Die Entschuttung des Gürzenichs: Vom Aprilscherz zur Realität

Das Dreigestirn der Session 1949 mit Schüpp und Hau am Gürzenich. Bild: koelner-karneval.info
Das Dreigestirn der Session 1949 mit Schüpp und Hau am Gürzenich. Bild: koelner-karneval.info

Immer wieder schicken einen nette Mitmenschen „in den April“. Woher der Brauch kommt, ist unklar. Aber die lustigen Ideen der Zeitungen, im Fernsehen und im Radio sorgen immer wieder für Lacher – egal, ob es um Spaghetti-Bäume oder fliegende Pinguine geht. Ein ganz besonderer Coup zum 1. April 1949 ist dem damaligen Kölner Dreigestirn gelungen.  Ein Aprilscherz in fünf Akten:

1. Akt: Ein Gespräch wird belauscht – angeblich

Am 31. März 1949 erschien ein anonymer Leserbrief in der Kölnischen Rundschau. Ein aufmerksamer Leser behauptete, in einer Gaststätte zufällig ein Gespräch des Kölner Dreigestirns belauscht zu haben. Ein Gespräch, welches es nie gegeben hat.

Angeblich hätten Prinz Theo I. (Theo Röhrig), Bauer Andreas (Andreas Müller) und Jungfrau Friedel (Fred Reulen) Pläne für die nahe Zukunft geschmiedet: Man würde mit „Schüpp un Hau“ zum zerstörten Gürzenich gehen und den Schutt dort wegräumen um „… auch im grauen Alltag etwas für die Stadt Köln zu tun.“

Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild: U.S. Department of Defense
Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild:
U.S. Department of Defense

Und grau war der Alltag im Jahr 1949 in Köln tatsächlich. Ausgebombte Ruinen säumen die notdürftig freigeräumten Straßen. Der größte Teil aller Häuser wurde zerstört. Alle Menschen sehnen sich nach Normalität, und dazu hat auch der Karneval beigetragen: Im Williams-Bau finden seit 1947 erste Karnevalssitzungen und Bälle statt, und im Februar 1949 geht der erste Rosenmontagszug durch Köln – wegen der kritischen britischen Besatzer nicht als „D´r Zoch“ sondern als „Erweiterte Kappenfahrt“1[Dieser Titel erinnert an den ersten Rosenmontagszug nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1927, der ebenfalls den damaligen britischen Besatzern als „Kappenfahrt“ verkauft wurde.] durch die in Trümmern liegende Stadt.

In dieser grauen Zeiten sind positive Nachrichten sehr willkommen. Deswegen erregt der als Aprilscherz gedachte Leserbrief über die angebliche Aktion des Dreigestirns eine hohe Aufmerksamkeit.

Prinz Theo I., Bauer Andreas und Jungfrau Friedel bei der Arbeit am Gürzenich, Bild: Bild: koelner-karneval.info
Prinz Theo I., Bauer Andreas und Jungfrau Friedel bei der Arbeit am Gürzenich, Bild: koelner-karneval.info

2. Akt: Das Dreigestirn nimmt den Ball auf

Auch Prinz Theo I. liest in der Zeitung den Bericht über die angebliche Entschuttung des Gürzenichs und fasst sofort einen Plan: „Mer mache dat!“. Eilig werden Bauer und Jungfrau eingebunden, ein Lastwagen wird organisiert und siehe da: Am 1. April um 11 Uhr stehen die drei am Gürzenich und fangen eifrig an, Schutt zu schippen.

Regierungspräsident Wilhelm Warsch gratuliert dem Dreigestirn, Bild: koelner-karneval.info
Regierungspräsident Wilhelm Warsch gratuliert dem Dreigestirn, Bild: koelner-karneval.info

3. Akt: Auch die Medien und die Politik wollen mit dabei sein

Selbstverständlich sollte diese Aktion nicht geheim bleiben. So drängen sich am 1. April bereits die vorab informierten Reporter mit ihren Kameras vor dem Gürzenich. Und wo Kameras sind, sind auch die Politiker nicht weit entfernt. Regierungspräsident Wilhelm Warsch freute ich darüber, dass „aus einem Aprilscherz eine so beziehungsvolle Wirklichkeit geworden sei.“

4. Akt: Die ganze Stadt zieht nach

Die Entschuttung des Gürzenichs wird zu einem stadtweiten Anliegen. Karnevalsgesellschaften, Sportvereine, Unternehmen und einzelne Bürger kommen mit Schüpp und Hau zum Gürzenich. Auch Menschen, die selber in einfachsten Behausungen leben müssen, fassen mit an, um „Kölns gute Stube“ wieder zu einem Festsaal zu machen.

