Das Dreigestirn: Prinz – Bauer – Jungfrau

Ein typisches Dreigestirn mit Prinz, Bauer und Jungfrau. Bild: Norbert Bröcheler
Ein typisches Dreigestirn mit Prinz, Bauer und Jungfrau. Bild: Norbert Bröcheler

Podcast Dreigestirn, 34

In diesen Tagen ist es wieder soweit: Überall im Rheinland werden die Tollitäten proklamiert. Dabei handelt es sich in der Regel um Dreigestirne, bestehend aus Prinz, Bauer und Jungfrau. In manchen Orten übernehmen aber auch einzelne Prinzen, Prinzessinen oder Prinzenpaare die jecke Regentschaft. Und alle Möglichkeiten gibt es auch in „klein“: Kinderdreigestirne, Kinderprinzen, Kinderprinzessin – alles ist möglich.

Hut ab vor den großen und kleinen Menschen, die dieses Amt für die Karnevalszeit übernehmen. Neben sehr viel Zeit braucht es auch Geld und eine Menge Enthusiasmus, über die Karnevalsbühnen zu ziehen und jeden Saal zum „schönsten Saal im Leben“ zu deklarieren. Und es lohnt sich, einen genaueren Blick auf das Dreigestirn und die Figuren „Prinz“, „Bauer“, „Jungfrau“ und den zu Unrecht oft vergessenen Prinzenführer zu werfen.

Das Dreigestirn

Alle drei zusammen bilden das Trifolium (von „tres, also „drei“ und „folium“ = „Blatt“, also so etwas wie ein dreiblättriges Kleeblatt.). In der heute bekannten Form gibt es das Trifolium erst seit 1870 und die Bezeichnung „Dreigestirn“ erst seit 1938. Das Dreigestirn wird jedes Jahr von anderen Personen gebildet.

Ein schmucker Prinz. Bild: Norbert Bröcheler
Ein schmucker Prinz. Bild: Norbert Bröcheler

Der Prinz

Mit der Reform des Karnevals im Jahr 1823 und der Bildung des „Festordnenden Komitee“, aus dem später das Festkomitee des Kölner Karnevals von 1823 e.V. hervorgehen sollte, wurde auch die Figur des „Held Carneval“ geschaffen. Anders als in der Zeit vor 1823 sollte auch die Bürgerschicht für den Karneval gewonnen werden. Daher trug der Held Carneval auch ein Gewand, welches an einen Monarchen erinnern sollte.

Der Begriff „Held“ wurde gewählt, um dem preußischen Königshaus1Köln war ab 1815 Teil der „Preußischen Rheinprovinz“ nicht auf die Zehen zu treten. Die preußischen Monarchen hätten mit Sicherheit wenig Gefallen daran gefunden, wenn der kölsche Narrenherrscher als „Prinz“ bezeichnet worden wäre. 

Zunächst wurde dem Held Carneval mit der Venetia auch eine Prinzessin an seine Seite gestellt. Diese Figur verschwand aber schnell wieder. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde aus dem Helden der Prinz Karneval und das Gewand wandelte sich zu dem heute bekannten Prinzenornat mit kurzer Hose und der höfisch nachempfundenen Strumpfhose. Ab 1870 wurde der Held Carneval als Prinz bezeichnet.

Der grosse Moment: Der Präsident der "Grossen von 1823" steckt dem Prinzen die fünfte Feder an. Bild: Niki Siegenbruck, www.karneval-in-koeln.de
Der grosse Moment: Der Präsident der „Grossen von 1823“ steckt dem Prinzen die fünfte Feder an. Bild: Niki Siegenbruck, www.karneval-in-koeln.de

Auf dem Kopf trägt der Prinz die Prinzenmütze mit vier bunten Fasanenfedern: Rot und weiß stehen für Köln, grün und gelb für den bunten Karneval. Ab Karnevalssonntag allerdings hat der Prinz fünf Federn, denn traditionell bekommt er an diesem Tag auf der Sitzung der Karnevalsgesellschaft „Die Grosse von 1823“ eine blaue Feder, welche vorher die Mütze des Präsidenten dieser Gesellschaft schmückte.

Die Pritsch

Auf der Proklamation erhält der Prinz als Zeichen seiner Macht die „Pritsch“. Diese Pritsch (man könnte auch „Klatsche“ sagen) kann auch zur Züchtigung eingesetzt werden. Damit soll der Prinz das ausgelassene Treiben der Jecken in die richtigen Bahnen lenken. 

Die Pritsch des Kölner Prinzen kostete 2015 11.111 Euro. Bild: Festkomitee Kölner Karneval
Die Pritsch des Kölner Prinzen kostete 2015 11.111 Euro. Bild: Festkomitee Kölner Karneval

Die aktuelle Pritsch des Prinzen wurde 2015 gefertigt. Dazu gab es einen Wettbewerb zur Gestaltung der Pritsch.  Die Anforderungen waren hoch, unter anderem wurde gefordert:

  • Die Pritsch durfte maximal 1 kg schwer sein,
  • mussste zerlegbar und robust in der Handhabung sein,
  • die Pritsch soll „klingen“,
  • eine „Betriebszeit“ von 20 Jahren haben und
  • sie sollte aus einem Holzkern mit 925er Silber gearbeitet werden.

Für die Pritsch hatte der Große Senat satte 11.111 Euro zur Verfügung gestellt.  Übrigens: Der QR-Code auf der Pritsch führt zu einer Website, auf der alle Tollitäten seit 1823 aufgeführt sind.

Im Rosenmontagszug fährt der Prinz alleine auf dem größten und prächtigsten Wagen des Zugs – ganz am Ende als Höhepunkt des Zugs.

Ne staatse Buur! Deutlich zu erkennen: Das Kettenhemd. Bild: Norbert Bröcheler
Ne staatse Buur! Deutlich zu erkennen: Das Kettenhemd. Bild: Norbert Bröcheler

Der Bauer

Wer meint, dass der Bauer nur einen harmlosen Landwirt darstellen soll, liegt vollkommen falsch. Der „Kölsche Boor“ repräsentiert die Wehrhaftigkeit der Stadt. Er trägt ein Kettenhemd, auf alten Darstellungen auch ein Schwert, und steht für die Wehrhaftigkeit der Stadt. Auch der schwere, eisenbewehrte Dreschflegel des Bauern ist weniger dafür gedacht, Korn zu dreschen sondern eher die Feinde der Stadt zu Brei zu schlagen. Somit stellt der Bauer im Dreigestirn einen Krieger dar und erinnert an die Befreiung der Stadt in der Schlacht von Worringen.

Daher werden große und schwere Männer für die Rolle des Bauern ausgewählt – „ne staatse Boor“, wie der Kölsche sagt. Und in der Tat ist so ein Bauer mit seinem großen Hut – er trägt Pfauenfedern auf dem Kopf – fast drei Meter hoch. Eine imposante Erscheinung. 

Die Pfauenfeder, als Symbol für ewige Treue und Unsterblichkeit, symbolisiert die Unsterblichkeit der Stadt Köln, die der Bauer verkörpern soll. Um die korrekte Zahl der Pfauenfedern ranken sich zahlreiche Sagen. Angeblich sollen es 125 Federn sein: Die Quersumme ergibt acht und Ziffer Acht auf die Seite gelegt ergibt das Symbol für Unendlichkeit.  

Die Figur des Bauern gab es bis 1883 nur sporadisch, je nachdem, ob sie zum jeweiligen Karnevalsmotto passte. Erst ab diesem Jahr begleiten Jungfrau und Bauer den Prinzen.

Seit 1989 erhält der Bauer auf der Proklamation die Stadtschlüssel und bewahrt diese an seinem Gürtel auf. Im Rosenmontagszug fährt er gemeinsam mit der Jungfrau auf einem prächtigen Festwagen.

Das SCHÖNSTE, was ein Dreigestirn zu bieten hat: Die Jungfrau. Bild: Norbert Bröcheler
Das Schönste, was ein Dreigestirn zu bieten hat: Die Jungfrau. Bild: Norbert Bröcheler

Die Jungfrau

Das Schönste was Köln zu bieten hat, ist die Jungfrau. In der immer noch männerdominierten Karnevalswelt wird diese regelmäßig von einem Mann dargestellt. Die Jungfrau trägt ein römisch anmutendes Gewand, welches an Agrippina erinnern soll. Ihre Krone ist den Zinnen der Stadtmauer nachempfunden. Die Jungfrau ist somit das Symbol, dass die Stadt Köln unverletzlich und uneinnehmbar ist.

In den Jahren 1938 und 1939 wurde die Jungfrau tatsächlich jeweils durch eine Frau dargestellt. Hintergrund war die Bestrebungen der Nationalsozialisten gegen die Homosexualität. Im gleichen Zuge wurden die bis zu diesem Zeitpunkt üblichen männlichen Funkemariechen der Tanzgarden durch weibliche Tänzerinnen ersetzt. Doch während man 1949 beim ersten Dreigestirn nach dem Krieg wieder auf männliche Jungfrauen setzte, blieb man bei den Traditionskorps bis heute bei den weiblichen Funkemariechen.

Auf der Proklamation erhält die Jungfrau einen Spiegel, damit sie sich selbst ständig bewundern kann. Die Verleihung des Spiegels ist eine vergleichsweise junge Tradition. Erst seit 1993 wird der Spiegel überreicht, eine Idee des damaligen Kölner Oberbürgermeisters Burger. Denn bis dahin bekamen der Prinz die Pritsch und der Bauer die Stadtschlüssel – nur die Jungfrau ging leer aus.

Der Prinzenführer

Der Prinzenführer ist der „Manager“ des Dreigestirns. Er wacht über den Terminplan und ist der stets hilfreiche Geist im Hintergrund. Bei Problemen ist er der erste Ansprechpartner. Festlich gekleidet mit einem schwarzen Frack, Fliege und Schärpe steht er auch auf der Bühne direkt beim Dreigestirn. Immer bereit, bei allen unvorhersehbaren Ereignissen sofort einzugreifen.

Der Prinzenführer - Manager des Dreigestirns. Bild: Norbert Bröcheler
Der Prinzenführer – Manager des Dreigestirns. Bild: Norbert Bröcheler

Die Ornate

Oft werden die Ornate des Dreigestirns als Kostüme bezeichnet. Dies ist schlichtweg falsch.

Mit einem Kostüm verkleidet sich die Jecken als Cowboy, Clown oder Indianerin. Die Ornate des Dreigestirns sind aber Amtstrachten. Somit verkleiden sich Prinz, Bauer und Jungfrau nicht als Dreigestirn, sondern sie werden bei der Proklamation zu diesen wichtigen Figuren im Karneval.

Die maßgeschneiderten Ornate leiden in der Session erheblich. Regen, Schnee, Schminke von zudringlichen Karnevalisten – nicht alles lässt sich einfach auswaschen. Außerdem sind die Ornate durch verschiedene Lagen Stoff eine durchaus warme Bekleidung. Zusammen mit dem heißen Scheinwerferlicht auf den Bühnen kommen Prinz, Bauer und Jungfrau ordentlich ins Schwitzen.

Die Auftritte des Dreigestirns

Die Auftritte von Prinz, Bauer und Jungfrau folgen heute einem festgelegten Ritual. Nach dem Einzug in einen Saal bzw. auf eine Bühne, immer zusammen mit einer Equipe, werden die drei vorgestellt. Dabei werden traditionell die Lieder „Op dem Maat“ für den Bauern, „Oh, wie bist du schön“ für die Jungfrau und „Der schmucke Prinz“ gespielt. Auch der Prinzenführer bekommt mit „Schau nicht auf die Uhr“ sein spezielles Lied.

