, in diesem Fall Querflöte, zu spielen erlernt. Alkohol und Flöte – die Grundlagen des späteren Lebens vom Fleuten-Arnöldche wurden somit schon in frühester Kindheit gelegt.

Arnold Wenger, ermuntert vom Applaus der Zecher in der väterlichen Weinstube, beschließt, seinen Lebensunterhalt mit Musik zu bestreiten. Dabei hätte er auch die Begabung gehabt, in einem Orchester zu spielen. Allerdings entscheidet sich das Fleuten-Arnöldche dazu, als Straßenmusikant sein Geld zu verdienen. Eine fatale Entscheidung.

Er zieht mit seiner Flöte durch die kölschen Gaststuben. Der sanfte, gutmütige Flötenspieler war durchaus beliebt, und die Gäste in den Kneipen schätzten sein Flötenspiel. Seinen Lohn erhält er regelmäßig in flüssiger Form. Bis in die 1870er Jahre ging das auch noch halbwegs gut. Die Kölner Marktfrauen, eigentlich eher schroffe Naturen, schlossen den kleine Arnold ins Herz und versorgten ihn regelmäßig mit etwas zu essen – und auch zu oft mit Getränken.

Doch obwohl Fleuten-Arnöldche ein durchaus geübter Zecher war, kam es immer öfter zu „Totalausfällen“ und die Polizei musste den Trinker immer öfter von der Straße aufsammeln.

Ironie des Schicksals: Zwei Kölsche Originale begegnen sich – aber unfreiwillig

Ab 1875 eskalierte die Situation. Der völlig verwahrloste Wenger, übersät mit Eiterpusteln und gehüllt in schäbige, stinkende Kleidung, wurde in die Arbeitsanstalt Brauweiler eingewiesen. Er bekam keinen Alkohol und musste tatsächlich zum ersten Mal in seinem Leben körperlich arbeiten.

Genau hier kreuzen sich die Lebenswege zweier Kölscher Originale: Genau wie das Fleuten-Arnöldche ist auch das Kölsche Original Heinrich Peter Bock, besser bekannt als „Maler Bock“, in den 1870er Jahren ebenfalls unfreiwilliger Insasse in Brauweiler. Die beiden sind sich in ihrer tiefen, gegenseitigen Ablehnung einig: Der Bohémien Bock moniert, dass der eher einfältige Wenger ihm den Respekt verweigert und ihn mit „du“ anspricht. Arnold Wenger ist der abgehobene Lebemann Bock mit seiner oft gestelzten Sprache zuwider.

Et Fleuten-Arnöldche, Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer
Et Fleuten-Arnöldche, Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer

Unverhoffte Erbschaft von 6.000 Mark

Doch das Fleuten-Arnöldchen hatte Glück. Er erhielt eine unverhoffte Erbschaft in Höhe von 6.000 Mark. Dieses Geld versetzte ihn in die Lage, mit der Stadt Köln einen Vertrag auszuhandeln: Er zahlte die gesamte Erbschaft an die Stadt, diese verpflichtete sich im Gegenzug dazu, ihm zeitlebens eine Unterkunft zu bieten und ihn zu verpflegen.

So zog Fleuten-Arnöldche im November 1875 in das Bürgerhospital am Neumarkt. Doch auch hier konnte es der alkoholabhängige Wenger nicht lange aushalten. Sein geringes Taschengeld setzte er umgehend in Schnaps um. Mit den bekannten Auswirkungen. Daher wurde Arnold Wenger bereits ein Jahr später in die Krankenanstalt Lindenburg verlegt. Und hier gelang es den Ärzten und Therapeuten, den kranken Arnold Wenger wieder aufzubauen.

Und alle, die das Fleuten-Arnöldchen bereits abgeschrieben hatten, wurden eines Bessern belehrt. Der dank seiner Erbschaft als „Pensionär 1. Klasse“ geführte Wenger blühte regelrecht auf. Und auch seine Flöte kam wieder zu Ehren. Regelmäßig sonntags spielte das Fleuten-Arnöldche für alle in der Lindenburg. Und bekam dafür seinen verdienten Applaus.

So konnte Arnold Wenger seine letzten Lebensjahre zufrieden und – zumindest in der Lindenburg – geachtet verbringen, bis er am 25. Oktober 1902 dort an einem Kehlkopfleiden verstarb. Er wurde 66 Jahre alt – bei seinem Lebenswandel ein durchaus bemerkenswertes Alter.

Das "Fleuten-Arnöldche" als Sgraffito (Hauswand Alte Wallgasse 27-29), Bild: Sebastian Löder / CC BY 4.0
Das „Fleuten-Arnöldche“ als Sgraffito (Hauswand Alte Wallgasse 27-29), Bild: Sebastian Löder / CC BY 4.0

Flöte wird 2019 wiederentdeckt

Seine Flöte vermachte das Fleuten-Arnöldche dem Kölner Heimatverein. Von dort aus gelang das Instrument zum Kölnischen Stadtmuseum. Und geriet in Vergessenheit. Erst bei Aufräumarbeiten im Archiv im Jahr 2019 entdeckten Mitarbeiter des Museums die Flöte, die sich noch im Originalkarton befand.

Und die irgendwann, wenn das Museum in den am Roncalliplatz geplanten Neubau einzieht, erhält die Flöte des Kölner Originals Fleuten-Arnöldche mit Sicherheit einen Ehrenplatz.


Funkrufname „Arnold“ – Herkunft unbekannt

Wenn sich die Kölner Polizisten per Funk ansprechen, nutzen sie zur Identifizierung den Funkrufnamen „Arnold“. Woher dieser Name stammt, ist unbekannt. Der Polizeisprecher Christoph Gillen im Kölner Stadt-Anzeiger2vom 5. Mai 2024 dazu: „Die Herkunft ist tatsächlich nicht eindeutig geklärt, es gibt keine Quellen dazu.“  

Die Funkrufnamen anderer Polizeibehörden sind nachvollziehbar: In München lautet dieser „Isar“, in Aachen „Printe“, in Düsseldorf „Düssel“ oder in Oberhauen „Emscher“. Nur für „Arnold“ in Köln gibt es keine Erklärung. Daher mutmaßt Tim Stinauer in Kölner Stadt-Anzeiger3vom 6. Mai 2024, dass es vielleicht vom „Fleuten-Arnöldchen“ stammt. Lustig, aber eher unwahrscheinlich.

Nur am Rande: Der Funkrufname der KVB lautet „Tünnes“. Und das ist urkölsch und bedarf keiner weiteren Erklärung.


Em Himmel es d´r Düvel loss

Da wäre ich auch gerne irgendwann mal mit dabei! In dem bekannten Schunkel-Walzer „Un et Arnöldche fleut“ von Karl Berbuer treffen sich die ganzen Kölner Originale im Himmel und feiern Karneval. Selbstverständlich mittendrin: Arnold Wenger mit seiner Flöte.

Un et Arnöldche fleut, un d´r Herrgott hät sing Freud,
und d´r Ostermanns Will dä sing so schön,
es quietschen däm Palm sing Urgelstön,
un et Arnöldche fleut, un dr Herrgott hät sing Freud,
un der Läsche Nas ehr as wed nass,
weil Kölle nit unger geiht.


Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die "Kölschen Originale"
Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die „Kölschen Originale“

Weitere Geschichten zu den „Kölschen Originalen“ gibt es hier:


Michael Waßerfuhr von den Kölschgängern erzählt die Geschichte vom Fleuten-Arnöldche in einem wunderschönen Kölsch. Schaut mal rein, lohnt sich!


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Die „Englische Siedlung“ in Raderthal – Gartenstadt nach britischem Vorbild

Großzügige Häuser auf Grundstücken mit viel Gartenfläche: Die "Englische Siedlung" in Köln-Raderthal, Bild: Uli Kievernagel
Großzügige Häuser auf Grundstücken mit viel Gartenfläche: Die „Englische Siedlung“ in Köln-Raderthal, Bild: Uli Kievernagel

Wer ein Haus in der einzige Englischen Siedlung kaufen will, braucht Geduld und eine Menge Geld. Diese bevorzugte Wohngegend im Kölner Süden ist extrem begehrt. Und die Häuser sind – wenn man denn überhaupt eines zum Kauf finden sollte – dementsprechend teuer. 

Wohnraum für die Soldaten aus England

Angelegt wurde diese Siedlung ab 1949, um Wohnraum für die britischen Soldaten zu schaffen. Am 6. März 1945 befreiten die Amerikaner Köln. Nur gute drei Monate später, am 21. Juni 1945, übernahm die britische Armee von den US-Truppen die Verwaltung der neuen Nord-Rheinprovinz, zu der auch Köln gehörte. Der Wohnraum in der großflächig zerstören Stadt war äußerst knapp. Um die britischen Soldaten und deren Familien unterzubringen, wurden kurzerhand Wohnungen und ganze Häuser in den vergleichsweise wenig zerstörten Vierteln Marienburg und Junkersdorf requiriert.

Für die längerfristige standesgemäße Unterbringung der Offiziere wurde 1949 das Bauprogramm “JOINT“ und 1950 das „ZECO“-Bauprogramm aufgelegt. Das Ziel: Errichtung einer Gartenstadt nach englischem Vorbild. Die Briten machten exakte Vorgaben für die Häuser, die tatsächliche Planung und Ausführung wurde vom Land Nordrhein-Westfalen, der Stadt Köln, der Arbeitsgemeinschaft Besatzungsbauten Köln sowie der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Wohnungsbau Köln (GAG Köln) übernommen. Renommierte Architekten wie zum Beispiel Wilhelm Riphahn, Fritz Schaller oder Theodor Kelter entwarfen die Bauten.