So wurde das Karnevalsmotto der 1949er Session

„Mer sin widder do un dun, wat mer künne.“

gelebte Realität in einer vom Krieg schwer gezeichneten Stadt. Im Zuge der Dynamik dieses Aprilscherzes beschließt der Stadtrat zügig, den Gürzenich wieder aufzubauen.

Feierliche Wiedereröffnung des Gürzenichs am 2. Oktober 1955, Bundesarchiv, B 145 Bild-F002968-0007 / Unterberg, Rolf / CC-BY-SA 3.0
Feierliche Wiedereröffnung des Gürzenichs am 2. Oktober 1955, Bundesarchiv, B 145 Bild-F002968-0007 / Unterberg, Rolf / CC-BY-SA 3.0

5. Akt: Die Wieder-Einweihung des Gürzenichs

Es sollte noch ein paar Jahre dauern, aber am 2. Oktober 1955 war es endlich so weit: Der Gürzenich wurde wieder eingeweiht.

Und so führte ein Aprilscherz dazu, dass sich eine ganze Stadt organisierte, um „ihren“ Gürzenich wieder aufzubauen. Prinz Theo I. schrieb später dazu „Durch diesen Scherz wurde es offensichtlich, dass allen Bevölkerungsschichten Kölns der Wiederaufbau unserer guten, alten Stube mehr am Herzen liegt, als es die Stadtverwaltung und die Planer Kölns angenommen hatten.“

In diesem Sinne trifft sich das aktuelle Dreigestirn am Donnerstag, 1. April, um 11 Uhr an der Oper, um dort aufzuräumen. Um 13 Uhr geht es weiter an die Baustelle der Nord-Süd-Stadtbahn, damit es auch dort zügig weitergeht. Um 15 Uhr werden dann vom Bauer Fundamente für die Leverkusener Brücke gegossen, während Prinz und Jungfrau den hässlichen Musical-Dome abreißen. So kann es in unserer Stadt endlich mal vorangehen.


Der Gürzenich und Alt St. Alban: Orte der Gegensätze

 
Der Gürzenich und Alt St. Alban - Orte voller Gegensätze, Bilder: Köln-Kongress (Gürzenich), Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons (St. Alban)
Der Gürzenich und Alt St. Alban – Orte voller Gegensätze, Bilder: Köln-Kongress (Gürzenich), Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons (St. Alban)

In dem Gebäudekomplex des Gürzenichs ist auch die Ruine von Alt St. Alban als Mahnmal gegen den Krieg integriert. So liegen Freude und Trauer direkt nebeneinander.


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Kölsche Vornamen: Tünn, Drück, Züff & mehr

Kölsche Vornamen, Bild: Uli Kievernagel
Kölsche Vornamen, Bild: Uli Kievernagel

Es ist weit über die Stadtgrenzen bekannt, dass der kölsche „Jupp“ der hochdeutsche Josef ist. Und auch der „Tünn“ kann ohne große Schwierigkeiten als „Anton“ identifiziert werden. Kein Problem. Aber woher kommt der Döres? Wie heißt Drück auf hochdeutsch? Und wer is et Züff?

Lateinischer Klang im Mittelalter

Viele, aber bei weitem nicht alle der typisch kölschen Vornamen lassen sich aus der Latinisierung im Mittelalter herleiten. So war es durchaus üblich, Vornamen einen lateinischen Klang zu geben. So wurde aus dem Albert der Albertus, aus dem Jakob der Jakobus oder dem Reiner der Reinerus.

Damals gab es noch keine „Kölsche Sprache“ nach unserem heutigen Verständnis. Erst ab etwa dem frühen 17. Jahrhundert wurde in Köln zunehmend die sich entwickelnde neuhochdeutsche Schriftsprache verwendet. Einhergehend damit ist auch eine Trennung von gesprochener und geschriebener Sprache zu beobachten – die Kölner Mundart, wie wir sie heute kennen, entsteht. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war dann Kölsch die Umgangssprache in der Domstadt.