Marcus Gottschalk war selber Prinz der Session 2012 und ist heute Protokollchef für das Dreigestirn beim Festkomittee. Gottschalk berichtet, dass sich die Auftritte der Dreigestirne massiv verändert haben:2Marcus Gottschalk in „AppSolut Jeck – der Blog zum Kölner Karneval

„Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs trat das Dreigestirn nur in der eigentlichen Karnevalswoche auf. Einen Auftrittsplan, wie wir ihn heute kennen, gab es anfangs nicht. Noch bis in die 1960er-Jahre traf sich das Kölner Dreigestirn mittags im Excelsior, der damaligen kölschen Hofburg, um mit dem Prinzenführer in den Festplan des Festkomitees zu schauen. Man entschied spontan, wohin man gehen wollte. Damals war es eine Ehre und eine Überraschung, wenn das Dreigestirn eine Sitzung besuchte. Das Dreigestirn sagte ein paar Begrüßungsworte, nahm für eine halbe Stunde im Elferrat Platz und verfolgte das Sitzungsgeschehen. Dann marschierte es wieder hinaus und weiter ging’s zur nächsten Sitzung. Ab den 1970er-Jahren wurde das langsam professioneller.“

Noch in den 1970er Jahren hatte das das Dreigestirn etwa 120 Auftritte. Heute tritt das Dreigestirn – je nach Länge der Session – rund 400 Mal auf. Es gibt im Kölner Karneval keine Künstlerin, keinen Künstler und keine Band, die öfter gebucht werden als das Kölner Dreigestirn.

Etwa die Hälfte der Auftritte finden in sozialen Einrichtungen, z.B. Krankenhäusern, Altenheimen und auch Hospizen statt. Eine besondere Anforderung ist es für Prinz, Bauer und Jungfrau, direkt umzuschalten und sich auf das spezifische Publikum einzustellen. So kann es durchaus vorkommen, dass auf einen Auftritt in einem Kinderhospiz ein Auftritt auf einer Damensitzung mit ausgelassen, angetrunkenen „Kölschen Mädchen“ folgt. Nicht jedes Dreigestirn steckt das so einfach weg.

Eskapaden des Dreigestirns

Nur selten dringen Informationen über Probleme im Dreigestirn nach außen. Ab und an fällt einer der drei wegen Krankheit ein paar Tage aus, und es gibt vorübergehend nur ein Zweigestirn. Größere Eskapaden bleiben aber – bis auf wenige Ausnahmen – aus.

So gingen der Jungfrau Helmi im Dreigestirn 1986 die Nerven durch und es kam zu einer Schlägerei mit einem Fotografen. Für ihn sprang kurzfristig Hans-Dieter Salchert, der bereits 1983 die Jungfrau verkörpert hatte, ein. Drei Jahre vorher musste der designierte Prinz Rudi I. kurz vor der Proklamation verzichten, da ihm falsche Abrechnungen bei Kurzzeitarbeitern in seinem Unternehmen vorgeworfen wurden.

Was kostet es, im Kölner Dreigestirn zu sein?

Um es vorwegzunehmen: Es gibt keine belastbare Quelle zu den Kosten. Auch das Festkomitee gibt dazu keine Auskunft. Allerdings dürfte für die Ornate, das Wurfmaterial, die Orden, Geschenke und viele Runden eine erhebliche Summe draufgehen. Es gibt zwar immer wieder Spenden für das Dreigestirn, allerdings kann man davon ausgehen, dass unter dem Strich für jeden der drei ein deutlich fünfstelliger Betrag anfallen – je nach Ausgestaltung der Session durch die Prinz, Bauer und Jungfrau auch erheblich mehr.

Dazu kommt noch, dass es während der Session von Anfang Januar bis Aschermittwoch bei acht bis 14 Auftritten täglich unmöglich ist, zu arbeiten. Kein Wunder, dass die Rollen in Köln regelmäßig von Geschäftsleuten ausgefüllt werden. Und es ist ein offenes Geheimnis, dass diese sich auch Vorteile für ihr jeweiliges Geschäft versprechen.

Anders ist dies beim Karneval „op dem Dörp“, also im Kölner Umland. Die unzähligen Dreigestirne und Prinzenpaare sind in der Regel nur aus „Spaß an der Freud“ im Karneval unterwegs.

Ich wünsche allen Tollitäten vell Freud im Karneval, eine herrliche Session und vell Sunnesching am Rosenmontag.

ALAAF


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Elo Wilhelm Sambo: Der Blaue Funke an d´r Spetz vum Rusemondachszoch

Elo Wilhelm Sambo als Kesselpauker der Blauen Funken führt den Kölner Rosenmontagszug an
Elo Wilhelm Sambo als Kesselpauker der Blauen Funken führt den Kölner Rosenmontagszug an

Ganz Köln kannte ihn, die Pänz haben ihn geliebt,: Elo Wilhelm Sambo, der Kesselpauker der Blauen Funken. Ein Mann mit schwarzer Hautfarbe im Karneval. Und das nicht irgendwo, sondern ganz vorne im Rosenmontagszug.

Die Blauen Funken haben seit 1870 „de Spetz vum Rusemondachszoch“. Das bedeutet, dass sie mit ihrer Kapelle den Rosenmontagszug anführen. Und vor der Kapelle ritten immer vorneweg die Kesselpauker. Somit hatte Sambo ab Ende der 1920er Jahre bis 1933 faktisch den Kölner Rosenmontagszug eröffnet.

Geboren in einer Kolonie des Deutschen Reichs

Bis es zu seiner Karriere im Kölner Karneval kam, hatte Elo Wilhelm Sambo bereits viel erlebt. Er wurde 1885 in Yaoundé in Kamerun geboren. Ob der 1. April sein tatsächliches Geburtsdatum ist, lässt sich bis heute nicht zweifelsfrei nachweisen.

Im Jahr seiner Geburt wurde Kamerun zum „Schutzgebiet“ des Deutschen Reichs, die europäischen Mächte hatten Afrika unter sich aufgeteilt. Neben der wirtschaftlichen Ausplünderung der Kolonien wurden auch Menschen als Exoten mit nach Europa genommen – schwarze Dienstboten galten als schick.

Dieses Schicksal trifft auch den angeblichen Waisen Elo Sambo. Der kaiserliche Rittmeister Stolzenberg brachte den sechsjährigen Jungen im Jahr 1891 mit ins Deutsche Reich. Da Kaiser Wilhelm II. sein Patenonkel wurde, erhielt der Junge den zweiten Vornamen „Wilhelm“.

Karriere im kaiserlichen Militär

Über seine schulische Ausbildung und Werdegang ist nichts bekannt, vermutlich wurde er in einem Militär-Waisenhaus in Potsdam erzogen und soll auch dort eine Ausbildung zum Pferdeknecht gemacht haben. Erst ab 1905 ist der weitere Lebensweg dokumentiert. Sambo trat als Freiwilliger am 1. Oktober 1905 in die 4. Kompanie des Eisenbahner-Regiments Nr. 1 ein.

Ob die militärische Karriere tatsächlich freiwillig war, darf durchaus bezweifelt werden. Vermutliche Gründe waren wahrscheinlich eher der Mangel an Alternativen für einen Afrikaner im Kaiserreich.

Nach zwei Jahren wechselte er in das „Leib-Gardehusaren-Regiment“ und wurde dort zum Kesselpauker ausgebildet. Auch schon sein Vorgänger als Kesselpauker in diesem Regiment war afrikanischer Herkunft. Diese schwarzen Kesselpauker ritten regelmäßig in roter Uniform auf einem Schimmel vor der Kapelle. Durch diese schwarz-rot-weiße Farbkombination wurden die Farben des Deutschen Kaiserreiches repräsentiert.

Eine Postkarte von 1928 zeigt Elo Wilhelm Sambo in der Uniform des Leib-Gardehursaren-Regiments, Bild: Digitale Sammlungen der Universität zu Köln
Eine Postkarte von 1928 zeigt Elo Wilhelm Sambo in der Uniform des Leib-Gardehursaren-Regiments, Bild: Digitale Sammlungen der Universität zu Köln

Als einer der wenigen Personen afrikanischer Herkunft kämpfte Sambo im Ersten Weltkrieg auf Seiten des Deutschen Reichs. Er wurde an der Westfront und im Osten eingesetzt und dort schwer verwundet.

Sein damaliger Regimentsadjudant schrieb über Elo Wilhem, Sambo:

„Als ich im Frühjahr 1915 zur Infanterie versetzt wurde, kam Sambo zu mir und meinte: „Nehmen der Rittmeister mich mit, ich lasse mich auch für ihn totschießen.“1Quelle: Höxtersche Zeitung vom 9. Dezember 1933

Für seinen Einsätze erhielt der das Verwundetenabzeichen und das „Eiserne Kreuz 2. Klasse“. Nach seiner Genesung kämpfte er – unbestätigten Quellen zufolge – in Palästina. Dort soll er im Jahr 1918 in englische Gefangenschaft geraten sein.

Sambo kehrte 1919 aus der Kriegsgefangenschaft zurück und wurde wieder als Kesselpauker im 4. Reiter-Regiment in Potsdam eingesetzt. 1923 wurde er aus der Armee entlassen.

Ende 1920er zieht Sambo nach Köln

Während sein Militäreinsatz relativ gut dokumentiert wurde, ist über sein Privatleben sehr wenig bekannt. Er arbeitete kurze Zeit als Fremdenführer in Potsdam, zog dann aber nach Münster und wurde dort „Kaffee-Koch“ in der Konditorei seines ehemaligen Kriegskameraden Albin Middendorp.

Ganz uneigennützig wird die Einstellung Sambos durch Middendorp nicht gewesen sein. Der „Exot“ Sambo wurde als Werbefigur für das exotische Getränk Kaffee eingesetzt. Für die Münsteraner der 1920er Jahre war ein schwarzer Mann durchaus besonders und so hatte der „Kaffee-Koch“ Sambo den Kaffee-Absatz in Middendorps Konditorei mit Sicherheit steigern können.

Wie lange genau Sambo in Münster war, lässt sich nicht genau nachvollziehen. Aber gegen Ende der 1920er Jahre zieht er nach Köln.

Mitglied der Blauen Funken

Angeblich kam er wegen einer Frau nach Köln. Er wäre nicht der erste Mann, der wegen der Liebe nach Köln kommt. Doch ob das tatsächlich so war, lässt sich nicht belegen. Die Beziehung einer weißen Frau zu einem schwarzen Mann war eher geduldet als erwünscht, daher gibt es auch keine Belege für diese These.

Vermutlich hat Elo Wilhelm Sambo in der Kölner Südstadt gelebt. Er wurde wurde er auch Mitglied der Blauen Funken.