Einheitliches Gesamtbild in der Englischen Siedlung, hier ein Bild aus den 1960er Jahren, Bild: Josef Rosenzweig: Zwischen Judenbüchel und Sauacker
Einheitliches Gesamtbild in der Englischen Siedlung, hier ein Bild aus den 1960er Jahren, Bild: Josef Rosenzweig: Zwischen Judenbüchel und Sauacker

147 Häuser – basierend auf lediglich fünf Haus-Grundtypen

Die Ein- und Zweifamilienhäuser der „Englischen Siedlung“ basieren auf nur fünf Haus-Grundtypen: Die größeren Häuser, im inneren Bereich der Siedlung angelegt, waren für die Offiziere, die etwas kleineren in den Randbereichen für Unteroffiziere bestimmt. Die Häuser wurden versetzt und zum Teil gespiegelt errichtet. So herrscht in der Siedlung zwar ein einheitliches Gesamtbild, welches aber an keiner Stelle einförmig wirkt. Ergänzt wird das Ensemble durch drei Mehrfamilienhäuser mit jeweils zwölf Wohnungen und ein großes siebenstöckiges Wohnhochhaus mit 73 Wohnungen.

Das von Helmut Riphahn entworfene Hochhaus in der Englischen Siedlung, Bild: Elke Wetzig, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Das von Helmut Riphahn entworfene Hochhaus in der Englischen Siedlung, Bild: Elke Wetzig, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Volkspark Raderthal muss weichen

Der neuen Siedlung fielen wesentliche Teile des bereits ab 1923 errichteten Volksparks Raderthal zum Opfer. So büßte der Park etwa zwei Drittel seiner Fläche ein.

Vergleich Fritz-Encke-Volkspark damals und heute

Insgesamt entstand so eine attraktive Siedlung mit 147 freistehenden Häusern, großzügigen Gärten und geschwungene Straßen. Spezielle Versorgungseinrichtungen, wie zum Beispiel der Naafi-Shop1Navy, Army and Air Force Institutes, mit speziellen Einkaufsmöglichkeiten für die im Ausland stationierten Soldaten und eine Schule für die Kinder der Soldaten sollten den im Ausland stationierten Soldaten den „british way of life“ ermöglichen.

Ein Zeitzeuge erinnert sich

Wilfried ist in Raderthal, unweit der englischen Siedlung, aufgewachsen und erinnert sich:

In der Vernicher Straße groß geworden war die englische Siedlung stets präsent in unserem Leben. Vater und Mutter gingen täglich durch die Siedlung zur Arbeit beim Leybold bzw. zum Deutschen Städtetag in der Lindenallee in Marienburg. Für uns Pänz wurde die „Englische Siedlung“ mehr und mehr zum Spielplatz. Leere Milchflaschen vor den Türen der Häuser haben wir gelegentlich stibitzt und gegen Pfand im Lebensmittelladen auf der Bonner Straße eingetauscht.

Sonntags spazierte die Familie zum Fritz-Encke-Volkspark und im dortigen Brunnentempel haben wir als Jugendliche unsere erste Zigarette probiert. Auf dem großen Parkplatz vor dem Naafi-Shop konnten wir ungestört Rollschuh fahren, nur rein in das geheimnisvolle Kaufhaus kamen wir nie.2Der Zutritt zum Naafi-Shop (Navy, Army and Air Force Institutes) mit speziellen Einkaufsmöglichkeiten war exklusiv den im Ausland stationierten britischen Soldaten und deren Familien vorbehalten.

Für uns als Kinder fast schon ein Skandal: In den Häusern gab es keine Gardinen vor den Fenstern und die Frauen rauchten auf der Straße.

Skandale um die Nutzung der Wohnungen und Häuser

Ab 1957 wurden wesentliche Teile der britischen Armee aus Köln abgezogen3Die Royal Air Force räumte 1957 die Flugplätze Butzweilerhof und Köln-Wahn. Bis etwa Ende 1965 verließen die Briten die Wohnungen und Häuser der „Englischen Siedlung“. Der Bund als Eigentümer musste nun entscheiden, wie mit der begehrten Wohnlage im Kölner Süden umgegangen werden sollte.

Schnell wurden die Begehrlichkeiten geweckt. Die Soldaten der nur wenige Schritte entfernten Kaserne schauten aus ihren Büros sehnsüchtig auf die Villen der Siedlung – nur zu gerne wären die Offiziere sofort dort eingezogen. Doch ein Streit zwischen dem Verteidigungsministerium, dem Bundesschatzministeriums4Ein spezielles Ministerium zur Verwaltung der Gelder aus dem Marshall-Plan, welches 1969 aufgelöst wurde. und dem Bundeswohnungsministerium verhinderte eine schnelle Nutzung: Zwar gehörtem dem Bund die Immobilien, doch war die „Ausstattung der Wohnungen zu gut für die Angehörigen der Bundeswehr“5Erwin Fischer: „Für die Rheinarmee gut. Für die Bundeswehr zu gut“, Frankfurter Rundschau vom 1. Juli 1966, in: Homepage der Arbeitsgruppe Wohnungsfürsorge Heidekaul (abgerufen: 15. April 2022). Den bereits in die „Englische Siedlung“ umgezogenen Soldaten drohte zwischenzeitlich sogar eine Räumungsklage. Erst durch die Schadensersatzklage eines Oberstleutnants wurde dieser Schildbürgerstreich verhindert.

Das eigens für Wirtschaftsminister Karl Schiller umgebaute Haus Eckdorfer Straße 6, hier ein Bild aus dem Jahr 2018, Bild: Heinz Reutersberg
Das eigens für Wirtschaftsminister Karl Schiller umgebaute Haus Eckdorfer Straße 6, hier ein Bild aus dem Jahr 2018, Bild: Heinz Reutersberg

Neben den Soldaten weckten die attraktiven Villen aber auch das Interesse der führenden Bonner Politiker. Wirtschaftsminister Karl Schiller (1911 – 1994) ließ sich das Haus Eckdorfer Straße 6 gemäß seiner Wünsche umbauen und einrichten. Mit zehn Zimmern und großem Grundstück eine durchaus attraktive Immobilie – und das für gerade mal 972 DM monatliche Miete. Doch als die Öffentlichkeit darauf aufmerksam wurde, trat -Schiller schnell den Rückzug an und verzichtete auf seine Kölner Villa.

„Kraut und Rüben beim Denkmalschutz“

Der Bund hat mittlerweile fast alle Ein- und Zweifamilienhäuser der Siedlung an private Käufer veräußert, nur das Hochhaus und die Mehrfamilienhäuser sind noch im öffentlichen Besitz. Die gesamte Siedlung wurde 1995 unter Denkmalschutz gestellt. Und die Auflagen des Denkmalschutzes sorgten für den nächsten Ärger in der Siedlung.

Im Juli 2018 berichtete der WDR über die von den Bewohnern der Häuser als willkürlich empfundene Auslegung der Denkmalschutzregeln. So musste ein Besitzer ein neu gedecktes Dach umbauen lassen, weil es einen leichten Dachüberstand gab. Exakt dieser Dachüberstand wurde bei Nachbarhäusern problemlos toleriert. Fenster sind mal bodentief, mal nicht. Die Türen sehen fast alle unterschiedlich aus, die Fensterrahmen sind mal weiß und mal grau. Ein Anwohner bezeichnete diese Denkmalschutz-Auslegungen noch sehr diplomatisch als „gewisse Willkür“.

Großzügige Gärten in der Englischen Siedlung in Köln-Raderthal, Bild: Uli Kievernagel
Großzügige Gärten in der Englischen Siedlung in Köln-Raderthal, Bild: Uli Kievernagel

Und trotzdem bleibt die attraktive „Englische Siedlung“ bevorzugtes Wohngebiet. Und wenn denn dort etwas zu verkaufen zu vermieten ist, sind zwar die Preise gepfeffert, aber dank der Nachfrage findet hier jede Immobilie ihren Käufer oder Mieter.


Eines der Häuser attaktiven Häuser in der Englischen Siedlung (Rösberger Straße) in den 1960er Jahren, Bild: Simon Elliot-Kermp
In diesem Haus in der Rösberger Straße hat Simon gewohnt. Bild: Simon Elliot-Kermp

„… den ganzen Luxus hinter uns lassen“

Simon aus England hat mir geschrieben. Als Kind hat er in der Rösberger Straße gelebt, sein Vater war Schulleiter. Die Familie zog 1966 zurück nach Großbritannien:

„Es war tatsächlich ein wunderschönes, gut gebautes Haus. Das konnte selbst ein Kind zu schätzen wissen.
Als wir nach Großbritannien zogen, mussten wir den ganzen Luxus hinter uns lassen.“


 

Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel
Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel

Lotsentour – Raderberg & Raderthal

Die „Englische Siedlung“ ist auch Bestandteil der Lotsentour Raderberg & Raderthal. Eine Stadtführung mit dem Fahrrad.


DEFA Wochenschau (1952), „Der Augenzeuge - Besuch in Köln“, ab etwa 1 Minute 30 Sekunden wird die „Englische Siedlung“ gezeigt
DEFA Wochenschau (1952), „Der Augenzeuge – Besuch in Köln“, ab etwa 1 Minute 30 Sekunden wird die „Englische Siedlung“ gezeigt

Die DEFA Wochenschau aus der DDR hat im Jahr 1952 unter dem Titel „Der Augenzeuge – Besuch in Köln“ einen Bericht über Köln in der Nachkriegszeit veröffentlicht.

Ab etwa 1 Minute 30 Sekunden geht es in dem Bericht auch ausdrücklich über die „Englische Siedlung“ und der Riphahn-Bau wird gezeigt.

Ein großes DANKE an Ralf aus Köln für diesen Hinweis.