Und in dieser Umgangssprache wurden auch die Vornamen „verkölscht“. Bevorzugt aus den Endungen der vormals lateinischen Fassungen wurden die kölschen Namen gebildet: Der Theodorus wird zum „Döres“, der Jakobus zum „Köbes“ und der Albertus zum „Bätes“. Tatsächlich erklärt das nicht alle kölschen Namensschöpfungen. So ist insbesondere bei den weiblichen Vornamen festzustellen, dass diese meist stark verkürzt werden, oft auf eine einzige Silbe: Aus der Cäcilie wird et Zill oder aus der Katharina et Tring. Ein großes DANKE an meine kölsche Lieblingslyrikerin Juliane Poloczek für diesen Hinweis. 

Um eine Übersicht der kölschen Vornamen zu bekommen habe ich eine Liste zusammengestellt. Selbstverständlich ist diese Liste nicht vollständig. Habt ihr weitere Kölsche Namen? Schickt sie mir rüber. Ich ergänze diese Liste regelmäßig.

Traditionelle Namen bei heute Neugeborenen

Bei den heute Neugeborenen sind die alten Namen übrigens wieder in. Die Top-5 der Namen bei den kölschen Mädchen im Jahr 2020 lauten: Marie (Marieche), Sophie (Züff), Emilia, Maria (auch  Mariechen) und Emma. Bei den Jungs führt Noah vor Felix, Anton (Tünn), Jakob (Köbes) und Leon.


Liste Kölsche Namen

Adam = Addi

Ägidius = Jilles oder Gilles
auch Jiljen oder Jid, im ländlichen Bereich auch Gelis, Jelis, Gilliß, Gilleß, Giel, Egil, Gick

Agnes = Nieß

Andreas = Drickes

Anna-Maria = Annemie

Anna, Änne, Anja = Änn, Änni, Ännsche

 

Antonio "Tünn" Dos Santos, Wirt des "Brauhaus am Kloster" in Raderberg, Bild: Uli Kievernagel
Antonio „Tünn“ Dos Santos, Wirt des „Brauhaus am Kloster“ in Raderberg, Bild: Uli Kievernagel

Antonius, Anton = Tünn, Tünnes
Mein Lieblingswirt kommt aus Portugal und trägt den schönen Namen Antonio Dos Santos. In unserem Veedel ist er aber nur als der Tünn bekannt. Und dass er als Portugiese mit seiner sizilianischen Frau ein typisch Kölsches Brauhaus betreibt, wundert keinen. Auch dafür liebe ich mein Veedel.

 

Et Bärbelchen uss dem Hänneschen-Theater, Bild: Hänneschen-Theater
Et Bärbelchen uss dem Hänneschen-Theater, Bild: Hänneschen-Theater

Appolonia = Plünn

Arnold = Nöll

Barbara = Bärbelche
Et Bärbelchen ist eine der wichtigsten Figuren im Hänneschen-Theater. Dabei spielt sie eine Doppelrolle: In den Aufführungen für Kinder ist sie die Schwester vom Hänneschen, in den Abendstücken für die Erwachsenen die Geliebte und Verlobte vom Hänneschen.

Bartholomäus = Bätes

Bernhard = Bätes

Bruno = Pünn

Cäcilie, Cäzilie = Zill, Zilla, Zilli, Zillche
Die Bühnenspielgemeinschaft „Cäcilia Wolkenburg“ ist eine „Tochter“ des Kölner Männer-Gesang-Vereins und bringt jedes Jahr das Divertissementchen auf die Bühne. Die Kölschen nennen das Divertissementchen liebevoll „Zillchen“.

Christian = Chriss, Kreß

Christina = Stina
Die wohl bekannteste Stina spielt die Hauptrolle in Willi Ostermanns Lied „Et Stina muß ’ne Mann han, et weed die höchste Zick!“ Dort lautet es weiter
„Et Stina muß ’ne Mann han, söns wähde mer’t nit mie quitt
Et Stina muß ’ne Mann han, ov alt hä oder jung,
denn bliev et Stina setze, wör’t schad för dat Fazzung.“

 

Cornel Wachter, Künstler, bekennender Kölner und Fortuna-Fan, Bild: Cornel Wachter
Cornel Wachter, Künstler, bekennender Kölner und Fortuna-Fan, Bild: Cornel Wachter

Cornelius = Nelles, Cornel
Immer aktiv für seine Stadt: Der renommierte Künstler Cornel Wachter aus der Südstadt.  