Elo Wilhelm Sambo in der Mitte vor den Kesselpauken
Elo Wilhelm Sambo in der Mitte vor den Kesselpauken

Unstrittig und vielfach belegt waren seine Leistungen als Musiker bei dem Leibgarde-Husaren-Regiment. Sambo spielt dort wieder die Kesselpauke. Die Konzerte und insbesondere die Leistungen Sambos  wurden in vielen Zeitungen ausdrücklich gelobt. So lautete es in der „Bergischen Post“ vom 8. Februar 1927:

„Die Sensation des Abends bildete das Auftreten des schwarzen Kameruners Elo Wilhelm Sambo, des letzten Paukenschlägers der Garde-Leibhusaren, der in voller Friedensuniform nochmal seine geliebte Pauke schlug und dafür natürlich mit lebhaftem Beifall bedacht wurde.“

Das „Altenaer Kreisblatt“ schrieb am 1. Dezember 1927:

„Die Musik kam dann wieder zu ihrem Recht und war es u. a. Kamerad, Vizewachtmeister Elo Wilhelm Sambo, der in der schmucken Uniform des ehemaligen Leibgarde-Husaren-Regiments als Kesselpauker auftrat und tosenden Beifall erntete.“

Und die „Langenberger Zeitung“ vom 27. Oktober 1928 berichtete:

„Mit Beginn des 3. Teiles … kam durch den Saal von acht Fanfarenbläsern eskortiert eine weitere „Zugnummer“, des Abends, der Kameruner Elo Wilhelm Sambo, der sich in die Friedensuniform des ehemaligen Leibgarde-Husaren-Regiments „geschmissen“ hatte. Ungeheurer Jubel setzte ein und es sang der ganze Saal den von der Musik intonierten „Treuen Husar“ mit.“

Pompöse Beerdigung auf dem Südfriedhof

Wilhelm Elo Sambo starb im Alter von nur 48 Jahren am 12. Juli 1933 in Köln. Über die Umstände seines Todes ist zwar nichts bekannt, allerdings gibt es ausführliche Berichte über sein Begräbnis auf dem Kölner Südfriedhof. Sein Sarg wurde begleitet von den uniformierten Vertretern des Leib-Garde-Husaren-Regiments und des Gardevereins Kölns. Es ist auch davon auszugehen, dass die Blauen Funken bei der Beerdigung anwesend waren.

Neben seinem Stahlhelm wurde auch ein Kranz, gestiftet vom Kaiser, am Grab niedergelegt. Dieses Grab existiert heute leider nicht mehr.

"Sambo, der Kaiserpauker", Nachruf auf Elo Wilhelm Sambo in der Höxterschen Zeitung vom 9. Dezember 1933
„Sambo, der Kaiserpauker“, Nachruf auf Elo Wilhelm Sambo in der Höxterschen Zeitung vom 9. Dezember 1933

Nie mehr nach Kamerun zurückgekehrt

Ob Sambo in Köln glücklich war oder nicht, ist nicht bekannt. Aber sein größter Lebenstraum, noch einmal nach Kamerun zu reisen, wurde nicht wahr. Das könnte an den fehlenden finanziellen Mitteln gelegen haben oder aber daran, dass Kamerun ab 1919 keine Kolonie des Deutschen Reichs mehr war.

Ebenfalls unerfüllt blieb sein dokumentierter Wunsch, sein Paukenpferd „Otto“ pflegen zu dürfen – auf eigene Kosten. Dazu schrieb die Höxtersche Zeitung vom 9. Dezember 1933 in einem Nachruf auf Elo Wilhelm Sambo:

„Ebenso bezeichnend wie die Anhänglichkeit an sein Regiment war seine Bitte, sein altes Paukenpferd Otto auf seine Kosten in Pflege zu geben, der jedoch nicht entsprochen werden konnte. Nun hat das treue Pferd seinen Herrn überlebt, es bekommt noch heute sein Gnadenbrot“

Was bleibt ist der stolze schwarze Mann, der mit seinen Pauken bis 1933 an d´r Spetz des Rosenmontagszugs ritt. Ob er diese Position auch unter den nationalsozialistischen Machthabern hätte weiterhin behalten dürfen, darf stark bezweifelt werden.

Die kölschen Pänz aber haben Elo Wilhelm Sambo als imposanten Star des Zochs geliebt.


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Der Kölner Krippenweg und die Krippe in einem zerstörten Krankenwagen

Der völlig zerstörte Krankenwagen aus der Ukraine. Im Vordergrund die Krippe. Bild: Uli Kievernagel
Der völlig zerstörte Krankenwagen aus der Ukraine. Im Vordergrund die Krippe. Bild: Uli Kievernagel

Es ist ein Ort der absoluten Gegensätze: Auf der einen Seite ein zerschossener, zerstörter Krankenwagen. Mit zahlreichen Einschusslöchern. Der zerstörte Krankenwagen als Symbol des Krieges, der Zerstörung und des Todes.

Auf der anderen Seite eine Krippe. Eine Krippe, über die Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger sagt: „In der Heiligen Nacht kommt … in Bethlehem ein Kind zur Welt und wird mangels eines Kinderbetts in eine Krippe gelegt. Dieses Kind ist ein jüdisches Kind. Es erlebt die Gefährdung seines Lebens schon als Kind und erfährt als Erwachsener Gewalt und Qual bis zur Tötung. Und doch tritt dieses Kind, genannt Jesus, für Versöhnung und die Würde der Schwachen ein.“1Quelle: Grußwort zum Kölner Krippenweg Die Krippe als Symbol des Friedens, der Hoffnung und des Lebens.

Im Lager des „Blau-Gelben Kreuzes“ kommen diese beiden Symbole zusammen: Ein Symbol des Krieges und ein Symbol des Friedens. Auf engstem Raum. Als Teil des Kölner Krippenwegs.

Der Kölner Krippenweg

Bereits zum 29. Mal lädt der Kölner Krippenweg ein, ausgewählte Krippen kennenzulernen. Die Organisatoren wählen die teilnehmenden Krippen sorgfältig aus. Caroline Maria Weber ist die Vorsitzende der Krippenfreunde Region Köln e.V. und beschreibt die Zusammenstellung des Krippenwegs wie folgt: “Die Auswahl der Krippen erfolgt nicht nach dem Zufallsprinzip, sondern nach Kriterien der künstlerischen und inhaltlichen Qualität. Wir schaffen Bezüge zu Köln und seinen internationalen Partnerstädten. … Wir zeigen Werke der Krippenkunst aus Privatsammlungen wie eine zierliche böhmische Krippe oder eine Winzerkrippe von der Ahr.“2Quelle: Grußwort zum Kölner Krippenweg

Zu diesen ganz besonderen Krippen zählt auch die Hänneschen-Krippe auf dem Neumarkt, die Krippenlandschaft aus LEGO in St. Johann Baptist oder die lebenden Tiere in der Krippe des Lindenthaler Tierparks. Als Ort der Gegensätze fällt aber die Krippe am zerschossenen Krankenwagen des Blau-Gelben Kreuzes ganz besonders auf.

Logo Blau-Gelbes Kreuz e.V.

Das Blau Gelbe Kreuz

Der Verein „Blau-Gelbes Kreuz“ ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Köln. Der Verein existiert bereits seit 2014 und fördert die Entwicklung einer freien, demokratischen Ukraine. Seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine leistet das Blau Gelbe Kreuz Hilfe für die Opfer des Krieges.

In einem großen Lager in Raderberg (Marktstraße 27, 50968 Köln) werden Sachspenden entgegengenommen und zur Weiterverteilung in der Ukraine vorbereitet.

Zwei tote Männer, eine verschleppte Frau

Im März 2022 war die Besatzung des ausgestellten Krankenwagens auf dem Weg zu einem Hilfseinsatz in der Nähe des Dorfes Tsyrkuny im Gebiet Charkiw unterwegs. Dieses Gebiet ist auch heute noch stark umkämpft. Die Besatzung des Krankenwagens versuchte, verletzte Menschen zu retten. Doch ein russisches Militärfahrzeug rammte den Wagen. Das Fahrzeug wurde völlig zerstört.

Der zerschossene und von einem russischen Militärfahrzeug gerammte Krankenwagen, Bild: Uli Kievernagel
Der zerschossene und von einem russischen Militärfahrzeug gerammte Krankenwagen, Bild: Uli Kievernagel

Der Fahrer des Krankenwagens, Serhii, geb. 1982, und der Sanitäter, Oleksandr, geb. 1986, wurden an Ort und Stelle erschossen. Die ebenfalls zur Besatzung gehörende Ärztin Viktoria wurde verschleppt, über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Drei Monate Überlebensdauer eines Krankenwagens

Dieser Angriff auf einen Rettungswagen ist kein Einzelfall. Das russische Militär macht gezielt Jagd auf Rettungsfahrzeuge. Ziel ist der blanke Terror, die Erzeugung von Angst und die Demoralisierung der Ukrainer.

Rettungswagen in den kriegsnahen Gebieten der Ukraine haben eine durchschnittliche Überlebensdauer von gerade drei Monaten. Speziell diese Fahrzeuge werden regelmäßig zu Todesfallen.

Die Krippe der der Künstlerin Olya Kravchenko aus Lwiw. Bild: Uli Kievernagel
Die Krippe der der Künstlerin Olya Kravchenko aus Lwiw. Bild: Uli Kievernagel

Im krassen Gegensatz zu dem zerschossenen Fahrzeug steht direkt daneben eine zeitgenössische Krippe im modernen Ikonenstil der Künstlerin Olya Kravchenko aus Lwiw.

„Weihnachten ist nicht der Lichtschalter, den du anknipst und plötzlich ist alles nur noch sonnig.“

Peter Otten, Pastoralreferent aus St. Agnes, ist regelmäßig im Radio zu hören. Er ist Teil des Teams „Kirche im WDR“. Er hat die ganz spezielle Krippe des Blau-Gelben Kreuzes gesehen und zum zentralen Bestandteil seiner Gedanken zum Jahresende gemacht. Unter dem Titel „Nicht aufgeben“ meint Peter Otten:

„Ausgerechnet dort, im völlig zertrümmerten Krankenwagen, steht eine Krippe, die aus der Ukraine nach Deutschland gebracht worden ist. Ich sehe sie, bin erschüttert und mir wird klar: Weihnachten bedeutet nicht, dass der Wahnsinn von Gewalt endet. Dass erschossene Sanitäter und Ärzte wieder lebendig werden. Weihnachten bedeutet auch nicht, dass überall unschuldige Menschen aus den Gefängnissen entlassen werden und kein Kind mehr Hunger leidet. Weihnachten ist nicht der Lichtschalter, den du anknipst und plötzlich ist alles nur noch sonnig.“ 

Doch trotz Tod, Krieg und Verzweiflung rät Peter Otten:

Nicht aufgeben!  
Weihnachten ist ein Fest der Hoffnung.
Es ist doch besser, wenn Menschen einander kein Fluch sind,
sondern ein Segen.


 

Kreppche loore mit dem KöbesColonius

Der Stadtführer Guido Hoffmann bietet als „KöbesColonius“ auch eine spezielle Krippenführung  an. Darüber haben wir auch in unserem Podcast ausgiebig mit ihm gesprochen. 


Logo Blau-Gelbes Kreuz e.V.

Spenden für das Blau-Gelbe Kreuz

Alle Informationen zu möglichen Spenden an das Blau-Gelbe Kreuz finden sich auf der Website


Kölner Krippenweg 2024/25, Bild: Krippenfreunde Region Köln e. V.
Kölner Krippenweg 2024/25, Bild: Krippenfreunde Region Köln e. V.

Alle Informationen zum Kölner Krippenweg inklusive einem ausführlichem Begleitheft zum Download finden sich auf der Website des Kölner Krippenwegs.


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Jahresrückblick 2024 und Ausblick auf das Jahr 2025

Silvester 2024

Liebe Leser des „Köln-Ding der Woche“!

Vielen Dank für deine Treue im vergangenen Jahr. Es freut mich sehr, dass der Verteiler stetig wächst. Aktuell lesen mehr als 2.000 Menschen jeden Sonntag meine Post.

Am Jahresende will ich dir einen kleinen Jahresrückblick bieten, mit den Klick-Charts und ein paar persönlichen Eindrücken aus dem Jahr.