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Auflösung: Quiz zur 250. Ausgabe des „Köln-Ding der Woche“

250 Ausgaben des "Köln-Ding der Woche" sind seit Juli 2017 erschienen.
Seit Juli 2017 sind 250 Ausgaben des „Köln-Ding der Woche“ erschienen.

Viele von euch haben bei meinem Quiz zur 250. Ausgabe des Köln-Ding der Woche mitgemacht, dafür vielen Dank. Die Gewinner der 11 x 2 Gutscheine habe ich bereits benachrichtigt. Und als kleine Anerkennung haben auch alle, die mitgemacht haben, einen kleinen Trostpreis gewonnen. 

Hier die Auflösung des Quiz

Mit Siegel: Die Kölsch-Konvention der Kölner Brauer, Bild: Kölner Brauerei-Verband e.V.
Mit Siegel: Die Kölsch-Konvention der Kölner Brauer, Bild: Kölner Brauerei-Verband e.V.

Flüssiges Gold

Kölsch ist das Lebenselixier unserer Stadt. Um dieses ganz besondere Bier vor Nachahmern und schlechten Kopien zu schützen, haben die damals 24 eigenständigen Kölschbrauer die „Kölsch Konvention“ verabschiedet. In dieser Konvention wird unter anderem festgelegt, dass Kölsch ausschließlich in Köln gebraut werden darf.1Ausnahme: Brauereien außerhalb des Stadtgebiets von Köln, die bereits vor Inkrafttreten der Konvention Kölsch gebraut haben.

1. Frage:
In welchem Jahr wurde die Kölsch-Konvention feierlich unterschrieben?

Antwort:
Die Kölsch-Konvention wurde am 6. März 1986 unterschrieben.


Der Barbarastollen unter dem Hauptgebäude der Universität zu Köln, Bild: Uli Kievernagel
Der Barbarastollen unter dem Hauptgebäude der Universität zu Köln, Bild: Uli Kievernagel

„Glück auf“ in Köln

Unter dem Hauptgebäude der Universität liegt ein für Jahrzehnte schlichtweg vergessenes Bergwerk. Dieses „Schaubergwerk“ sollte Studenten einen möglichst genauen Einblick in die harten Arbeitsbedingungen der Kumpels unter Tage bieten.

2. Frage
Wie lang ist dieses „Barbarastollen“ genannte Schau-Bergwerk?

Antwort:
Der Barbarstollen ist 40 Meter lang.


So könnte das Kamelrennen in Köln ausgesehen haben, hier ein Bild eines Rennens aus den 1940er Jahren
So könnte das Kamelrennen in Köln ausgesehen haben, hier ein Bild eines Rennens aus den 1940er Jahren

Wüstenschiffe in Weidenpesch

18.000 Besucher sahen im September 1969 ein ganz besonderes Rennen auf der Galopprennbahn in Weidenpesch. Statt edler Rennpferde liefen dort Kamele um die Wette. Der spätere Sieger bretterte zwar mitten im Rennen im vollen Lauf in eine Hecke – konnte aber trotzdem das Rennen für sich entscheiden.

3. Frage:
Wie hieß das Sieger-Kamel?

Antwort:
Das Sieger-Kamel hatte den Namen „Tuareg“


Die Erstbesteiger des Troodelöh
Die Erstbesteiger des Troodelöh

Der kölsche Everest

Am 12. November 1999 machten sich drei Bergsteiger zusammen mit ihrem treuen Sherpa Llongway auf, um Kölns höchsten Punkt zu entdecken. Ohne Sauerstoff, nur mit Minimalvorräten an Kölsch und Enzian, schafften es diese Männer– Entdecker im Rang eines Kolumbus, Amundsen oder Hillary – direkt ohne Basislager und Akklimatisation auf den Gipfel und tauften den „Kölschen Everest“ auf den Namen „Monte Troodelöh“.

4. Frage
Wie hoch ist dieser sagenhafte Berggipfel?

Antwort: 
Die höchste Erhebung unserer geliebten Domstadt ist genau 116,70 Meter hoch. Später wurde diese Höhe aber auf 118,04 Meter korrigiert.


Das Pumpwerk an der Schönhauser Straße. Die blaue Illumination bedeutet "Pegel unter 2,4 Meter", Bild: Uli Kievernagel
Das Pumpwerk an der Schönhauser Straße. Die blaue Illumination bedeutet „Pegel unter 2,4 Meter“, Bild: Uli Kievernagel

Farbenspiele am Rhein

Direkt am Rheinufer im Kölner Süden steht Kölns größter Wasserstandsmelder: Das Pumpwerk Schönhauser Straße. Dieses und weitere Pumpwerke sind unverzichtbar für den Hochwasserschutz. Der wunderschöne Clou an diesem Gebäude: Je nach Wasserstand leuchtet das gesamte Gebäude in einer ganz bestimmten Farbe.

5. Frage:
In welcher Farbe leuchtet das Pumpwerk, wenn der Wasserstand bei 3,5 bis 4 Metern liegt?

Antwort:
Bei einem Wasserstand von 3,5 bis 4 Meter leuchtet das Pumpwerk grün.


Obs und Jemös, Bild: TiM Caspary / pixelio
Obs und Jemös, Bild: TiM Caspary / pixelio

Kölsche Wörter für Obs un Jemös

Als Hilfestellung für euren Einkauf auf den Wochenmärkten hatte ich im Juli 2018 die kölschen Wörter für Obst und Gemüse veröffentlicht. Dort konnte man lernen, dass „Humpele“ Himbeeren, „Öllisch“ Zwiebeln und „Worbele“ Heidelbeeren sind.

6. Frage:
Was bezeichnet der Kölsche als „Krönzel“?

Antwort:
„Krönzel“ sind Stachelbeeren.


Der Nasenbrunnen zu Ehren des fleißigen städtischen Hundefängers Andreas Leonard Lersch, besser bekannt als "Läsche Nas", Bild: Horsch, Willy - HOWI, CC BY 3.0
Dieser Nasenbrunnen erinnert an den fleißigen städtischen Hundefänger Andreas Leonard Lersch, Bild: Horsch, Willy – HOWI, CC BY 3.0

Ein stadtbekannter (und berüchtigter) Hundefänger

Andreas Leonard Lersch war bei Hundebesitzern in der Stadt gefürchtet. Der wenig feinfühlende Mann kochte zuvor eingefangene und getötete Hunde aus und produzierte daraus ein Mittel zur Schwindsucht. Ein besonders hervorstechendes Körperteil führte zu seinem noch heute bekannten Spitznamen.

7. Frage
Wie nannten die Kölner Andreas Leonard Lersch?

Antwort:
Lersch wurde – wegen seiner übergroßen Nase – „Läsche Nas“ genannt.


Der Decke Pitter im Kölner Dom, Bild: Pappnaas666
Der Decke Pitter im Kölner Dom, Bild: Pappnaas666

Der Decke Pitter

Bis Ende November 2018 war die größte Glocke im Dom auch die größte freischwingende Glocke der Welt: Die St. Petersglocke, von den Kölnern liebevoll „Decke Pitter“ genannt. Seine ersten Glockenschläge erklangen am Heiligabend 1924. 

8. Frage:
Wie schwer ist der „Decke Pitter“?

Antwort:
Der „Decke Pitter“ wiegt 24 Tonnen.


Der Kölnisch-Wasser-Brunnen in der Schalterhalle der Kreissparkasse, Bild: Uli Kievernagel
Der Kölnisch-Wasser-Brunnen, Bild: Uli Kievernagel

Echt Kölnisch Wasser

Erfunden wurde „Kölnisch Wasser“ von Johann Maria Farina, dem Mann mit der „goldenen Nase“. Am bekanntesten ist heute die Marke „4711“. Wer „Eau de Cologne“ will, muss dies teuer bezahlen – oder man geht zum Kölnisch-Wasser-Brunnen und kann sich dort gratis bedienen.

9. Frage:
Wo steht der Kölnisch-Wasser-Brunnen?

Antwort:
Der Brunnen steht in der Schalterhalle der der Kreissparkasse am Neumarkt. 


Der Vierungsturm des Kölner Doms mit dem goldenen Stern von Betlehem, Bild: CEphoto, Uwe Aranas, CC-BY-SA-3.0
Der Vierungsturm des Kölner Doms, Bild: CEphoto, Uwe Aranas, CC-BY-SA-3.0

Die „Warze des Doms“

Er wird irgendwie oft vergessen: Kölns dritthöchster Kirchturm – nach den beiden mächtigen Türmen des Doms – ist der ebenfalls auf der Kathedrale befindliche Vierungsturm. Dieser Turm wurde oft in den letzten Jahren umgebaut – Kritikern zufolge nicht unbedingt zum Vorteil des Doms. So wurde der Vierungsturm auch schon als „Warze des Doms“ bezeichnet.

10. Frage:
Wie hoch ist der Vierungsturm des Kölner Doms?

Antwort:
Der Vierungsturm ist 109 Meter hoch.


Kult: Die Gaststätte Lommerzheim in Deutz, Bild: Andreas Lofner
Kult: Die berühmte Gaststätte in Deutz, Bild: Andreas Lofner

„Su lang die Leechter noch brenne“

Bereits im Jahr 2015 hat die kölsche Band Miljö den Titel „Sulang die Leechter noch brenne“ veröffentlicht. In diesem Lied steht der wohl bekannteste Wirt Kölns stellvertretend für die kölsche Lebensart. Dieser Wirt hat bis 2004 eine sagenhafte Kneipe in Deutz geführt, welche 2008 nach „behutsamer Renovierung“ wieder eröffnet wurde.

11. Frage:
Wie hieß der Wirt dieser legendären Kneipe?

Antwort:
Der Name des legendären Wirts war Hans Lommerzheim.