Elisabet = Liß, Liss, Lissbätt

Georg = Schosch oder Schorsch

Gertrud = Truud, Traudt, Draut, Traudtsche, Drück, Drügg

Gregor = Görres1Ein großes DANKE an Rainer für diessen Hinweis.
Der deutsche Gregor war im lateinischen der Gregorius. Nimmt man nun, wie bei so vielen Namen, die erste Silbe weg, bleibt “Gorius“. Ein historisch bedingter Lautwandel macht aus dem „o“ ein „ö“ und dann ist es nur noch ein kleiner Weg zum „Görres“.

Dat Spillche vun Jan und Griet vom Reiter-Korps Jan von Werth, zu sehen jedes Jahr an Wieverfastelovend an d´r Vringsporz, Bild: Uli Kievernagel
Dat Spillche vun Jan und Griet vom Reiter-Korps Jan von Werth, zu sehen jedes Jahr an Wieverfastelovend an d´r Vringsporz, Bild: Uli Kievernagel

Grete, Margret = Griet, Jriet
Die Marktverkäuferin Griet spielt alljährlich die weibliche Hauptrolle im Spillche vun Jan und Griet vom Reiter-Korps Jan von Werth, zu sehen jedes Jahr an Wieverfastelovend an d´r Vringsporz.

 

Hans "Jean" Löring
Hans „Jean“ Löring, Bild: Deutscher Fußball-Bund

Hans = Schäng
Hier denkt nicht nur jeder Fan von Fortuna Köln natürlich sofort an den Präsident und Mäzen des Vereins: Hans „Jean“ Löring, genannt „Schäng“.

Heinrich, Heinz = Hein, Drickes

Herbert = Bätes, Bäätes
Der Herbert ist einer der vielen Namen die auf -bert enden und im Kölschen einheitlich zum Bätes oder Bäätes werden.

 

Speimanes, der mit der feuchten Aussprache, Bild: Hänneschen-Theater
Speimanes, der mit der feuchten Aussprache, Bild: Hänneschen-Theater

Hermann = Manes
Ein sehr bekannter „Manes“ ist Hermann Speichel, besser bekannt als Speimanes aus dem Hänneschen. Der Speimanes stottert, hat einen Buckel und spuckt, insbesondere beim „B“ und beim „P“. 

Norbert = Bäätes

 

Ein Köbes bei der Arbeit, Bild: Privatbrauerei Gaffel
Ein Köbes bei der Arbeit, Bild: Privatbrauerei Gaffel

Jakob = Köbes
Köbes ist auch der Sammelbegriff für die Bedienung im Brauhaus. Wobei „Bedienung“ nicht der korrekte Begriff ist: Nicht der Gast, sondern der Köbes ist König. Er alleine entscheidet, ob und wann man das nächste Kölsch bekommt.

 

Geißbock Hennes, Das Maskottchen des 1. FC Köln, hier Hennes VIII. mit seinem Betreuer Ingo Reipka, Bild: Nicola, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
Geißbock Hennes, das Maskottchen des 1. FC Köln, hier Hennes VIII. mit seinem Betreuer Ingo Reipka, Bild: Nicola, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Jean, Johann, Johannes = Hennes, Schäng, Hännesje
Dass der ruhmreiche 1. FC Köln auch weiter erfolgreich Fußball spielt, ist weniger den Akteuren auf dem Platz, sondern mehr dem Maskottchen neben dem Platz zu verdanken: Der Geißbock Hennes IX. sorgt für erfolgreichen Fußball.

Josef = Jupp

Julia = Jul

 

"Finchen", die legendäre Straßenbahn, Bild: ManuelFranz, CC BY-SA 4.0
„Finchen“, die legendäre Straßenbahn, Bild: Manuel Franz, CC BY-SA 4.0

Josefine, Josephine = Finche
Den Namen „Finchen“ trägt eine durchaus eigenwillige historische Straßenbahn aus dem Jahr 1911. Im Juni 2016 machte sich das Gefährt, nachdem der Fahrer nur kurz auf Toilette war, selbstständig und rollte ohne Fahrer etwa zwei Kilometer das abschüssige Stück vom Thielenbrucher Straßenbahn-Museum zum Dellbrücker Mauspfad. Aber Finchen war umsichtig: Niemand kam zu Schaden.

 

Die Karnevalsgesellschaft Schnüsse Tring von 1901, Bild: KG Schnüsse Tring
Die Karnevalsgesellschaft Schnüsse Tring von 1901, Bild: KG Schnüsse Tring

Katharina = Kättche, Tring
Et „Schnüsse Tring“ war ein selbstbewusstes Dienstmädchen aus Ossendorf. Der Komponist Joseph Roesberg widmete ihr bereits 1859 das „Lied der Schnüsse Tring“. Ihr zu Ehren wurde 1901 die Karnevalsgesellschaft „Schnüsse Tring“ gegründet.