Die Top-5 der meistgeklickten Beiträge im Jahr 2024

Wie immer habe ich nach Weihnachten die Klickraten des Jahres 2024 ausgewertet. Dass die Schimpförter und das kölsche Wort für ein Verhältnis auf den vorderen Plätzen zu finden sind, ist wenig überraschend. Aber mit dem Hahnwald auf Platz 1 habe ich nicht gerechnet:

 

Das Haus X1, Wohnhaus des Architekten Peter Neufert, erbaut 1961–1962, Bild: A.Savin, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Das Haus X1, Wohnhaus des Architekten Peter Neufert im Hahnwald, erbaut 1961–1962, Bild: A.Savin, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Platz 1: Der Hahnwald – kein Hahn, aber viele Promis
Für mich völlig überraschend hat es der Beitrag zum Hahnwald auf Platz 1 geschafft. Tatsächlich hat es die meisten Klicks auf diesen Artikel direkt nach dem Tod von Christoph Daum im August gegeben.

 

Collage Schimpfwörter

Platz 2: Kölsche Schimpförter
Der Dauerbrenner ist schon seit Jahren immer unter den ersten Plätzen zu finden.

Kölsche Vornamen, Bild: Uli Kievernagel

Platz 3: Kölsche Vornamen
Dass die Menschen wissen wollen, wer sich hinter „Drück“ oder „Züff“ verbirgt, ist klar – die meisten Zugriffe kamen hier direkt über die Google-Suche.

 

Fisternoell, Bild: Gisela Peter / pixelio.de
Fisternoell, Bild: Gisela Peter / pixelio.de

Platz 4: Kölsche Wörter: Fisternöllche
Das kölsche Wort für ein Verhältnis scheint extrem beliebt zu sein.

 

Enge Gasse mit bewegter Geschichte: Im Stavenhof, von den Kölner "Stüverhoff" genannt, Bild :Uli Kievernagel
Enge Gasse mit bewegter Geschichte: Im Stavenhof, von den Kölner „Stüverhoff“ genannt, Bild: Uli Kievernagel

Platz 5: Berüchtigte Bordellmeile: Dä Stüverhoff
Ein Newcomer unter den Top-5.

Meine persönlichen Highlights im „Köln-Ding der Woche“

Im Februar gab es für mich gleich zwei Höhepunkte:

Das Hänneschen predigt im Fastelovendsgottesdienst in St. Agnes (5. Februar 2024)
Das Hänneschen predigt im Fastelovendsgottesdienst in St. Agnes (5. Februar 2024)

Die Hänneschen-Predigt in St. Agnes
Das Hänneschen feierte im Jahr 2024 seinen 222 Geburtstag. Und durfte zum ersten Mal in seiner langen Geschichte in einer Kirche predigen. Ich hatte die große Ehre, die Predigt für das Hänneschen  schreiben zu dürfen, die dann in genialer Weise von dem Hänneschen-Puppenspieler Jacky von Guretzky-Cornitz vorgetragen wurde. Dazu gibt es auch ein sehenswertes Video.

Die Karnevalssitzung im Klösterchen
Die Sitzung „Et löstige Klösterchen“ im Severinsklösterchen ist eine Tradition in der Südstadt. Und ich durfte dort als Präsident diese Sitzung leiten. Ein ganz großes DANKE an das ganze Team für dieses Vertrauen. Und ich freue mich sehr, dass ich auch 2025 wieder als Präsident tätig werden darf.

Im April war ich zu Gast beim Podcast der „Geschichtsmacher“
Normalerweise kommen hier nur Autorinnen und Autoren des renommierten „Zeitzeichens“ zu Wort. Ich durfte mit Marko Rösseler und Martin Herzog über Nikolaus Gülich und den kölschen Klüngel sprechen.

 

Uli, der Köln-Lotse mit seinem Hund "Alfi" beim Stadthundgang, Bild: Silke Kievernagel
Uli, der Köln-Lotse mit seinem Hund „Alfi“ beim StadtHundgang, Bild: Silke Kievernagel

Der StadtHundgang
Ebenfalls im April war es dann soweit: Die Premiere meiner neuen Stadtführung StadtHundgang. Und diese Premiere wurde vom WDR begleitet und im Fernsehen in der Lokalzeit Köln vorgestellt.

Live-Podcast
Im Mai haben Frank und ich eine Live-Podcast über Raderberg und Raderthal gemacht. Da es sehr viel Spaß gemacht hat, die Sendung vor Publikum zu produzieren, wird es eine Neuauflage geben: Im Frühjahr werden wir in Franks Stammkneipe „Zollstocker Hof“ über Zollstock sprechen. Den Termin teile ich rechtzeitig mit.

Emmi in ihrer Küche. Immer dabei: Frische , saisonale Zutaten, Bild: Emmi Prolic, www.emmikochteinfach.de
Emmi in ihrer Küche. Immer dabei: Frische, saisonale Zutaten, Bild: Emmi Prolic, www.emmikochteinfach.de

Emmi von „Emmi kocht einfach“ 
Im Oktober durfte ich mit der wunderbaren Emmi von „Emmi kocht einfach“ sprechen. Und ich wurde von ihr auch gleich verköstigt.

 

Der 2. Kölner Podcast-Tag 2024, Darstellung ohne Datum
Der 2. Kölner Podcast-Tag 2024, Darstellung ohne Datum

2. Kölner Podcast-Tag
Im November war es dann so weit: Frank und ich durften viele kölsche Podcaster zum “2. Kölner Podcast-Tag“ begrüßen. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an unsere Mitstreiter und an die Roten Funken, in deren Heimat Ülepooz wir aufzeichnen durften.

Der Weihnachtsfrieden 1914
Das Jahr ging mit einer ganz besonderen Geschichte zu Ende: Meine Nachbarin aus dem Veedel Irene Geuer hat uns die Weihnachtsfolge des Köln-Ding der Woche geschenkt und über den Weihnachtsfrieden 1914 gesprochen. Wer das noch nicht gehört haben sollte, sollte dies unbedingt nachholen.

Ein großes DANKESCHÖN

Auch 2024 haben mich wieder so viele Menschen unterstützt, dass ich sie hier unmöglich alle aufzählen kann. Stellvertretend für alle will ich drei Personen nennen:

Zuerst meine Frau Silke, die nicht nur meine wichtigste Ratgeberin ist, sondern auch jedes Köln-Ding der Woche vorab liest und mit konstruktiven Ratschlägen wesentlich verbessert. Sie hatte auch die Idee, die Hänneschen-Predigt der von den Nationalsozialisten ermordeten Puppenspielerin Fanny Meyer zu widmen.

Mein guter Freund Frank Mausbach ist die treibende Kraft hinter unserem Podcast. Er hatte nicht nur die Idee dazu, sondern ist auch immer auf jede Folge akribisch vorbereitet. Es macht großen Spaß, mit ihm zusammen den Podcast zu machen

Yannick Mausbach ist unser Tonmann beim Podcast. Ganz klar: Ohne Yannick gäbe es unseren Podcast nicht! Er achtet nicht nur auf den guten Ton, sondern bastelt auch immer alles nach unseren Wünschen zusammen. Falls ihr jemals selber über eine Podcast nachdenken solltet – sprecht Yannick an. Er kann alles.

Allen, die ich hier nicht genannt habe: Ihr seid nicht vergessen! Vielen Dank für eure Untersützung.

Ausblick 2025

Beim Köln-Ding der Woche steht eine wichtige Änderung bevor: Zwar wird es auch 2025 jede Woche ein „Köln-Ding“ geben – allerdings immer im Wechsel. In den geraden Wochen wird es etwas zu Lesen geben, in ungeraden Wochen den Podcast. Der Hintergrund ist, dass weder ich es zeitlich schaffe, 52 Blogbeiträge pro Jahr zu schreiben noch Frank, Yannick und ich, 52 Podcasts zu produzieren. Aber eins ist sicher: Nach einer kurzen „Neujahrspause“ wird es weiterhin jede Woche ein Köln-Ding der Woche geben. Versprochen.

Es wird eine neue Führung geben: Unter dem Titel „Eine Kirche & die sündige Meile“ geht es zunächst in St. Ursula und danach über den Eigelstein zum Stüverhoff. Diese Tour werde ich ab dem Frühjahr anbieten.

Die Wanderbäume vor der Eigelsteintorburg, Bild: Wanderbaumallee Köln
Der Eigelstein – 2.000 Jahre Geschichte, Bild: Wanderbaumallee Köln

Zusammen mit der wunderbaren Christiane Rath arbeiten ich an einem Buch. Wir wollen etwas gegen den Frust über unsere Stadt tun und stellen gerade Orte, Menschen, Bauwerke, Errungenschaften und mehr zusammen, auf die man als Kölner zu Recht stolz sein kann. Wir haben vor, dieses Buch noch im Jahr 2025 zu veröffentlichen.

Ich wünsche dir ein gesundes, schönes und erfolgreiches Jahr 2025. Und uns allen wünschen ich ein friedliches Jahr!

Vell Jrööööß

Uli

 


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Der Weihnachtsfrieden von 1914

Eine Darstellung des Weihnachtsfriedens von 1914, veröffentlicht auf der Titelseite der Illustrated London News am 9. Januar 1915. Bild: Frederic Villiers, Public domain, via Wikimedia Commons
Eine Darstellung des Weihnachtsfriedens von 1914, veröffentlicht auf der Titelseite der Illustrated London News am 9. Januar 1915. 

Der Weihnachtsfrieden von 1914
von Irene Geuer 

 

Die allerschönste Weihnachtsgeschichte spielt nicht weit von hier, in Flandern. Und doch müssen wir lange reisen, um sie zu erleben: 110 Jahre in die Vergangenheit

Es ist der 24. Dezember 1914. Eine sternenklare Nacht, bitterkalt. Der große Krieg dauert nun schon fünf Monate. Unglaublich.  Der Kaiser hatte versprochen, dass sie wieder zurück sein werden, ehe die ersten Blätter fallen und jetzt liegt Schnee in der Luft und dieser Krieg will nicht vorangehen.

Die Soldaten auf deutscher und alliierter Seite haben Schützengräben ausgehoben und sich in eine nicht enden wollende Stellung gebracht. Kriegsstarre und doch sterben jeden Tag Männer auf beiden Seiten. Da das Grundwasser in dieser Gegend sehr hoch liegt braucht es nicht lange, bis alle Soldaten in den Gräben nasse Füße haben und durch den Matsch waten. Wer stolpert und fällt hat ein echtes Problem.

Ein klappbarer Weihnachtsbaum, geeignet, um mit der Feldpost verschickt zu werden. Bild: Nightflyer, CC0, via Wikimedia Commons
Ein klappbarer Weihnachtsbaum, geeignet, um mit der Feldpost verschickt zu werden. Bild: Nightflyer, CC0, via Wikimedia Commons

Weihnachtsbaum auf dem Wall

Es ist also schon dunkel an diesem 24. Dezember. Plötzlich fallen Schüsse. Die Briten eröffnen das Feuer, aufgeschreckt durch Licht auf der gegenüberliegenden Seite. Doch dann reiben sich die Tommis ungläubig sich die Augen. Da steht ein Weihnachtsbaum mit Kerzen auf dem Wall des deutschen Schützengrabens. Klein aber unverkennbar, ein Geschenk von zu Hause.

Noch ist dieser Krieg keiner, der den Hunger im Gepäck hat. Die Feldpost hat Dosenfleisch, Kekse, Tabak und kleine Geschenke gebracht. Briefe von der liebsten und den Eltern. Die deutschen Soldaten singen „Stille Nacht“.