 

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Einladung: Lesung mit Stadtführung „vom Stuhl“ in Marienburg am 8. Juni 2022 | Eintritt FREI

So kann man sich die Marienburger Villa aus dem Roman vorstellen, Bild: Norbert Bröcheler
So kann man sich die Marienburger Villa aus dem Roman vorstellen, Bild: Norbert Bröcheler

Bitte den 8. Juni 2022, 19.30 Uhr vormerken: An diesem Tag veranstalte ich zusammen mit der erfolgreichen Autorin Ellen Jacobi eine Lesung aus einem Marienburg-Roman. Mitten in Marienburg. Eintritt FREI.

Roman: Untermieter in der Marienburger Villa einer exzentrischen Dame

Im Mai 2020 durfte ich Ellen Jacobi bei der Recherche zu Ihrem Roman „Ohne Rentner geht hier nichts“ unterstützen. Die Handlung spielt zu wesentlichen Teilen im Kölner Stadtteil Marienburg. Dieses Buch wurde im Juli 2021 bei Bastei Lübbe veröffentlicht.

Ellen Jacobi: Ohne Rentner geht hier nichts, Bastei Lübbe
Ellen Jacobi: Ohne Rentner geht hier nichts, Bastei Lübbe

Es geht um die ebenso reiche wie schwierige Ariane van Endert. Sie lebt auf großem Fuß in einer Marienburger Villa, bis ihr Stiefsohn große Teile ihres Vermögens durchbringt. Notgedrungen nimmt sie einige Untermieter auf: eine junge Studienabbrecherin ohne Perspektive, eine chaotische Rentnerin mit Stoffhund und einen Pianisten, der seit Jahren kein Klavier mehr angefasst hat. Ariane hofft sehr, ihre neuen Mitbewohner bald wieder loszuwerden und macht ihnen das Leben schwer. Irgendwann sind aber auch die letzten Reserven ausgegeben und es besteht die Gefahr, dass Ariane ihre große Villa in Marienburg verliert.
Ein heiterer Roman über das Leben in Marienburg, Neuanfänge im Alter und wahre Freundschaften.

Bitte weitersagen: Lesung eines Roman aus Marienburg mitten im Marienburg
Bitte weitersagen: Lesung eines Roman aus Marienburg mitten im Marienburg

Stadtführung und Lesung aus dem Marienburg-Buch in Marienburg

Ich habe mit Ellen Jacobi vereinbart, dass Sie für euch aus diesem Roman liest. Vorab biete ich eine kurze Stadtführung vom Stuhl an: Es gibt ein paar Geschichten zu Marienburg, den noblen Villen und der Entwicklung dieses Stadtteils. Anschließend stehen Ellen und ich noch für alle Fragen gerne zur Verfügung und wir können noch gemeinsam einen Wein, ein Kölsch oder ein Wasser trinken.  

Eintritt FREI, bitte anmelden

Die Lesung mit Stadtführung vom Stuhl findet am 8. Juni 20022, 19.30 Uhr im Martin-Luther-Haus, Mehlemer Straße 27, mitten in Marienburg, statt.
Ihr seid alle eingeladen. Der Eintritt ist FREI.

Um Anmeldung wird gebeten:

Uli Kievernagel, der Köln-Lotse
Telefon 0221. 42344825
Mobil 0162. 7973914
uli@koeln-lotse.de


Eine Veranstaltung im Rahmen des Sonderprogramms Aufgeschlagen! des Landes Nordrhein-Westfalen.

Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen


Eindrucksvolle Villen in Marienburg, Bild: Norbert Bröcheler
Eindrucksvolle Villen in Marienburg, Bild: Norbert Bröcheler

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Ein paar Fragen an Christiane Rath – „Grabaneignung“ auf dem Kölner Südfriedhof

Christiane Rath am Grab von Heinz und Heinzchen Rausch, Bild: Uli Kievernagel
Christiane Rath am Grab von Heinz und Heinzchen Rausch, Bild: Uli Kievernagel

Ein scheinbar herrenloses Grab auf dem Südfriedhof pflegen. Ohne irgendeine Beziehung zu den dort bestatteten Menschen. Und dann darüber ein Buch veröffentlichen. Klingt nach einer erzählenswerten Geschichte.  Deswegen treffe ich Christiane Rath direkt dort, wo alles angefangen hat: Auf dem Südfriedhof, Flur 33, gegenüber der Bestattungsgärten.

Dr. Christiane Rath ist ein eine bemerkenswerte Frau. Sie ist eine nur zufällig in Oberhausen geborene und in Düren aufgewachsene Rheinländerin, hat in Bonn Romanistik studiert und auch dort promoviert. Sie lebt seit 1988 in Köln. Neben ihrer Tätigkeit als freischaffende Künstlerin, Autorin und Redakteurin des Kölner Straßenmagazins „Draussenseiter“ leitet sie gemeinsam mit agii gosse den Kölner Kunstverein „68elf e.V.“.

Bereits 2017 reift bei einem ihrer zahlreichen Spaziergänge über den Südfriedhof die Idee, sich eines der offensichtlich verlassenen Gräber „anzueignen“. Es dauerte aber noch bis Ende 2019, bis dieser Plan in die Realität umgesetzt wurde. Jetzt stehen wir vor dem Grab von Heinz und Heinzchen Rausch mit dem bemerkenswerten Grabstein aus drei verbundenen Kreuzen.

Christiane – du hast eine Jahreskarte vom Kölner Zoo. Anscheinend ist aber der Südfriedhof für dich interessanter als Giraffen, Löwen und Erdmännchen. Warum?

Ich kenne den Zoo in- und auswendig, ich habe auch bereits zwei Bücher über den Zoo geschrieben – über Friedhöfe noch keins. Ich liebe Friedhöfe und schaue mir diese überall an. Ich bin auch viel auf dem Melaten-Friedhof unterwegs. Aber der Südfriedhof ist für mich schöner als Melaten. Er ist verwinkelter, geheimnisvoller.

Christiane Rath: "Der Kölner Zoo" und "Die Elefanten zu Köln", beide bei Kiepenheuer & Witsch erschienen
Christiane Rath: „Der Kölner Zoo“ und „Die Elefanten zu Köln“, beide bei Kiepenheuer & Witsch erschienen

Wie kommt man auf die Idee, einfach ein Grab von wildfremden Menschen zu pflegen?

Es stört mich, wenn Gräber verlassen sind und nicht gepflegt werden. Das macht mich traurig. Eigentlich zupfe ich ständig an irgendwelchen Gräbern herum, wenn ich auf Friedhöfen unterwegs bin. Tatsächlich habe ich heute auch wieder Handschuhe dabei, um Gräber von Dornen zu befreien.

Moment mal – da könnte ja jeder kommen und einfach wildfremde Gräber pflegen. Wir sind doch schließlich in Deutschland! Hier ist alles geregelt. Ist das denn überhaupt erlaubt?

Eigentlich ist das nicht so außergewöhnlich, wie man denkt. Viele Menschen pflegen auch Nachbargräber. Juristisch ist das irgendwie eine Grauzone. Man zerstört ja nichts, sondern pflegt eine Grabstelle. Wieso sollte das also verboten sein? Eine „Temporäre Grabaneignung“, wie ich sie mit dem Rausch-Grab vorgenommen habe, ist natürlich nicht mit einem Patenschaftsgrab zu vergleichen.1Anmerkung: Patenschaftsgräber sind eine kölsche Erfindung: Menschen können Patenschaften an denkmalgeschützten Grabanlagen übernehmen. Sie erhalten damit das Recht dort beigesetzt zu werden und sind im Gegenzug dazu verpflichtet, die Anlage mit Übernahme der Patenschaft in Abstimmung mit der Denkmalbehörde instand zu setzen und zu unterhalten. Die Nutzungsgebühr wird erst im Beisetzungsfall erhoben.

Auf dem Südfriedhof gibt es insgesamt 47.400 Grabmäler. Ich schätze mal, 5% davon sind verwildert und werden nicht mehr gepflegt. Macht knapp 2.400 Gräber. Warum hast du dir gerade das Rausch-Grab „angeeignet“?

Ich habe gezielt auf dem Südfriedhof nach einem Grab gesucht, das mich persönlich anzieht und stand plötzlich vor dem Rausch-Grab.

Rausch klingt nach Fröhlichkeit, nach Ausschweifung. Und dann wurde Heinz Rausch ausgerechnet am 22.2.22 geboren – diese Schnapszahl passt zum Namen „Rausch“. Heinzchen wurde nur 17 Jahre alt. Der Grabstein besteht aus drei miteinander verbundenen Kreuzen – es wurden hier aber nur zwei Personen bestattet. Es bleibt eine Leerstelle: Was ist mit der Mutter? Dieses ganz spezielle und sehr verwilderte Grab hat direkt meine Phantasie spielen lassen.

Das Rausch-Grab noch vor der Grabaneignung, Bild: Christiane Rath, aus dem Buch "Unvergessen - Eine temporäre Grabaneignung" (76 Seiten, 30 Euro, Bestellung unter christiane@rath-art.de)
Das Rausch-Grab noch vor der Grabaneignung, Bild: Christiane Rath, aus dem Buch „Unvergessen – Eine temporäre Grabaneignung“ (76 Seiten, 30 Euro, Bestellung unter christiane@rath-art.de)

Ein befreundeter Biologe hat, bevor ich Anfang 2020 angefangen habe, das Rausch-Grab zu pflegen, mit mir eine Bestandsaufnahe gemacht und geht davon aus, dass sich mindestens drei Jahre lang niemand mehr um dieses Grab gekümmert hat.