Im Hänneschen stiftet et „Zänkmanns Kätt“ regelmäßig Unruhe. Die Dame sieht alles, hört alles und versteht trotzdem alles falsch.

Maria = Marie, Marieche

Maria Sibylla = Maritzebill

Marianne = Marielche, Mariejelchen
Ein sehr selbstbewusstes Mariejelchen besingen die Höhner in ihrem Hit „Ich ben ene Räuber“. Sie versetzt dem Macho Pitter nach nur einer gemeinsamen Nacht mit den Worten:
„Ich ben och ene Räuber, leeve Pitter.
Ben ne Räuber durch un durch.
Ich kann nit treu sin, läv en dr Daach ren.
Ich ben ne Räuber, maach mir kein Sorch.“

 

Der Zinte Mätes verteilt traditionell Weckmänner an die Pänz, Bild: Flammingo, CC BY-SA 3.0
Der Zinte Mätes verteilt traditionell Weckmänner an die Pänz, Bild: Flammingo, CC BY-SA 3.0

Martin = Mätes
Am 11.11. ist nicht nur Sessionsbeginn sondern auch „Zinte Mätes“ – Sankt Martin. Der Zinte Mätes verteilt dann traditionell Weckmänner an die Pänz.

Matthias = Mattes, Mattschö

Nikolaus, Klaus = Klööß

 

Der "Drüje Pitter" macht auf diesem Bild hier seinem Namen alle Ehre: Mit "drüsch" oder "drüg" meint der Kölsche "trocken", Bild: Uli Kievernagel
Der „Drüje Pitter“ macht auf diesem Bild hier seinem Namen alle Ehre: Mit „drüsch“ oder „drüg“ meint der Kölsche „trocken“, Bild: Uli Kievernagel

Peter = Pitter
Bitte nicht verwechseln: Der „Drüje Pitter“ ist ein Brunnen, der „Decke Pitter“ ist die Petrusglocke und das „Pittermännchen“ ist ein 10-Liter-Fass.

Sibylla, Sibille = Billa, Bill
Und alle Kölschen haben direkt die Melodie von Willi Ostermann im Kopf
„Jetz hät dat Schmitze Billa
en Poppelsdorf en Villa.
Et hät en eigen Huhs,
et Bill es fein eruhs!“

Sophia = Züff, Soffi

 

Der Kölner Oberbürgermeister Theo "Döres" Burauen, Bild: Bundesarchiv
Der Kölner Oberbürgermeister Theo „Döres“ Burauen, Bild: Bundesarchiv

Theodor = Düres, Döres, Düüres, Dööres
Ein ganz wichtiger Döres für Köln war der Kölner Oberbürgermeister Theo Burauen (geb. 1906, gestorben 1987). Der überaus beliebte Politiker wurde von den Kölnern nur „Döres“ genannt und hatte eine Menge Erfolge zu verbuchen, unter anderem den Neubau des Opernhauses, der Sporthochschule sowie der Severins– und Zoobrücke. Und der Döres hatte auch das legendäre Kamelrennen in Weidenpesch eingefädelt.

 

Eine Ursulabüste mit Schauöffnung. Die Büsten sind hohl, der Deckel in Form des Kopfes kann abgenommen werden. Gefüllt werden die Büsten mit einem Schädel oder anderen Knochen, Bild: Raimond Spekking
Eine Ursulabüste mit Schauöffnung. Die Büsten sind hohl, der Deckel in Form des Kopfes kann abgenommen werden. Gefüllt werden die Büsten mit einem Schädel oder anderen Knochen, Bild: Raimond Spekking

Ursula = Öschel
Das Martyrium der Heiligen Ursula und der damit verbundene Reliquienkult hat der Stadt viel Ruhm und Pilger und den Kölschen viel Geld gebracht.

Werner = Neeres, Neres

Wilhelm = Wellem, Will, Willi

Das Sankt Vinzenz-Hospitals in Nippes (2021), Bild: Sebastian Löder / CC BY 4.0
Das Sankt Vinzenz-Hospitals in Nippes (2021), Bild: Sebastian Löder / CC BY 4.0

Zenses = Vinzenz2Ein großes DANKE an Rainer für diessen Hinweis.
Der „berühmteste Vinzenz“ in Köln ist das St. Vinzenz-Hospital in Nippes. 