Dann passiert es: Einer der britischen Soldaten krabbelt aus dem Schützengraben, die Arme erhoben in einer Hand Zigaretten und Streichhölzer und er singt „Silent Night“, die Melodien werden eins. Und doch so ein Mut wie er sich das traut. Ein Schuss hätte genügt. Doch er geht weiter, Schritt für Schritt. Dieses Mal reiben sich die Deutschen die Augen. Da steht der Tommy im Niemandsland und schaut erwartungsvoll herüber.

Soldaten reichen sich die Hände

Und dann, einer nach dem anderen, krabbelt wie der Brite zuvor, aus dem Graben. Immer mehr sind es auf beiden Seiten. Sie reichen sich die Hände und sie versuchen sich in der jeweils anderen Sprache „Frohe Weihnachten“ zu wünschen. Die Briten werden von einem „rusty german“, einem „rostigen Deutsch“ erzählen, dass sie noch irgendwo im Gedächtnis auftreiben.

Britische und deutsche Truppenangehörige treffen sich während des inoffizellen Weihnachtsfriedens im Niemandsland. Bild: Robson Harold B, Public domain, via Wikimedia Commons
Britische und deutsche Truppenangehörige treffen sich während des inoffizellen Weihnachtsfriedens im Niemandsland. Bild: Robson Harold B, Public domain, via Wikimedia Commons

Sie werden zusammen ihre Toten in diesem Niemandsland begraben. Sie stellen ihre Laternen auf die Wälle zu Lichterketten. Die Tommis laden die Fritzen ein, ihren Schützengraben zu besuchen und siehe da kein Unterschied: Schlamm, Gewehre und die obligatorischen Mädchenbilder an den Wänden. Männer sind alle gleich.

Das Schlachtfeld wird zum Fußballfeld

Während anderswo weiter beschossen und getötet wird, gibt es hier an diesem Frontabschnitt ein weiteres Wunder. Ein Schotte zeigt den Deutschen nicht nur, was er tatsächlich unter seinem Kilt trägt. Er hat auch einen Lederfußball dabei. „Wir nahmen unsere Mützen als Torpfosten.“ wird der Brite Jake Turner zwei Tage später seiner Familie schreiben und später wird er Fotos von dem Fußballspiel schicken, die ein Kamerad von Turner geschossen hat.

Das Schlachtfeld wird zum Fußballfeld und die Bilder zeigen fröhliche Gesichter und junge Männer, denen so mancher Knopf an der Uniform fehlt – Tauschobjekt und Freundschaftsbeweis. Adressen werden ausgetauscht, Fotos von der Verlobten gezeigt. Die Briten schicken Christmas Pudding rüber, den die Deutschen als „Serviettenkloß“ identifizieren. Schnaps wird rum gereicht.

Diese Skulptur in Mesen, Belgien, erinnert an den Weihnachtsfrieden von 1914. Bild: L'imaginaire, CC0, via Wikimedia Commons
Diese Skulptur in Mesen, Belgien, erinnert an den Weihnachtsfrieden von 1914. Bild: L’imaginaire, CC0, via Wikimedia Commons

Kriegsgericht und Zuchthaus bei Wiederholung

Mehrere Tage soll dieser Weihnachtsfrieden gedauert haben, dann wird er zutiefst verurteilt. Die Truppen werden ausgetauscht, die Heeresleitungen auf beiden Seiten drohen mit Kriegsgericht und Zuchthaus, sollte sich je so etwas wieder ereignen.

9,5 Millionen Menschen werden in diesen Krieg sterben. Der Überlebende Murdoch M. Wood wird 1930 vor dem britischen Parlament sagen: „Wären wir der damals in Flandern auf uns allein gestellt gewesen, es wäre nie ein weiterer Schuss gefallen.“

Das Fußballspiel endete übrigens mit 3 zu 2 für uns. Den Krieg gewannen die Alliierten.

Erheben wir das Glas auf die Soldaten in Flandern von damals. Auf sich allein gestellt wäre kein weiterer Schuss gefallen.

Frohe Weihnachten!


Dieser Beitrag stammt von Irene Geuer

Ich bin sehr stolz, eine renommierte Gastautorin für dieses „Köln-Ding der Woche“ gewonnen zu haben: Irene Geuer ist freiberufliche Journalistin, Autorin und Moderatorin aus Köln. Sie hat Ethnologie, Politikwissenschaften und Spanisch in Köln studiert und als Moderatorin für diverse Sendungen in öffentlich-rechtlichen Sendern gearbeitet. Sie hat als Hochschuldozentin gearbeitet und schreibt auch Hörspiele.

Vielen ist ihre Stimme aus dem Zeitzeichen des WDR bekannt. Sie wohnt in meiner Nachbarschaft in Köln-Raderberg und teilt meine Liebe zu Köln.

Irene Geuer, Kölner Journalistin, Autorin und Moderatorin, Bild: Geuer
Irene Geuer, Kölner Journalistin, Autorin und Moderatorin, Bild: Geuer

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Kölsche Wörter: Nur nit „bang“ weede!

Viele Bahnhaltestellen in Köln sind Angsträume und machen uns "bang", Bild: Chris06, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Viele Bahnhaltestellen in Köln sind Angsträume und machen uns „bang“, Bild: Chris06, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Es sind Zeiten, da kann man tatsächlich ängstlich in die Zukunft schauen. Die verschiedenen Krisen in der Welt geben sich gerade die Klinke in die Hand. Kein Wunder, dass nicht nur den Kölschen „bang“ wird. Dieses Wort beschreibt schlichtweg die Angst.

Wie immer lohnt sich ein Blick in den „Wrede“.1Adam Wrede: „Neuer kölnischer Sprachschatz“ Dort wird „bang“ als „Angst einflößend“ bezeichnet. Dabei kann einem bang wegen einer Sache sein „Et es mer bang, et künnt scheif jon.“2Ich bin ängstlich, dass etwas schiefgehen könnte. oder zum Beispiel einer Person sein: „Ich ben jet bang för dä Schäng.“ In diesem Fall ist man ängstlich, dass dem Schäng etwas passieren könnte.

Umgekehrt ist es auch möglich, eben nicht bang zu sein und Zuversicht auszudrücken. Wenn der Kölsche sagt: „Doför maachen ich mich nit bang.“ oder „Dä liet sich nit bang maache.“ ist alles gut, denn eine Situation macht ihm oder einer anderen Person eben keine Angst.

Et kann einem angs un bang wäde.

Auch Menschen außerhalb Kölns kennen dieses Wort in dem Zusammenhang „Da kann einem angst und bange werden.“ Auf Kölsch: „Et kann einem angs un bang wäde.“

Dabei ist „bang“ eigentlich aus „be-ange“ entstanden. Im Mittelhochdeutschen bedeutet bang „beengt. Seinen Einzug in die Schriftsprache hat dieses Wort Luther und seiner Bibelübersetzung zu verdanken. So lautet es im „Buch Jeremia“ (Kapitel 50):

„Wenn der König zu Babel ihr Gerücht hören wird, so werden ihm die Fäuste entsinken; ihm wird so angst und bange werden wie einer Frau in Kindsnöten.“

„Bangmacher“ versuchen, uns Angst zu machen

Heute gibt es unzählige Gelegenheiten, dass es (nicht nur) dem Kölschen bang wird. „Bangmacher“ sind Menschen, die durch ihre Aussagen Angst und Furcht erregen – leider ein oft genutztes Mittel rechtsgerichteter Populisten.

Wenn Höcke, Weidel & Co. von der „Überfremdung“ sprechen und uns Angst vor Migration und Asyl damit machen wollen, handelt es sich dabei um „Bangmacher“. Wir müssen nur aufpassen, dass wir den braunen Demagogen bei solchen Versuchen nicht auf den Leim gehen. Denn dann werden wir zu „Bangedresser“, damit ist ein Feigling oder Angsthase gemeint.

Jürgen Becker ist optimistisch: „Das ruckelt sich schon alles zurecht.“ Bild: Brunswyk, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons
Jürgen Becker ist optimistisch: „Das ruckelt sich schon alles zurecht.“ Bild: Brunswyk, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Die kölsche Zuversicht: „Et hätt noch immer jot jejange.“

Im Paragraph 3 des „Kölschen Grundgesetz“ findet sich das Gegenteil von „bang weede“. Dort lautet es: „Et hätt noch immer jot jejange.“ Das ist der typisch kölsche Optimismus. Eine Zuversicht, dass sich immer alles findet. Oder um es mit dem kölschen Kabarettisten Jürgen Becker zu sagen. Mer bruche nit bang zu weede denn:

 „Das ruckelt sich schon alles zurecht.“


"Puddelrüh", "Pänz" oder "Halven Hahn" - kölsche Wörter sind einzigartig
Puddelrüh„, „Pänz“ oder „Halven Hahn“ – kölsche Wörter sind einzigartig

Erklärungen für viele weitere kölsche Wörter wie „kötten„, „maggeln“ oder „knüsselich“ gibt es in der Rubrik Kölsche Wörter.


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Gesucht: Das kölsche Wort für „Liebe“

Eine Million Liebesschlösser auf der Hohenzollernbrücke als Ausdruck der Liebe - doch kein kölsches Wort, Bild: NoName_13, Pixabay
Eine Million Liebesschlösser auf der Hohenzollernbrücke als Ausdruck der Liebe – doch es gibt kein kölsches Wort für die Liebe, Bild: NoName_13, Pixabay

„Für alles jitt et e Woot, nur für die Liebe nit.“ 1Für alles gibt es ein Wort, nur für die Liebe nicht.

ist ein Songtitel der kölschen Band Lupo. In diesem Lied wird eingängig erklärt, dass es in der kölschen Sprache für viele hochdeutsche Wörter spezielle eigene kölsche Wörter gibt. So nennt der Kölner

ABER: Es gibt tatsächlich kein spezielles kölsches Wort für die Liebe. Und das ist äußerst erstaunlich.

Warum gibt es in der kölschen Sprache kein Wort für die Liebe?

Für den Satz „Ich liebe Dich.“ gibt es tatsächlich keine kölsche Übersetzung. Mangels eigener kölscher Worte für die Liebe nutzt der Kölner hilfsweise Umschreibungen. Das klingt dann ungefähr so: „Isch han dich jän“ oder „Ich maach dich“.

Nur am Rande: Der Kölner hat zwar kein eigenes Wort für die Liebe, dafür aber ein eigenes Wort für ein (außereheliches) Verhältnis: „Fisternöllchen“. Und das lässt eindeutige Rückschlüsse auf das kölsche Gemüt zu!

Der Kölner liebt das Flirtspiel, will sich aber nicht festlgen, so der Psychologe Stephan Grünewald. Bild: Raimond Spekking
Der Kölner liebt das Flirtspiel, will sich aber nicht festlgen, so der Psychologe Stephan Grünewald. Bild: Raimond Spekking

Endgültiges Bekenntnis fällt dem Kölner schwer

Stephan Grünewald ist ein bekannter Psychologe und Gründer des renommierten rheingold-Instituts. Er meint, die Kölner hätten deswegen ein Problem mit dem Begriff „Liebe“, weil sie sich mit einem so endgültigen Bekenntnis sehr schwer tun. Grünewald sagt: „Der Kölner liebt das Flirtspiel: Bützen ja, aber bitte nicht festlegen! Lieber gekonnt alles offen halten, sonst kommt man wieder in die Bredouille.“2Stephan Grünewald im Kölner Express vom 10. August 2011

Ein anderer echter Experte für die kölsche Sprache und auch das kölsche Gemüt war der im Jahr 2011 verstorbene Komponist Hans Knipp. Er hat so wunderschöne Lieder wie „Mer losse d’r Dom en Kölle“, „Ene Besuch im Zoo“ oder „Unsere Stammbaum“ geschrieben. Und auch „Ming etzte Fründin“. Der Mann kannte sich also mit der Liebe aus.