In deinem Buch „Unvergessen – Eine temporäre Grabaneignung“ beschreibst du dein Projekt. Warum geht es in dem Buch nicht um Fakten oder Lebensläufe der verstorbenen Heinz und Heinzchen Rausch, sondern um mögliche Varianten, wie sich das Leben dieser beiden Menschen abgespielt haben könnte?

Ich habe tatsächlich, bevor ich angefangen habe, das Grab zu pflegen, kurz recherchiert, ob ich hier nicht ein „Wespennest“ stoße. Aber ich habe nichts gefunden. Also habe ich angefangen mir zu überlegen, wie das Leben von Heinz und Heinzchen gewesen sein könnte.

Dabei habe ich mir keine ganzen Lebensläufe ausgedacht, sondern immer nur mögliche Episoden aus dem Leben – so wie Puzzlestücke.  

In dem Buch verschmelzen deine eigenen Erlebnisse mit den fiktiven Lebensläufen von Heinz und Heinzchen Rausch. In einer Variante ziehst du eine Parallele zwischen Heinzchen und deinem ersten Freund. Einer der beiden kommt bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben. Offen bleibt, ob Heinzchen Rausch oder dein erster Freund gemeint ist.

Aus realen Lebensläufen kann man sich fiktive Lebensläufe – oder Episoden wie Puzzlestücke aus dem Leben – zusammensetzen. Wir alle haben ähnliche Puzzlestücke, zum Beispiel Geburt, Weihnachtsfeiern, erster Schultag. Es gibt aber auch große Unterschiede, zum Beispiel die erste Liebe oder Verlust durch Todesfälle.

Bei dem in dem Buch erwähnten Unfall habe ich Puzzlestücke aus dem Leben zweier Personen in einer Fiktion zusammengeführt: Ich hatte einen Freund, meine erste große Liebe. Ich war 14 Jahre alt, er 17. Ständig bastelte er an seinem Moped herum. Und dann gab es den Sohn von Freunden meiner Eltern, der bei einem Unfall ums Leben kam. Eine freie Straße, schnurgeradeaus und er fährt auf der linken Spur mit seinem Motorrad frontal in einen LKW. Ob es ein Selbstmord war, ist nie geklärt worden.

In der Fiktion zu „Heinzchen“ verschmelzen diese beiden Puzzlestücke.


Christiane Rath: Unvergessen - Eine temporäre Grabaneignung
Christiane Rath: Unvergessen – Eine temporäre Grabaneignung

Christiane Rath: Unvergessen – Eine temporäre Grabaneignung.
76 Seiten, 30 Euro, Bestellung unter christiane@rath-art.de


Du hast zwischenzeitlich in Erfahrung bringen können, wer Heinz und Heinzchen Rausch wirklich waren. Gab es Überraschungen?

Ich bin von Bekannten der Familie angesprochen worden. Es gibt tatsächlich Überraschungen. Hinter dem Grab steckt eine urkölsche und tragische Geschichte. Aber die verrate ich nur den Menschen, die mein Buch gelesen haben, und das auch nur persönlich.

Wie geht es jetzt weiter? Wirst du dich auch weiterhin um das Rausch-Grab kümmern oder zieht es dich dann doch irgendwann lieber wieder regelmäßig in den Zoo?

In den Zoo gehe ich regelmäßig mit meinem Patenkind. Das Projekt der Grabaneignung habe ich am 29. Dezember 2020 beendet. Trotzdem lässt mich das Rausch-Grab nicht los, ich bin oft hier, um das Grab zu pflegen.

Vielleicht ist es auch eine Projektionsfläche für mich: Auch mein Vater und mein Bruder sind in einem gemeinsamen Grab in Düren beigesetzt. Unter einer Marmorplatte. Dort kann man nichts pflegen.

So spiegelt das Grab von Heinz und Heinzchen Rausch auch irgendwie Puzzlestücke aus meinem Leben wider. Aber dies war auf keinen Fall die ursprüngliche Idee der Grabaneignung.


 

Christiane Rath, eine nur zufällig in Oberhausen geborene Rheinländerin, Bild: Christiane Rath, www.rath-art.de/
Christiane Rath, eine nur zufällig in Oberhausen geborene Rheinländerin, Bild: Christiane Rath, www.rath-art.de/

Genau wie alle anderen Menschen in meiner Rubrik „Ein paar Fragen an …“ hat auch Christiane Rath zu meinen „kölschen Fragen“ Rede und Antwort gestanden. 

Wenn nicht Köln – wo sonst könntest du leben? Und warum gerade dort?

Eigentlich nur in Köln. Aber wenn ich weg muss, dann gerne nach Ligurien. Dort gibt es das Meer und hervorragendes Essen. Und Genua ist irgendwie wie Köln: Nicht überall schön.

Was machst du zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch?

Fastelovend fiere.

Und was zwischen Aschermittwoch und Weiberfastnacht?

Sehnsüchtig auf den 11.11. warten.

Nenne ein/zwei/drei Gründe, warum man Köln morgen verlassen sollte.

Kenne keine. Ich will ja auch nicht weg.

Dein Lieblingsschimpfwort auf Kölsch?

Tütenüggel

Bitte vervollständige den Satz: Köln ist …

… mein zuhause! Ich fühle: Ich muss irgendwie in Köln sein.


Diese Menschen haben bisher meine Fragen beantwortet: 


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„Allahu akbar“ – Muslime feierten 1965 das Ende des Ramadan im Kölner Dom

Der Kölner Dom und die DITIB-Zentralmoschee Köln, Bild Kölner Dom: KölnTourismus GmbH, Andreas Möltgen, Bild Moschee: Raimond Spekking
Der Kölner Dom und die DITIB-Zentralmoschee Köln, Bild Kölner Dom: KölnTourismus GmbH, Andreas Möltgen, Bild Moschee: Raimond Spekking

Äußerst ungewohnte Töne schallten durch den Dom: „Allahu akbar“ („Gott ist groß“) hieß es. Und Gläubige rollten ihre Gebetsteppiche in einem Seitenschiff der Kathedrale aus und beteten. Dass es sich dabei nicht um das übliche Publikum eines katholischen Sonntagsgottesdiensts handelte, ist offensichtlich.

Tatsächlich beteten am 3. Februar 1965 mehrere Hunderte Muslime im Kölner Dom. An diesem Tag endete der Fastenmonat Ramadan. Das Ende des Ramadan feiern die Muslime mit einem dreitägigen Fest. Dazu gehört auch das feierliche Gebet. Das Problem aber war: Es gab keine geeignete Moschee für die Gläubigen.

Kardinal Josef Frings war Gegner dieser Aktion

So gab es eine Absprache, dass die Gläubigen ihre Gebetsteppiche im Dom ausrollen durften. Doch dieses Gebet der Muslime in dem katholischen Gotteshaus war durchaus umstritten. Denn die Zusage für diese Aktion wurde nur von einem einzelnen Mitglied des Domkapitels gegeben.1Das Domkapitel ist das oberste Leitungsgremium des Doms und besteht aus Dompropst, Domdechant, zehn residierenden und vier nichtresidierenden Domkapitularen. Die nichtresidierenden Kapitulare sind Geistliche des Erzbistums Köln mit Priester- oder Bischofsweihe, von denen einer möglichst der Bonner KatholischTheologischen Fakultät angehören soll. Die residierenden Domkapitulare sind für die Gestaltung der Gottesdienste, den Erhalt des Domes und die Verwaltung des Vermögens verantwortlich.

Norbert Feldhoff, Kölner Domprobst von 2004 bis 2015, Bild: Raimond Spekking
Norbert Feldhoff, Kölner Domprobst von 2004 bis 2015, Bild: Raimond Spekking

„Sicher ist aber, dass das Domkapitel nachträglich die Entscheidung mitgetragen hat“, so der ehemalige Domprobst Norbert Feldhoff. Übrigens war der damalige Kölner Erzbischof Kardinal Josef Frings gegen dieses Gebet in der christlichen Kirche, so Feldhoff.

Einmaliges Ereignis – Dom jetzt eine Moschee?

Bleibt die Frage, ob es rechtens war, den Dom zu einem muslimischen Gebet zu öffnen. Auf der einen Seite hatte das gerade erst beendete Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) ausdrücklich den Respekt gegenüber dem Islam bekundet. Es gab sogar eine Empfehlung, dass die Bistümer den Muslimen Räume zur Verfügung stellen sollten.

Auf der anderen Seite wurden hier ausdrücklich Kirchen und Kapellen ausgenommen, weil Kruzifixe, Bilder und Statuen für Muslime ein Ärgernis sein könnten. Für die Gläubigen, die im Februar 1965 im Dom beteten, stellte dies wohl kein Problem dar. Ganz im Gegenteil: Entsprechend des islamischen Gebots, auch für Gotteshäuser zu spenden, bedankten sich die Betenden, indem sie nach dem Gebet großzügig für den Erhalt des Doms spendeten.

Trotzdem blieb diese Aktion ein einmaliges Ereignis, auch wenn die Kölnische Rundschau dieses besondere Gebet als „Tag, der Religionsgeschichte gemacht hat“ bezeichnete. Denn nach dem Verständnis bestimmter muslimischer Gruppen, so Norbert Feldhoff, gehen Räume, in denen einmal gebetet würde, in ihr Eigentum über. So könnte man den Dom seit diesem Tag  im Februar 1965 auch als Moschee bezeichnen.

Debatte über den Muezzin-Ruf in Köln

Heute gehen die Meinungen über die Religionen weit auseinander, wie die zum Teil hitzig geführte Debatte über den Muezzin-Ruf zeigen: Die Stadt erlaubt in einem auf zunächst zwei Jahre befristeten Modellprojekt, dass der Gebetsruf zum Gebet am Freitag zwischen zwölf und 15 Uhr erschallen darf.

Die Kommentare in den sogenannten „Sozialen Medien“ zeigen die ganze Bandbreite: Von der „Islamisierung des Abendlands“ bis „Wenn einer religiösen Krach machen darf, dürfen es alle anderen auch.“ sind alle Meinungen vertreten.

Ich halte es da eher mit dem Kölschen Grundgesetz,
Artikel 3: „Et hätt noch immer jot jejange.


 

Das Richter-Fenster am Kölner Dom, Bild: Raimond Spekking
Das Richter-Fenster am Kölner Dom, Bild: Raimond Spekking

Kardinal Meissner: Richter-Fenster passt eher in eine Moschee

Kardinal Meissner (1933 – 2017) hatte dem wunderschönen und vielbeachteten Richter-Fenster schnell attestiert, dass dieses „eher in eine Moschee oder ein anderes Gebetshaus“ passen würde, aber nicht in eine gotische Kathedrale. 

Aber da hatte der „Gottesmann“ Meissner eindeutig Unrecht: Rund 80 Prozent aller Besucher im Dom sind von dem Richter-Fenster begeistert. 


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Kölsche Originale: Bolze Lott – gewiefte Schmugglerin mit losem Mundwerk

Ein " Cul de Paris", hier auf einem Bild von Renoir, ist ein extrem ausladender Reifrock, welcher sich hervorragend eignet, darunter Schmuggelgut zu verstecken.
Ein „Cul de Paris“, hier auf einem Bild von Renoir, ist ein extrem ausladender Reifrock, welcher sich hervorragend eignet, darunter Schmuggelgut zu verstecken.

 

Es muss ein ganz besonderer Anblick gewesen sein, der sich den Kölner Zöllnern etwa um das Jahr 1850 geboten hat: Eine Frau, kaum noch Zähne im Mund, aber gekleidet nach der neuesten Mode mit einem extrem ausladenden „Cul de Paris“, watschelt schwerfällig über die Deutzer Schiffsbrücke. Dabei verdeckt der ausladende Reifrock mit der starken Überbetonung des Hinterteils nicht nur den Frauenkörper, sondern auch mehrere Pfund Mehl und Speck, welche die Dame unter ihrem Rock versteckt an den Beamten vorbei in das linksrheinische Köln schmuggelt.

Die Zöllner hatten eindeutig Respekt vor dieser ganz besonderen Gestalt, die da über die Brücke kam. Handelte es sich doch um niemand geringeres als Scholastika Steinhausen, geb. Bolz. In Köln besser bekannt als „Bolze Lott“ und der Schrecken eines jeden Zollbeamten. Denn jede Leibesvisitation wird von der Dame lautstark und mit Worten, die selbst einen Bierkutscher rot werden lassen, als Grabscherei bezichtigt und die Zöllner als Föttchesföhler verunglimpft. Dabei wollten die Beamten nur ihrer Aufgabe nachgehen und die im Jahr 1856 neu eingeführte Mehl- und Schlachtsteuer einziehen.

Bolze Lott lebte in einer rauen Welt

Geboren wurde Scholastika Lott (lat. scholastica „die Lernende) am 8. Dezember 1825 in der Kostgasse am (heutigen) Breslauer Platz. Zu Zeiten der Bolze Lott wurde die Straße Kotsgasse (von „kut“ für Innereien) genannt, weil hier Metzger Eingeweide und Abfälle des Schlachtviehs verarbeiteten. Eine raue Gegend, in der sich Bolze Lott aber durch ihr vorlautes Mundwerk durchzusetzen wusste.

Ihr Eheglück – im Jahr 1846 heiratet sie den Rhingroller1Rhingroller waren billige Tagelöhner, die die Rheinschiffe mit reiner Muskelkraft be- und entladen mussten. Johann Friedrich Steinhausen – währte nur sehr kurz. Der bekannte Schläger und Raufbold Steinhausen muss noch während der Flitterwochen ins Gefängnis und stirbt kurz darauf. So ist Bolze Lott bereits mit 22 Jahren Witwe und muss alleine für ihren Lebensunterhalt sorgen.

Karriere als gewiefte Schmugglerin

Als „Käätzemöhn“ verkauft Bolze Lott vor den Kirchen Kerzen an Gläubige – inklusive dem Service, diese Kerzen auch aufzustellen und anzuzünden. Um das Geschäft etwas lukrativer zu machen, „vergisst“ sie regelmäßig, die Kerzen auch tatsächlich in der Kirche  aufzustellen. Als sich das herumspricht, bleiben die Kunden aus.

Wie gut für Bolze Lott, dass ab 1856 zwei Dinge zusammenkommen: Die neue Steuer für Produkte aus dem Rechtsrheinischen und die Mode der ausladenden Röcke. So verdient sie sich als Schmugglerin ihren Lebensunterhalt.

Die listige Lotte wurde so der Albtraum der Zöllner. Denn sie verstand es auch ohne Schmuggelgut unter dem Reifrock, so zu gehen, als ob sie einen Zentner Mehl und ein halbes Schwein darunter verstecken würde. Die dann fälligen Kontrollen der Zöllner konterte die Dame lautstark als unsittliche Berührung. So waren sich die Zöllner nie sicher, ob die als Schmugglerin bekannte Bolze Lott jetzt gerade tatsächlich schmuggelte oder die Zöllner nur aufs Glatteis führen wollte. Die Beamten wurden immer unsicherer: Manche vergebliche Leibesvisitation endete in einer wüsteten Schlägerei, immer aber in üblen Beschimpfungen durch Bolze Lott, die sich vor den herbeieilenden Bürgern, davon viele selber als Schmuggler unterwegs, als unschuldiges Opfer darstellte.  

Et Bolze Lott, Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer
Et Bolze Lott, Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer

Abschaffung der Steuer beendet Schmuggelei der Bolze Lott

1874 wurde die Mehl – und Schlachtsteuer abgeschafft. Und Bolze Lott musste sich ein neues Betätigungsfeld für ihren Lebensunterhalt suchen. So verkaufte sie in einem Bauchladen Kerzen, Heiligenbildchen und anderes Jedöns vor Kirchen, an Wallfahrtsorten oder auf den umliegenden Kirchweihfesten.

Doch auch hier stand ihr ihr loses Mundwerk oft im Weg. Kunden, die nicht sofort kaufen, sondern zunächst nur schauen wollen, werden übel beschimpft. Auf einer Kirmes beleidigt sie den örtlichen Geistlichen, der ebenfalls nichts für ihren Tand übrig hat, mit den Worten „Paafgott – Raafgott. Düvel. Halt der Sack op!“2„Pfaffengut – Raffgut, Teufel halt den Sack auf!“

Tod mit 76 Jahren im Jahr 1902

Erstaunlich, dass Bolze Lott das stolze Alter von 76 Jahren erreicht. Ihre letzten Jahre verbringt sie in einer Wohnung in der Große Spitzengasse, heute als Tel-Aviv-Straße ein Teil der Nord-Süd-Fahrt. Doch auch im hohen Alter sind ihre Schimpftiraden noch berüchtigt. Als sie einen herumziehenden Kesselflicker beleidigt, entgegnet dieser „Lott, ich krigge alles gefleck, nur ding Schnüß, do kann ich och nix mache.“

Scholastika Steinhausen, geborene Bolz, stirbt am 3. September 1902. Über ihren Tod schreibt der Arzt und Heimatschriftsteller Josef Bayer:

„Ob sie bis hart an der Pforte des Todes ihr wüstes Schimpfen fortgesetzt hat oder ob sie, als Freund Hein sie beim Schopfe nahm, zu guter Letzt doch noch Reu und Leid erweckte, ist nicht bekannt, denn man hat sie an dem genannten Tage entseelt im Bett gefunden.“


Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die "Kölschen Originale"
Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die „Kölschen Originale“

Weitere Geschichten zu den „Kölschen Originalen“ gibt es hier:


In einem wunderschönen Kölsch hat Michael Waßerfuhr von den Kölschgängern die Geschichte von Bolze Lott erzählt. Schaut mal rein, lohnt sich!


Der Podcast: Kölsche Originale: Bolze Lott

 

Shownotes

Was für ein Glück, dass der „Cul de Paris“ Mitte des 19. Jahrhunderts modern war. Denn unter dem extrem ausladenden Reifrock konnte die in Köln als „Bolze Lott“ bekannte Schmugglerin Scholastika Lott mehrere Pfund Mehl und Speck vor den Zöllnern verstecken.

Mehr zu dieser Dame mit außergewöhnlich losem Mundwerk und ganz besonderen Schmuggel-Methoden gibt es im heutigen Köln-Ding der Woche.


Text dieser Podcast-Folge

Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von Köln-Ding der Woche.

Der super mega tolle Uli und der weniger unglaublich tolle, unglaublich mega tolle und gut aussehende Frank präsentieren euch heute ein kölsches Original. Ja, das ist nämlich die Bolze Lott.

Und wenn ihr die vorherige Folge über Bolze Lott gehört gabt, da haben wir über Kölsche Schimpfwörter gesprochen. Und die Bolze Lott ist sozusagen die Königin der Kölschen Schimpfwörter. Die hatte, ich will nicht sagen erfunden, aber zur Perfektion getrieben.

Bevor wir zu Bolze Lott selber kommen und ihre doch recht derben Ausdrucksweise, noch mal ganz grundsätzlich zu diesen Kölschere Originalen. Die haben alle was gemeinsam. Ich meine, ihr kennt die wahrscheinlich. Das ist sowas wie zum Beispiel Fleuten-Arnöldsche, Orjels Palm, dä Fressklötsch und so was.