Hans Knipp, Bild: Musikverlage Hans Gerig KG
Hans Knipp erklärt, dass der kölschen Sprache das Pathos fehlt, Bild: Musikverlage Hans Gerig KG

Auch er wurde gefragt: Herr Knipp, wieso gibt es kein kölsches Wort für Liebe? Seine Antwort: „Die kölsche Sprache ist herzlich, aber ihr fehlt das Pathos. Dadurch gibt es aber auch in den Liedern diese gewisse Schnulzigkeit nicht, die man sonst in Schlagern findet.“3Hans Knipp im Kölner Express vom 10. August 2011

Das Wort „Leevde“ ist in Vergessenheit geraten – eine Spurensuche

Der kölsche „Sprach-Papst“ Adam Wrede4Neuer Kölnischer Wortschatz, Greven Verlag Köln 1976 übersetzt „Liebe“ tatsächlich mit „Leev“ oder „Leevde“ und führt auch die kölschen Sprichwörter „Kahl Häng, wärm Leev.“5„Kalte Hände, warme Liebe.“ oder „Hät einer nit Leev noch Juns, dann helfe nit Red noch Kuns.“6„Hat einer keine Liebe und keine Gunst, dann helfen weder Rede noch Kunst.“ auf,.

Wrede weist aber ausdrücklich darauf hin, dass dieser Begriff nur noch selten gebraucht wird und meist durch „jän han“ umschrieben wird.

Rolly Brings bei einem Auftritt in Köln-Ehrenfeld (2007), Bild: Elke Wetzig (Elya), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Rolly Brings bei einem Auftritt in Köln-Ehrenfeld (2007), Bild: Elke Wetzig (Elya), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Die Kölsche Sprache kennt keine abstrakten Begriffe

Rolly Brings ist ein kölscher Autor und Liedermacher und wurde 2022 mit dem Karl-Küpper-Preis geehrt. Er hat das Lukasevangelium auf Kölsch übersetzt – man kann ihn also als echten Kölsch-Experten bezeichnen. Rolly Brings begründet das Verschwinden des Worts „Leevde“ damit, dass man in der Domstadt lieber Bilder und Beschreibungen wie „Ich han dich zum fresse jän.“ nutzt. Er führt das darauf zurück, dass die kölsche Sprache keine abstrakten Begriffe kennt.

Schlägt man den Begriff „abstrakt“ nach, erfährt man, dass dies den „induktiven Denkprozess des erforderlichen Weglassens von Einzelheiten und des Überführens auf etwas Allgemeineres oder Einfacheres“7Quelle: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Abstraktion bezeichnet. Aha!

Einfacher formuliert: Mit Abstraktion wird nichts Gegenständliches bezeichnet. Und „Liebe“ ist eindeutig nicht „gegenständlich“. Demnach werden in der kölschen Sprache Begriffe eher „handfest“ und weniger abstrakt verwendet.

Und damit wird klar:
„Für alles jitt et e Woot, nur für die Liebe nit.“


 

"Puddelrüh", "Pänz" oder "Halven Hahn" - kölsche Wörter sind einzigartig
Puddelrüh„, „Pänz“ oder „Halven Hahn“ – kölsche Wörter sind einzigartig

Erklärungen für viele weitere kölsche Wörter wie „kötten„, „maggeln“ oder „knüsselich“ gibt es in der Rubrik Kölsche Wörter.


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Weltweit größter Gitarrendiebstahl im Jahr 2007 in Köln – 30.000 Euro Finderlohn!

Drei der 56 gestohlenen Gitarren, Bild: Music Store
Drei der 56 gestohlenen Gitarren, Bild: Music Store

Heute vor 17 Jahren, in der Nacht vom 1. auf den 2. Dezember 2007, gab es den weltweit größten Gitarrendiebstahl: 56 hochwertige Gitarren waren weg – und bis heute ist keine einzige davon wieder aufgetaucht. Bestohlen wurde der Music Store, einer der größten deutschen Musikalienhändler.

Fender Indian Telecaster | Seriennummer: 1of2 (02/13/03), Bild: Music Store
Fender Indian Telecaster | Seriennummer: 1of2 (02/13/03), Bild: Music Store

400.000 Euro Schaden

Die gestohlenen Gitarren hatten einen Gesamtwert von 400.000 Euro. „Der finanzielle Verlust schmerzt schon, doch ebenso schwer wiegt der ideelle.“ so der so der Music Store Geschäftsführer Michael Sauer.

Die Instrumente wurden in sehr geringen Stückzahlen aus ganz besonders wertvollen Holzsorten hergestellt. Einige der Gitarren sind sogar Einzelstücke. Sauer hält einen Weiterverkauf der Gitarren für extrem schwierig. „Die Instrumente sind nummeriert, wir beobachten die Szene und sehen, wo die Gitarren angeboten werden.“

Gibson CS LP Signature Zakk Wylde Aged Bulls Eye | Seriennummer: ZW A 042, Bild: Music Store
Gibson CS LP Signature Zakk Wylde Aged Bulls Eye | Seriennummer: ZW A 042, Bild: Music Store

In der Tatnacht kletterten die Täter über die Dächer der verwinkelten Nebengebäube. So konnten sie an eine Dachluke herankommen. Diese Art und Weise eine Einbruchs hatte der Music Store nicht bedacht. Die Einbrecher hätten auch keine Chance gehabt, über die Eingangstür in den Laden zu gelangen, da diese per Video überwacht wurde. Außerdem war der Aufzug, der bis in den 5. Stock hochfuhr, nachts immer abgeschaltet. Somit war die Möglichkeit, über das Dach einzubrechen, die einzig mögliche Variante. Unglücklich für den Music Store: Nur die Ladenlokale, die sich im Erdgeschoss befanden, waren gegen Einbruch versichert.

Bis heute1Stand 1. Dezember 2024 ist keine der Gitarren wieder aufgetaucht, wie Michael Sauer berichtet. Er vermutet einen Auftragseinbruch: „Wir gehen davon aus, dass es sich um einen Auftragseinbruch gehandelt hat, denn einige ebenfalls sehr teure Gitarren wurden nicht mitgenommen.“

Gibson Alvin Lee Signature ES-335 Cherry | Seriennummer: CS 51449, Bild: Music Store
Gibson Alvin Lee Signature ES-335 Cherry | Seriennummer: CS 51449, Bild: Music Store

Europas meistbesuchter Musikerladen

Wenn man über die Zoobrücke an der Messe vorbei in Richtung A 3 fährt, fällt das markante Gebäude des Music Store sofort auf. Auf etwa 5.500 Quadratmetern bietet der meistbesuchte Musikerladen Europas alles, was das Musikerherz begehrt: Von einer Triangel für 1,90 Euro bis zu einem Konzertflügel von Schimmel für 172.800 Euro werden hier Rocker, Jazzer und auch klassische Musiker fündig.

Seit 2010 ist die Firmenzentrale des Music Store in Köln-Kalk, Bild: Raimond Spekking
Seit 2010 ist die Firmenzentrale des Music Store in Köln-Kalk, Bild: Raimond Spekking

Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1972 an der Bonner Straße in Köln, 1985 erfolgte der Umzug in die Budengasse, mitten in das Herz der Stadt. Dort wurden nacheinander umliegende Ladenlokale übernommen. Doch die verwinkelte Kölner Altstadt bot keine weiteren Expansionsmöglichkeiten. Daher zog der Music Store im Jahr 2010 in das riesige Gebäude an der Istanbulstraße in Kalk, fast direkt am Kalkberg.

30.000 Euro Belohnung

Seit dem Diebstahl der Gitarren im Jahr 2007, noch in dem Ladenlokal an der Budengasse, ist keine der Gitarren wieder aufgetaucht, es gibt auch keine heiße Spur.

Doch der Music Store gibt auch nach 17 Jahren nicht auf. Für die Wiederbeschaffung zahlt das Unternehmen nach wie vor eine Belohnung von 30.000 Euro, falls jemand alle Gitarren wiederbeschafft. Führen die Hinweise nur zu einem Teil der Gitarren, wird die Belohnung entsprechend anteilig ausgezahlt.

Und es wäre doch schön, wenn diese tollen Gitarren wieder gespielt werden könnten, statt in irgendeinem Keller zu verstauben.
Alle Hinweise bitte direkt an den Music Store. 


Weitere Exemplare der gestohlenen Gitarren (Auswahl)

Gibson CS Ltd. Run '67 Jimi Hendrix Flying V | Seriennummer: Jimi217, Bild: Music Store
Gibson CS Ltd. Run ’67 Jimi Hendrix Flying V | Seriennummer: Jimi217, Bild: Music Store
Gretsch CS Victory Song Guitar G6120 | Seriennummer: CF409, Bild: Music Store
Gretsch CS Victory Song Guitar G6120 | Seriennummer: CF409, Bild: Music Store

CS Eddie Van Halen Frankenstein Replica | Seriennummer: XN87649, Bild: Music Store

CS Eddie Van Halen Frankenstein Replica | Seriennummer: XN87649, Bild: Music Store

Fender CS Barbed Wire Esquire RW | Seriennummer: CF230 (03/12/05), Bild: Music Store
Fender CS Barbed Wire Esquire RW | Seriennummer: CF230 (03/12/05), Bild: Music Store
Fender CS LTD '68 Pink Paisley Strat | Seriennummer: R32266, Bild: Music Store
Fender CS LTD ’68 Pink Paisley Strat | Seriennummer: R32266, Bild: Music Store

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Peco Bauwens – Fußballfunktionär im NS-Regime und auch nach 1945

Peter Joseph „Peco“ Bauwens, hier im Jahr 1928, Bild: gemeinfrei
Peter Joseph „Peco“ Bauwens, hier im Jahr 1928, Bild: gemeinfrei

Es war am 6. Juli 1954, zwei Tage nach Endspiel der Fußball WM in Bern. Nicht wenige halten dieses Fußballspiel für den eigentlichen „Gründungstag“ der Bundesrepublik Deutschland. Der Titelgewinn löste damals ein „Wir-sind-wieder-wer“-Gefühl aus.

Und im Überschwang dieser Gefühle hielt Peter Joseph „Peco“ Bauwens, erster Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), im Münchener Löwenbräukeller eine Rede.1In diesem Lokal fanden auch von 1940 bis 1943 Versammlungen der NSDAP anlässlich des Jahrestages des Hitlerputsches von 1923 statt. Der Tonfall der Rede erinnerte den Redakteur des Bayerischen Rundfunks Wolf Posselt fatal an das so gerade einmal vor neun Jahren  grandios gescheiterte „1000-Jährige Reich“ .

Peco Bauwens wörtlich:2Ein Transkript der Rede ist hier verfügbar: https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/45594/ssoar-hsr-trans-2015-27-blecking-Die_Rede_des_Fuball-Bund_Prasidenten.pdf?sequence=1

„ … und da haben die Jungens es wirklich gezeigt, was ein gesunder Deutscher, der treu zu seinem Land steht, zu leisten vermag. Sie haben in dem Land des Tells daran gedacht „ans Vaterland, ans Teure schliess Dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen und hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft. …“3Bauwens zitiert hier Schiller, Wilhelm Tell

„… dieser Repräsentanz besten Deutschtums im Ausland …“

„ … ausnahmsweise vom Führerprinzip im guten Sinne des Wortes …“.