Köln wächst ab 1880 gewaltig

Das sind alles Kölsche gewesen, die so im 18./19 Jahrhundert gelebt haben, tatsächlich als Köln noch überschaubar war. Also wenn wir über das Jahr 1880 reden, hatte Köln etwa 140.000 Einwohner. Und als dann richtig abging mit den Eingemeindungen, hatten wir auf einmal bis 1914 etwa 650.000 Einwohner in der Stadt. Die wurde unüberschaubar. Vorher alles schön klein und kuschelig. Und da hatten die Originale ihren Platz. Danach nicht mehr. Deswegen ist das alles, wenn man diese Originale so abklappert, alles in diesem Zeitraum vor dem großen Wachstum unserer Stadt.

Ja, es ist also heute ungemein schwierig, noch ein Original zu werden oder zumindest ein Original außerhalb des eigenen Veedels zu werden. Das haben jetzt vielleicht eine Handvoll Menschen geschafft, der Hans Süper, die Müllers Aap, auch die Plaat, also Jürgen Zeltinger. Dann wird es wahrscheinlich schon eng, naja, Tommy Engel natürlich.

Was aber schon skurril ist, ist, diese kölschen Originale werden heute so ein bisschen verehrt, vergöttert, weiß ich auch nicht genau. Kein Bierdeckel ohne kölsches Original, kein Kölschglas. Man findet die an verschiedenen Hauswänden angebracht, man findet die in ganz vielen Erzählungen. Und deswegen haben die durchaus ihren Platz. Das als kleine Vorgeschichte zu dem, was uns eigentlich heute erwartet, nämlich eine wilde Geschichte zu Scholastika Lott.

Bolze Lott

Ja, es muss also ein unglaublicher Anblick gewesen sein, als die Kölner Zöllner, sage ich mal, um 1850 herum, eine Frau auf sich zukommen haben sehen, die hatte kaum noch Zähne im Mund. Okay, damals war die Zahnhygiene, jetzt nicht so verbreitet wie heute Die hatten noch keine Boni-Hefte und keine Zahnärzte so richtig. Da ging man noch zum Medikus wahrscheinlich.

Aber sie war nach der neuesten Mode aus Paris gekleidet. Und diese neueste Mode, die hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Das war der Cul de Paris. Das ist so ein Rock mit so einer ausgestellten Fott. Also stellt euch vor, ihr habt einen Rock an und da hinten ist irgendwie bei Höhe der Fott wie so ein Fässchen draufgeschnallt. So ungefähr ist ja der Cul de Paris aus. Das war die neueste Mode damals und das war das große Glück für Bolze Lott.

Einführung Mehl- und Fleischsteuer 

Das zweite große Glück für sie war, dass 1856 in Köln die Mehl- und Fleischsteuer eingeführt worden ist. Das galt natürlich nicht außerhalb Kölns. Und die Schäl Sick war eben nicht Köln. Bis 1888, bis dann da drüben alles eingemeindet worden ist, war das nicht Köln. Und deswegen konnte man drüben billig einkaufen und dann nach Köln bringen.

Ja, dann hat Bolze Lott drüben billig gekauft und hat ihren ausladenden Reifrock, den man damals auch Königin-Hintern oder Watte-Hintern genannt hat ausgestopft mit den Sachen, die sie so gekauft hat. Das kennt man jetzt heute vielleicht, haben wir da vielleicht schon beim Film gesehen, wenn irgendwelche Frauen so tun, dass wenn sie schwanger werden, dann machen sie da was für sich, einen Luftballon rein oder wie auch immer.

So und dann ist die über diese Brücke hier watschelt und auf die Zöllner zu. Und was dann passierte war schon bemerkenswert. Die Bolze Lott hatte halt dann tatsächlich unter diesem ausladenden Rock unter Umständen ein paar Kilo Mehl und mehrere Pfund Speck versteckt und ging dann auf die Zöllner zu. Und die wollten die Dame natürlich kontrollieren, um den Zoll einzutreiben. Aber das haben die natürlich nicht ohne die Rechnung mit Bolze Lott gemacht, weil die war damit definitiv nicht einverstanden. Die zog mal richtig vom Leder.

Ja, man muss auch sagen, dass die Zöllner, die standen unter Eid, das waren jetzt nicht alles irgendwelche hergelaufenen Jungs, die den Zugang zu Zülpicher Straße am 11.11 kontrollieren und dann für fünf Euro das Türchen aufmachen, sondern die haben ihren Job wirklich ernst genommen. Also die haben angefangen zu kontrollieren. Was geschah dann, lieber Uli?

Ich will es nicht aussprechen. Ja, Bolze Lott hat die unflätig beschimpft, hat gesagt, das wären Föttchesföhler. Ein wunderschönes Schimpfwort. Wer letztes Mal aufgepasst hat, weiß noch genau, was das ist. Also die würden ihr ja an die Fott gehen, an das Gesäß gehen. Und da muss es ziemlich rüde zur Sache gegangen sein. Das ging dann auch schon bis zu Handgreiflichkeiten.

Schmugglerin

Diese Dame hat dann auch wirklich nichts gescheut, um ihrer Tätigkeit als Schmugglerin nachzugehen. Ja, zumal sie das auch sehr perfide bzw. klug eingefädelt hat. Also hat ist teilweise nichts geschmuggelt und ist über die Brücke. Wenn sie dann kontrolliert wurde, hat sie ein Riesentheater gemacht. Dann waren die schon so ein bisschen verunsichert, weil die haben ja nichts gefunden. Und dann ist sie beim nächsten Mal mit was drüber, dann haben die ja nicht kontrolliert. Also sie hat sich da immer sehr geschickt angestellt, muss man sagen.

Jetzt muss man die Dame natürlich im Zuge ihrer Zeit sehen. Also es hört jetzt alles so an, als wenn das irgendwie eine nur perfide Persönlichkeit gewesen wäre. Scholastika Botz wurde am 8.Dezember 1825 in Köln geboren. Die war natürlich schon ein Kind ihrer Zeit. Und die hatte nicht das allerschönste Leben, muss man dazu sagen.

Geboren in der wunderschönen Kotzgasse. Das war am Breslauer Platz. Also das ist dann später die Kostgasse geworden. Und das war deswegen die Kotzgasse, weil da wurde Kutt verarbeitet. Und das war das Innereien von allen möglichen Tieren. Da haben nämlich die Metzger gesessen damals. Und diese Gegend war alles andere als piekfein. Also das war schon eine ziemlich raue Gegend, wo auch die wilden Menschen gewohnt haben. Und da ist die Scholastika geschult worden.

Ja, da hat sie ihr grobes Mundwerk oder vorlautes Mundwerk auf jeden Fall da verfeinert. Ihr Vater war laut Übermittlung in Rhingroller. Also ein Tagelöhner, der seinen Lohn eher versoff, als dass er das Geld nach Hause gebracht hat.

Dann hat sie im Jahre 1846, glücklich weiß ich nicht, aber zumindest hat sie heiratet und zwar den Tagelöhner Johann Friedrich Steinhausen. Leider Gottes ist Folgendes passiert: Der war auch Tagelöhner, der war auch Ringroller. Und Rhingroller, das waren die Typen, Scheuer-Leute, das waren die Tagelöhner, die die Rheinschiffe be- und entladen haben und zwar nicht mit Kränen oder Gabelstaplern sondern mit purer Muskelkraft. Die Jungs hatten wahrscheinlich viel in de Maue, aber jetzt nicht unbedingt so unwahrscheinlich viel im Kopf.

Ehe nur von sehr kurzer Dauer

Ja, und dieser Friedrich Steinhausen und Bolze Lott haben geheiratet. Aber der war nicht nur Ringroller, sondern der hat auch noch einen anderen Ruf gehabt. Ja, der war ein stadtbekannter Schläger und ist noch während der Flitterwochen ins Gefängnis gekommen und leider Gottes auch kurz darauf gestorben.

Dann hat die mit 21 geheiratet und war mit 22 bereits Witwe und musste irgendwie für den Lebensunterhalt sorgen. Und das war für eine Frau in der damaligen Zeit nicht leicht. Wir reden jetzt über die Zeit um 1850.

Das war nicht besonders einfach und eine Gelegenheit für sie, um am Geld ranzukommen, war das als Kääze Möhn. Kääze Möhne haben Kirchen Kerzen an Gläubige verkauft, inklusive dem Service, dass sie selber in der Kirche anstecken würden. Also als Ersatz dafür, dass ich nicht selber in die Kirche gehe, zahlst man ihr das Geld, sie steckt die Kääz an und du bist von allen Sünden befreit.

Es gab nur ein kleinen Makel an dem Geschäftsmodell von ihr. Sie hat ab und an mal vergessen, das auch wirklich zu machen und hat dann ihre Kerzen, sag ich mal, doppelt, dreifach und vierfach verkauft. Das hat sich dann natürlich irgendwann mal rumgesprochen und dann blieben die Kunden aus. So und was hat sie dann gemacht?

Dann kam Gott sei Dank 1856 diese besagte Steuer für Produkte, die außerhalb der Stadt Köln produziert worden sind. Und das war diese Fleisch, Mehl und sonst was Steuer. Und das war ihre Chance, im Geld zu verdienen. Ja, dann hat sie die Zöllner mehr oder minder veräppelt und hat geschmuggelt oder auch nicht. Auf jeden Fall immer mit ziemlich viel Schreierei. Und deshalb war sie stadtbekannt als sehr, sehr loses Mundwerk.