Das war dann auch dem Bayerischen Rundfunk zu viel. Die Live-Übertragung der Rede wurde nach wenigen Minuten mit dem Hinweis, dass die Sendezeit verstrichen sei, schlichtweg abgebrochen. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete Bauwens Auftritt als „Entgleiste Rede“, und auch Bundespräsident Theodor Heuss missbilligte öffentlich die Aussagen Bauwens.

„Ein zuverlässiger Sekundant des Regimes“

Dass ausgerechnet Bauwens sich nationalsozialistischer Terminologie bediente, hätte aber niemand verwundern dürfen. Das Bauwens-Familienunternehmen profitierte von lukrativen Bauaufträgen des NS-Unrechtsregimes und betrieb ein Zwangsarbeiterlager.4ZDF History: „Das dunkle Erbe“, https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x-history/das-dunkle-erbe–nazis-im-deutschen-fussball-100.html, abgerufen am 06.07.2024 Peco Bauwens erwies sich stets „.. als ein zuverlässiger Sekundant des Regimes.“5Björn Thomann, „Peco Bauwens, Ehrenpräsident des Deutschen Fußball Bundes (1886-1963)“ Portal Rheinische Geschichte, https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peco-bauwens-/DE-2086/lido/57c575e63f36a2.92887888. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP währte allerdings nur ein Jahr. Bauwens wurde wegen seiner jüdischen Frau Elise Bauwens, geborene Gidion, wieder aus der Partei ausgeschlossen.

Todesanzeige von Elise Bauwens in der Kölnischen Zeitung vom 17. September 1940
Todesanzeige von Elise Bauwens in der Kölnischen Zeitung vom 17. September 1940

Elise Bauwens beging am 16. September 1940 Selbstmord. Björn Thomann weist in seinem Artikel „Peco Bauwens, Ehrenpräsident des Deutschen Fußball Bundes (1886-1963)“ auf die ungeklärten Umstände dieses Suizids hin:

„Am 16.9.1940 be­ging Elise Bau­wens Selbst­mord, die Hin­ter­grün­de wer­fen noch im­mer Fra­gen auf. Zwei­fels­oh­ne sah sie sich durch das na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Re­gime ei­nem star­ken psy­chi­schen Druck aus­ge­setzt. Pe­co Bau­wens ver­wies nach 1945 stets auf den Sui­zid sei­ner Ehe­frau, um sich selbst als ein Op­fer des „Drit­ten Rei­ches“ dar­zu­stel­len und sei­nen Kri­ti­kern ent­ge­gen­zu­tre­ten, die ihm ei­ne zu ge­rin­ge Dis­tanz zum Na­tio­nal­so­zia­lis­mus at­tes­tier­ten.“6Portal Rheinische Geschichte, https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peco-bauwens-/DE-2086/lido/57c575e63f36a2.92887888

Den Selbstmord seiner Frau führte Peco Bauwens nach dem Krieg immer wieder an, um sich als ein Op­fer des Regimes dar­zu­stel­len. Auch in einem Brief im Herbst 1945 an FIFA Präsident Jules Rimet betont Bauwens seine Rolle als Gegner des NS-Regimes:

„Wäre ich nicht der schlechteste Mensch der Welt, wenn ich auch nur die kleinsten Handlangerdienste für diejenigen getätigt hätte, die meine Frau auf dem Gewissen haben?“

Tatsächlich kann bezweifelt werden, dass Bauwens, dem zahlreiche außereheliche Affären nachgesagt wurden, stark um seine Frau getrauert hat. Sein bereits 1948 verstorbener Sohn Pe­ter-Franz sah die Ursache für den Freitod seiner Mutter auch weniger in den Repressalien der Nationalsozialisten als mehr im Verhalten des Vaters. „Er hat Mutter auf dem Gewissen.“ so Peter Franz Bauwens.7Arthur Heinrich: „Eine saubere Geschichte“, DIE ZEIT vom 16.03.2006 Nr.12, https://www.zeit.de/2006/12/A-Bauwens/komplettansicht, abgerufen am 09.07.2024

Im Mai 1951 hei­ra­te­te Peco Bauwens die Witwe Jo­han­na Eleo­no­re Schult­heiss.

„Proletensport Fußball“ in der Kindheit

Geboren wurde Peter Joseph „Peco“ Bauwens am Heiligabend 1886 in Köln. Sein Vater war der erfolgreiche Bauunternehmer Peter Bauwens. Im Alter von zehn Jahren wurde „Peco“ bei einem Unfall mit einer Kutsche schwer verletzt, es drohte die Amputation des linken Beins. Zur Genesung sollte der Junge Sport treiben. Fußball erwies sich als ideal.

Dass ausgerechnet der Spross einer Oberschichten-Familie den „Proletensport“ Fußball betrieb, war außergewöhnlich. Immer wieder betonte Bauwens, dass er, von immerhin 600 Schülern in seiner Schule, der einzige war, der of­fi­zi­ell Fuß­ball spie­len durfte.

Nach bestandenem Abitur studiert Bauwens zunächst Rechtswissenschaften in Berlin, anschließend in Bonn. Für die von ihm behauptete Promotion in Leipzig zum „Doktor der Rechte“ gibt es keine Belege, weder im Universitätsmatrikel, noch in der Hörerliste oder im Promotionsbuch der Juristischen Fakultät. Und auch im „Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums“ sucht man die Dissertation des Peter Joseph Bauwens vergeblich.

Aktiver Fußballer und erfolgreicher Schiedsrichter

Nachweisbar sind hingegen seine Erfolge als Fußballer. Der Stürmer spielte für den VfL Köln 1899. Am 16. Mai 1910 lief Bauwens für die deutsche Nationalmannschaft auf. Die 0:3 Niederlage gegen Belgien sollte sein einziges Länderspiel als aktiver Fußballer bleiben.

Bauwens bei den Olympischen Spielen in 1928 in Amsterdam, Fotograf unbekannt
Bauwens (ganz rechts) bei den Olympischen Spielen in 1928 in Amsterdam, Fotograf unbekannt

Erfolgreicher war seine Karriere als Schiedsrichter. In den Jahren zwischen 1920 und 1930 war Bauwens einer der besten deutschen Schiedsrichter. Bauwens leitete 82 Länderspiele, darunter auch das Finale des Olym­pi­schen Fuß­ball­tur­niers 1936 in Ber­lin.

Das „Endspiel ohne Ende“

Durchaus kurios war das von ihm geleitete Spiel End­spiel um die Deut­sche Meis­ter­schaft 1921/22 zwi­schen dem HSV und dem 1. FC Nürn­berg: Das Spiel dauerte insgesamt satte 294 Minuten.

Ein Elfmeterschießen war damals noch nicht vorgesehen. Die Regeln sahen bei Gleichstand eine Verlängerung von 2 x 15 Minuten vor. Sollte es danach immer noch unentschieden stehen, gab es eine weitere Verlängerung von 15 Minuten. Und danach noch eine Verlängerung. Und danach noch eine Verlängerung – solange, bis es einen Sieger gab. Eventuell also auch unendlich.

Die Zeitung "Wochenbild" (Ausgabe Nr. 25/1922) zum „Endspiel ohne Ende“
Die Zeitung „Wochenbild“ (Ausgabe Nr. 25/1922) zum „Endspiel ohne Ende“

Als es zwischen den Hamburgern und den Nürnbergern am 18. Juni 1922 in der 189 Minute (!) immer noch unentschieden stand, pfiff Schiedsrichter Peco Bauwens das Spiel wegen der einbrechenden Dunkelheit ab. Etwa sieben Wochen später gab es ein Wiederholungsspiel. Doch auch dieses ging in die Verlängerung. In dieser Verlängerung waren die Nürnberger nur noch zu sieben Mann auf dem Platz: Zwei Spieler hatten die Rote Karte gesehen, zwei Spieler schieden verletzt aus.

Da das Regelwerk aber vorschrieb, dass jede Mannschaft mit mindestens acht Mann auf dem Platz zu stehen hatte8Damals gab es noch keine Auswechslungen, die Startformation musste das Spiel zu Ende spielen. pfiff Bauwens das Spiel ab und wertete es eigenmächtig als Sieg für den HSV. Diese Entscheidung wurde später kassiert – die Saison 1921/22 wird in den DFB-Statistiken „ohne Meister“ geführt.

Peco Bauwens als Unternehmer

Bauwens trat 1913 in das elterliche Bauunternehmen ein. Dieses wurde, nach dem Tod seines Vaters, von seinen beiden älteren Brüdern Camillus und Jean Bauwens geleitet. Peco Bauwens übernahm die Verantwortung der „Ostabteilung“ mit Nie­der­las­sun­gen unter anderem in Kö­nigs­berg und Po­sen.

In der Chronik des Unternehmens9https://www.bauwens.de/chronik, abgerufen am 10. Juli 2024 wird die Geschichte des Unternehmens in sechs Blöcken unterteilt. Der Block „1873 bis 1929“ wird vom Unternehmen selbst wie folgt beschrieben:

„Die Anfangszeit nach der Gründung ist geprägt von rascher Expansion, die sich über das gesamte ehemalige deutsche Reichsgebiet erstreckt.“

Die beiden älteren Brüder melden sich im Ersten Weltkrieg freiwillig zum Militärdienst10Arthur Heinrich: „Eine saubere Geschichte“, DIE ZEIT vom 16.03.2006 Nr.12, https://www.zeit.de/2006/12/A-Bauwens/komplettansicht, abgerufen am 09.07.2024, Peco Bauwens leitet die Firma alleine.

In dieser Phase, insbesondere in der Zeit von 1914 bis 1918, baute das Unternehmen vorrangig stra­te­gisch be­deu­ten­de Ver­tei­di­gungs­anlagen. Später, in den 1920er Jah­ren, spezialisierte sich das Bauunternehmen auf Großprojekte, wie zum Beispiel den Bau der Au­to­bahn­stre­cke Köln-Bonn oder die neuen Ford-Werke in Köln-Merkenich.