Arbeit als Hausiererin

1874 wurde diese Mehl- und Schlachtsteuer dann abgeschafft und sozusagen hatte Bolze Lott auf einmal kein Betätigungsfeld und kein Lebensunterhalt mehr. Das war dann schon ein Problem für sie. Sie hat dann als nächstes versucht, wie so eine Art Hausierer mit einem Bauchladen irgendwelche Kääze und Bildchen von Heiligen und sonstiges Gedöns zu verkaufen. So ist dann zu diesen verschiedenen Wallfahrtsorten Sankt Ursula und auch hier am Rhein gezogen und hat dann da versucht, so die eine oder andere Mark zu machen.

Nun ist das ein bisschen schwierig. Wenn du aus der Kotzgasse kommst und mit dem Mundwerk aufgewachsen bist und Heiligenbildchen verkaufst, das passt nicht so unbedingt zusammen. Ja, also die hat auch dort auf den Kirmessen und vor den Kirchen die Kunden beleidigt, wenn sie denn dann nichts kaufen wollten.

Unter anderem hat sie mal einen Geistlichen wohl beleidigt, der ihren Tant, also für ihren Kram, nichts übrig hatte. Mit den Worten Paffjott, Raffjott, Düvel, Halt der Sack ob. Das heißt, also ich würde das jetzt mal so frei übersetzen, Pfaffe, du raffgieriger Teufel, halt den Sack auf.

76 Jahre alt geworden

Erstaunlich, dass diese Frau mit diesem Lebenswandel und mit den ganzen Umständen tatsächlich 76 Jahre alt geworden ist. Das hätte man eigentlich nicht gedacht. Damit war die weit über dem Durchschnitt ihrer Zeit. Ja, also nicht nur, dass sie in heutiger Zeit natürlich, sag ich mal, bei Google Bewertungen zu Kundenzufriedenheit, sag ich mal, relativ niedrig abschneiden würde. Aber sie ist wirklich 76 Jahre alt geworden. Das ist schon wirklich bemerkenswert.

Und sie ist im Jahre 1902 gestorben. Trotzdem hat sie auch bis zum hohen Alter ihre Schnüss, also doch ihr loses Mundwerk beibehalten. Da gibt es die schöne Geschichte noch, dass da Kesselflicker unterwegs waren. Das waren die Typen, die halt irgendwelche Kessel gelötet haben, wenn die dann leck gegangen sind. Das waren auch nicht gerade Typen, die um die Worte verlegen waren.

Aber bei der Lott kam einer von diesen Kesselflickern an und sagte dann zu ihr, Lott, ich kriege in alles jefleck, nur ding Schnüss, doch kann ich auch nix mieh machen. Ja, was auch frei übersetzt, so viel heißt, Lott, ich bekomme alles repariert, nur dein loses Mundwerk, da kann auch ich nichts dran machen.

Dann 1902 war es soweit, am 3. September 1902 ist Lott gestorben. Und es gibt ein wunderschönes Zitat von dem Arzt, der tatsächlich den Totenschein für sie ausgestellt hat, das war Josef Bayer und der hat gesagt, ob sie bis hart an der Forte des Todes ihr wüstes Schimpfen fortgesetzt hat oder ob sie, als Freund Hain sie beim Schopfe nahm, zu guter Letzt doch noch Reue und Leid erweckte, ist nicht bekannt, denn man hat sie an den genannten Tagen entseelt im Bett gefunden.

Und letztendlich würde ich diese Folge beschließen, wenn ihr mal einen blöden Spruch von einer Verkäuferin bekommt, beim Einkaufen oder was weiß ich wo. Ja, denkt dran, seid froh, dass die Bolze Lott nicht an der Kasse steht.

Was für ein schönes Schlusswort. Wir setzen diese Serie fort, mal gucken, welche Kölschen Originale wir sonst noch auspacken. Maht et jood, bleibt unanständig und bis demnächst.

 


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Der Barlach-Engel „Der Schwebende“ ist ein Friedensdenkmal

"Der Schwebende" von Ernst Barlach in der Kölner Antoniterkirche, Bild: Uli Kievernagel
„Der Schwebende“ von Ernst Barlach in der Kölner Antoniterkirche, Bild: Uli Kievernagel

Es ist eine späte Genugtuung: Dort, in der Antoniter-Kirche, wo in den braunen Zeiten Deutschlands am Seitenaltar eine Hakenkreuz-Flagge zu finden war, befindet sich seit 1952 „Der Schwebende“ von Ernst Barlach. Ausgerechnet eine Skulptur Barlachs, dessen Werke von den Nationalsozialisten als „entartet“ bezeichnet wurden, ersetzt das Symbol faschistischer Diktatur. Ein idealer Platz für dieses ganz besondere Friedensmahnmal.

Nationalsozialisten schmelzen Figur ein

Dabei war der Barlach-Engel eigentlich schon verloren. Ernst Barlach (1870 – 1938) erschuf die Figur des Engels als Mahnmal für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen. Zur 700-Jahr-Feier des Güstrower Doms im Jahr 1927 wurde die Figur der Öffentlichkeit vorgestellt.

Der Engel selber strahlt eine Ruhe und Gelassenheit aus. Friedlich schwebt er in der Kirche. Barlach selber wollte erreichen, dass der Engel einen Raum der Ruhe entstehen lässt. Die Figur trägt die Gesichtszüge der von Barlach so hoch geschätzten Käthe Kollwitz. Dazu Barlach selbst: „In den Engel ist mir das Gesicht von Käthe Kollwitz hineingekommen, ohne dass ich es mir vorgenommen hatte. Hätte ich sowas gewollt, wäre es mir wahrscheinlich missglückt.“

Der Engel lässt einen Raum der Ruhe entstehen, Bild: Uli Kievernagel
Der Engel lässt einen Raum der Ruhe entstehen, Bild: Uli Kievernagel

Dieses Mahnmal war so anders als die bis zu diesem Zeitpunkt üblichen Kriegsdenkmäler. Keine Glorifizierung, keine heldenhaften Soldaten, sondern ein Denkmal im ursprünglichen Sinne des lateinischen Wortes monumentum („gemahnen“, „erinnern“).

Wenig verwunderlich, dass die Nationalsozialisten mit diesem Ansatz und auch mit der gesamten Kunst Ernst Barlachs nicht viel anfangen konnten. So diffamierten sie auch dieses Werk als „Entartete Kunst“, und der Engel wurde am 23. August 1937 aus dem Güstrower Dom entfernt und später eingeschmolzen. Aus dem Material wurden dann ausgerechnet Rüstungsgüter, z.B. Geschosshülsen, hergestellt.

Heimlicher Zweitguss aus gerettetem Gipsmodell

Allerdings gelang es Freunden von Barlach, das originale Gipsmodell zu retten und davon heimlich im Jahr 1939 einen Zweitguss herzustellen. Dieses Exemplar wurde in der Lüneburger Heide bei dem Maler Hugo Körtinger versteckt. Das originale Gipsmodell wurde 1943 oder 1944 bei einem Bombenangriff in Berlin zerstört.

Dieser Zweitguss wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Köln ausgestellt. Viele Museen waren an dem Erwerb der Skulptur interessiert, doch der Engel sollte seinen Platz wieder in einer Kirche finden. Die Gemeinde der Antoniterkirche hatte nach dem Krieg den damals unglaublichen Betrag von 10.000 Mark gesammelt1Dieser Betrag entsprach 1952 dem Gegenwert von zwei fabrikneuen VW-Käfer. um den Engel kaufen zu können.

Gedenkplatte unter dem Barlach-Engel mit den Zahlen "1914-1918 und 1933-1945", Bild: Uli Kievernagel
Gedenkplatte unter dem Barlach-Engel mit den Zahlen „1914-1918 und 1933-1945“, Bild: Uli Kievernagel

Und so hängt der Schwebende von Ernst Barlach seit 1952 in der Antoniterkirche. Genau dort, wo früher die Hakenkreuzfahne hing. Unter dem Engel befindet sich eine mit den Jahreszahlen „1914 – 1918, 1933 – 1945“ gravierte Platte. Ungewöhnlich, da in der Regel die Kriegsjahre 1939-1945 bei Kriegsdenkmälern genannt werden. Allerdings greift die Inschrift auch die Jahre der nationalsozialistischen Diktatur auf. Die Zeit, in welcher die Kunst von Barlach und vielen weiteren als „entartet“ bezeichnet wurden.

Ernst Barlach, Selbstporträt, 1928
Ernst Barlach, Selbstporträt, 1928

Barlach stirbt 1938 an Herzversagen

Barlach selber hat die Diffamierung seiner Kunst so schwer getroffen, dass auch sein Lebenswillen darunter litt. Ernst Barlach stirbt am 24. Oktober 1938 im Alter von 68 Jahren an Herzversagen. Im Jahr 1937 sagte er:

„Mein Kahn sinkt und sinkt immer rapider.
Die Zeit ist gekommen, in der ich ersaufe.“
 


"Der Schwebende" im Dom zu Güstrow, Bild: Bundesarchiv, Bild 183-J0724-0301-004 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons
„Der Schwebende“ im Dom zu Güstrow, Bild: Bundesarchiv, Bild 183-J0724-0301-004 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons

Drittguss der Figur wieder im Güstrower Dom

Der Guss, welcher in Köln hängt, diente bereits 1952 als Vorlage für einen Drittguss der Figur. Die Evangelische Gemeinde Köln finanzierte diesen Guss und schenkte die Skulptur 1953 der Gemeinde in Güstrow. Und so hängt „Der Schwebende“ heute auch wieder im Güstrower Dom.


„Kruzifix II“ und „Der Lehrende Christus“

Zusätzlich zu dem „Schwebenden“ beherbergt die Antoniterkirche Köln mit dem „Kruzifix II“ und „Der Lehrende Christus“ zwei weitere ‚Kunstwerke von Ernst Barlach.

Weitere Informationen dazu bietet die Website der Aniterkirche:
Barlachs Kunst in der Antoniterkirche

 


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