Die Ford-Werke in der Zeitung "Der Mittag", Ausgabe Nr. 134 vom 11. Juni 1931
Die Ford-Werke in der Zeitung „Der Mittag“, Ausgabe Nr. 134 vom 11. Juni 1931

Der nächste Block der Firmenchronik fasst die Jahre von 1930 bis 1979 zusammen, eine durchaus bemerkenswerte Auswahl der Zeitspanne. In der Firmenchronik dazu lautet es:

„Trotz der Widrigkeiten, die von allen einen großen Willen zum Neubeginn erfordern, entwickelt sich Bauwens zielstrebig weiter.“

Ein Hinweis, dass in den Kriegsjahren Zwangsarbeiter im Unternehmen beschäftigt wurden, fehlt. Auf Nachfrage der Macher der Dokumentation „ZDF History: „Das dunkle Erbe – Nazis im deutschen Fußball“11ZDF History: „Das dunkle Erbe“, https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x-history/das-dunkle-erbe–nazis-im-deutschen-fussball-100.html, abgerufen am 06.07.2024 antwortet das Unternehmen:

„Der Firma Bauwens liegen aus den 40er Jahren keine eigenen Akten vor, die Hinweise geben, dass die Firma Bauwens Zwangsarbeiter beschäftigt hatte. Es gibt jedoch andere Quellenangaben, die darstellen, dass bei der Firma Bauwens möglicherweise acht oder gar die von ihnen benannten 100 Personen zwangsbeschäftigt waren.“

Heute12Stand: 10. Juli 2024 ist das Unternehmen Bauwens mit 490 Mitarbeitern an sechs Standorten in Deutschland tätig. Die Website weist stolz auf „3,3 Mrd. € anteilig betreutes Projektentwicklungsvolumen inkl. Joint Ventures zum 31.03.2024“ hin.13Unternehmenswebsite
Bauwens GmbH & Co. KG, https://www.bauwens.de/ueber-uns, abgerufen am 10. Juli 2024

Erfolgreich als Funktionär

Noch während seiner aktiven Zeit als Schiedsrichter verfolgte Peco Bauwens eine Karriere als Fußballfunktionär. Finanziell war er durch das Bauunternehmen abgesichert. Der DFB schreibt in seinem Nachruf „Der selbstbewusste Mann lebte für den Sport, aber nie vom Sport, der ihm aber zu einer gewissen Popularität verhalf.“14Peco Bauwens – Der Schiedsrichter mit dem offenen Wort“, https://www.dfb.de/index.php?id=1000653, abgerufen am 7. Juli 2024

Peco Bauwens (in der Mitte, mit Mantel.) beglückwünscht 1936 den Meister in der Bezirksklasse SV Beuel, Bild: Archiv SV 06 Beuel
Peco Bauwens (in der Mitte, mit Mantel.) beglückwünscht 1936 den Meister in der Bezirksklasse SV Beuel, Bild: Archiv SV 06 Beuel

Schon 1932 wurde er in das Exe­ku­tiv­ko­mi­tee der FI­FA ge­wählt. Sein Ziel war, dem DFB, damals die größte Sportorganisation der Welt, in dieser Organisation ein größeres Gewicht zu Ungunsten der kleineren Verbände zu verschaffen. Gleichzeitig versuchte er, noch nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, die WM 1942 nach Deutschland zu holen. Beides vergeblich. Stattdessen wurde er selber im Mai 1945 aus dem Exe­ku­tiv­ko­mi­tee der FI­FA ausgeschlossen. Sein Protest dagegen blieb erfolglos.

Ganz anders seine Karriere beim DFB: Von 1950 bis 1962 war Peco Bauwens Präsident des DFB. Unter seiner Führung wurde der DFB bereits im September 1950 wieder Mitglied der FIFA. Der völlig überraschende Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 war somit auch ein Triumph für Peco Bauwens.

„Fußball ist kein Frauensport“

Unter seiner Führung wurde der Frauenfußball verboten. In einer Erklärung des DFB zum Thema Frauenfußball vom 30. Juli 1955 lautet es:

„Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“

Den Vereinen wurde verboten, Damenfußballabteilungen aufzubauen oder Plätze zur Verfügung zu stellen. Peco Bauwens bezog auch unmissverständlich Stellung gegen den Frauenfußball: „Fußball ist kein Frauensport. Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen.“15Michael Bulla: Die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland. Norderstedt 2009

Zum Glück hatte Bauwens hier Unrecht: Die DFB-Frauen sollten 2003 und 2007 die Weltmeisterschaft und 1989, 1991, 1995, 1997, 2001, 2005, 2009 und 2013 die Europameisterschaft gewinnen. Und waren damit erfolgreicher als die Herrennationalmannschaft. 

Die Bauwens-Familiengrabstätte auf Melaten. Hier wurde auch Peco Bauwens erste Frau Elise bestattet. Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Die Bauwens-Familiengrabstätte auf Melaten. Hier wurde auch Peco Bauwens erste Frau Elise bestattet. Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Grab auf Melaten

Bauwens gab 1962 sein Amt als DFB-Präsident auf und wurde direkt zum Ehrenpräsidenten gewählt. Am 17. November 1963 starb Peco Bauwens. Er wurde in der Familiengrabstätte auf Melaten beigesetzt. Seine Sargträger waren Mitglieder der Weltmeisterschaft von 1954, unter anderem Horst Eckel, To­ni Tu­rek und Fritz Wal­ter.

Im Nachruf des DFB16„Peco Bauwens – Der Schiedsrichter mit dem offenen Wort“, https://www.dfb.de/index.php?id=1000653, abgerufen am 7. Juli 2024 auf den Ehrenpräsidenten lautet es

„ … gehört somit zu jenen Funktionären, die sowohl unter der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft als auch nach 1945 exponierte Ämter im Fußball ausübten.“

Somit bringt es auch der DFB auf den Punkt: Peco Bauwens war vor und nach dem Krieg in verantwortlicher Position. Dass es sich bei dieser Person um einen Verfolgten des Nazi-Regimes handelte, ist schwer zu glauben.

Umstrittene Peco-Bauwens-Allee in Müngersdorf

Im März 1967 wurde eine kleine Straße im Sportpark Müngersdorf nach Peco Bauwens benannt. Heute führt diese Straße zu verschiedenen Einrichtungen der Sporthochschule.

Die Peco-Bauwens-Allee in Müngersdorf, Bild: Uli Kievernagel
Die Peco-Bauwens-Allee in Müngersdorf, Bild: Uli Kievernagel

In der Sitzung vom 28. August 202317 Sitzung Bezirksvertretung 3 (Lindenthal)TOP 8.1.5 Ö: Überprüfung von Straßennamen auf nationalsozialistischen Vergangenheit hat die Bezirksvertretung Lindenthal auf Antrag aller Fraktionen und Einzelmandatsträger – mit Ausnahme der AfD – eine Überprüfung von Straßennamen auf nationalsozialistische Vergangenheit beschlossen. Zu diesem Prüfauftrag gehört auch die Peco-Bauwens-Allee.

Das Ergebnis dieser Überprüfung steht noch aus.


In eigener Sache

Ich habe diesen Artikel im Juli 2024 und noch einmal im August 2024 der Pressestelle der Bauwens GmbH & Co. KG vorgelegt. Der Artikel wurde zwar abgerufen, es erfolgte aber keine Reaktion. 


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Ghosttrain – der etwas andere Geisterzug am Heumarkt

Die leere, verlassene Station Heumarkt. Und trotzdem fährt eine Bahn durch. Zumindest akustisch. Bild: Uli Kievernagel
Die leere, verlassene Station Heumarkt. Und trotzdem fährt eine Bahn durch. Zumindest akustisch. Bild: Uli Kievernagel

Um gleich die Erwartungen zu dämpfen: NEIN – es geht nicht um „den“ Geisterzug. Sondern um einen ganz anderen Geisterzug: Den Ghosttrain. Dieser Ghosttrain ist auch nicht nur an Karnevalssamstag unterwegs, sondern täglich. Nur leider  kann man ihn nicht sehen. Nur hören. Und sich wundern.

Nächster Zug: Bitte Zugbeschilderung beachten

Haltestelle Heumarkt, jeden Tag, irgendwann zwischen 20 Uhr und 0 Uhr: Die in Köln bestens bekannte Stimme der KVB kündigt einen Zug an: „Nächster Zug: Bitte Zugbeschilderung beachten.“ Auf der Anzeigentafel erscheint „Sonderzug! Bitte nicht einsteigen“.

Und dann rattert eine durchaus flotte Bahn durch die Haltestelle. Zumindest hört man diese Bahn. Zu sehen ist nichts. Garnichts. Nach zehn Sekunden ist der Spuk vorbei. Und man fragt sich: Was war das denn?

Lautsprecher an!  So hört sich der Ghosttrain an:

Kunstprojekt Ghost Train

Es handelt sich dabei um ein Kunstprojekt des Wiener Künstlers Werner Reiterer (*1964). Dabei fährt ein Geisterzug durch die Haltstelle, lediglich angekündigt durch eine Durchsage und das Geräusch des Zugs.

Dafür wurde zunächst mit 28 Mikrofonen das Geräusch einer durchfahrenden Bahn aufgenommen. Dann wurden  28 Lautsprecher an der Bordsteinunterkante des Bahnsteiges montiert, die für den wartenden Fahrgast unsichtbar sind.

Und täglich, irgendwann zwischen 20 Uhr und 0 Uhr ist es dann soweit: Die Ankündigung ertönt und der Zug fährt durch. Zumindest akustisch. Zu sehen ist nichts. Besonders trickreich: Es gibt keinen festen Fahrplan für den Ghosttrain. Die Fahrt wird von einem Zufallsgenerator ausgelöst. Es ist lediglich technisch sichergestellt, dass der Ghosttrain nur fährt, wenn sich kein anderer Zug in der Haltstellle befindet. Genau dieses „irritierende Moment“ ist erwünscht.

Spiegelung der flüchtigen Mobilität

Dieser Ghosttrain soll, so der Künstler, die flüchtige Mobilität spiegeln. Reiterer spricht hier von einem „Platzebo“, einem Kunstwort aus „Platz“ und „Placebo“. Dieser Platzebo soll einen realen Platz mit einer vermeintlich tatsächlich existierenden, neuen Realität manipulieren.

Dabei ist es dem Künstler wichtig, dass nicht der von ihm bewusst gesetzte Platzebo das Thema ist, sondern der Prozess, der durch ihn ausgelöst wird: Das darüber Sprechen und die daraus resultierende Entwicklung von Gerüchten sollen der eigentliche Effekt sein. Damit sich dieser Effekt nicht abnutzt, fährt der Ghosttrain nur einmal jeden Abend – zu einer vom Zufall bestimmten Zeit. Werner Reiterer dazu:

„Jemand der also das Glück haben sollte, die Arbeit in kurzer Zeit mehrmals zu erleben, sollte unbedingt mit Lotto-Spielen anfangen.“

Die attraktive und riesige Zwischenebene der Haltstelle Heumarkt. Gut zu erkennen: Falls es jemals eine Ost-West-U-Bahn geben sollte, sind die Bahnsteige bereits vorbereitet, Bild: Uli Kievernagel
Die attraktive und riesige Zwischenebene der Haltstelle Heumarkt. Gut zu erkennen: Falls es jemals eine Ost-West-U-Bahn geben sollte, sind die Bahnsteige bereits vorbereitet, Bild: Uli Kievernagel

Stationen sollen zum Anziehungspunkt werden

Die Installation Ghosttrain ist Teil eines Wettbewerbs der Kölner Verkehrs Betriebe zur Gestaltung der Haltestellen der neuen Nord-Süd-Bahn. Das dafür bereitgestellte Budget wurde vom Rat auf 1,75 Millionen Euro festgesetzt. Der KVB-Vorstand verspricht sich von den Kunstwerken: „Die hochwertigen und spannenden Entwürfe der ausgewählten namhaften Künstler lassen erwarten, dass die Stationen nicht nur zum Ein-, Um- und Aussteigen genutzt werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass sie auch zu einem Anziehungspunkt für Menschen werden, die ein Interesse an Kunst haben und die Kunstwerke im Untergrund betrachten möchten.

Weitere Kunstwerke der neuen Nord-Süd-Bahn sind die großformatigen Wandmalereien am Chlodwigplatz, eine künstlerische Darstellung des Schriftzugs WANDGESTALTUNGNORDSÜDSTADTBAHNKÖLN in der Station Rathaus sowie die Live-Übertragung von Bildern der Halsbandsittiche und der Alexandersittiche am Breslauer Platz und die „Kölner Köpfe“ am Apellhofplatz.

Dank dieser Kunstwerke ist Köln zumindest im Untergrund sehenswert.


Falls ihr sehen wollt, wie es aussieht, wenn man den Ghosttrain zwar hört aber nicht sehen kann, schaut euch dieses Video von Ralph Sterck (ehemaliger Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion im Rat der Stadt Köln) an.


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