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Kölsche Tön & ihre Geschichte: „De Mösch“

En Mösch auf der Futtersuche, Bild: Lucas Weitzendorf, CC BY-SA 3.0
En Mösch auf der Futtersuche, Bild: Lucas Weitzendorf, CC BY-SA 3.0

Wie kütt die Mösch, die Mösch, die Mösch
Bei uns en de Köch?
Un setz sich medden op dr Desch?
Die Mösch, die Mösch, die Mösch!

Wat well die en dä Köch?
En Mösch hööt en dr Bösch!
Och, wenn se doch blöß wiggerflöch!
Die Mösch, die Mösch, die Mösch!

Willi Ostermann „De Mösch“

Da sitzt man friedlich am Mittagstisch und auf einmal kütt en Mösch (das ist das kölsche Wort für den Spatz) und setzt sich mitten auf den Tisch. In den 1930er Jahren wohl kein Einzelfall: Der Hunger trieb die Spatzen immer näher an die Menschen.

Hauptnahrungsmittel der Spatzen waren Pferdeäpfel. Durch den zunehmenden motorgetriebenen Verkehr ab etwa 1920 nahm der Anteil der Pferdefuhrwerke und somit auch die Menge der Pferdeäpfel auf den Straßen ab. Die Spatzen litten dermaßen an Hunger, dass sie jegliche Scheu verloren und bis in die Wohnungen flogen.

Verkehrswende verzweifelt gesucht 

Wichtige Kölner Erfinder, unter anderem auch Nicolaus Otto, haben den Weg dazu bereitet, dass das Auto erfolgreich den Weg zum Verkehrsmittel Nummer 1 in Köln geschafft hat. Ein Fakt, den viele engagierte Kommunalpolitiker heute gerne wieder zurückdrehen würden. Weniger, um wieder Pferdefuhrwerke auf die Straßen zu bringen, sondern mehr, um im Verkehrsmix das Fahrrad und den Öffentlichen Nahverkehr zu stärken.

Und das würde auch den Mösche gefallen.


Der Spatz vom Wallrafplatz im Video zu "De Mösch" von den Bläck Föös, Quelle: Bläck Föös
Der Spatz vom Wallrafplatz im Video zu „De Mösch“ von den Bläck Föös, Quelle: Bläck Föös

Der „Spatz vom Wallrafplatz“ als Gaststar im Video der Bläck Föös

In diesem Video der Bläck Fööss wird dem Spatz auf dem Meddagsdesch ein wunderschönes Denkmal gesetzt. Und Kenner sind sofort im Bild: Der herumfliegende Spatz ist der „Spatz vom Wallrafplatz“ aus der gleichnamigen Fernsehserie.

Von niemand geringerem als Maus-Erfinder Armin Maiwald erdacht, erkundete der neugierige Spatz vom Wallrafplatz Ende der 1960er bis Anfang der 1970er in 36 Folgen die Kölner Innenstadt.


Der Mösch
Willi Ostermann, 1931

Mer setzen des Meddags jewöhnlich en d’r Köch,
weil et do am schönsten es.

De Finster steiht op, op eimol flüch en Mösch
bei uns erenn un setz sich op d’r Desch.

Ehz loot se rächs, dann loot se links,
dann hät se noh däm Jraubrud jespinks.

Do sühß de’t, do häß de’t, ming Frau säht:
„Leeve Mann, süch dir dat bloß ens an!“

Refrain:
Wie kütt die Mösch, die Mösch, die Mösch
bei und en die Kösch?
Un setz sich medden op d’r Desch,
die Mösch, die Mösch, die Mösch.

Wat well die en d’r Kösch,
en Mösch höt en d’r Bösch.
Och wenn se doch bloß wigger flöch,
die Mösch, die Mösch, die Mösch.

En Mösch es nit ängslich, en Mösch jeiht op d’r Fang,
wenn se nix zo Pecken hät.

Die Mösch, die bei uns wor, die wor bestemmp nit bang.
Die hat op uns et avjesinn alt lang.

Die woß Bescheid, die floch nit fott,
stundelang soß se om Kaffeepott.

Dat mäht der jewess keine zweite Vuggel noh
un mer soße sprachlos do.

Wie kütt die Mösch, die Mösch, die Mösch….

Se fing an ze fresse, ming Frau säht: „Och wie nett.
Su e Koßhuus fählt dä jrad.

Zwei Woche wigger dann machen ich en Wett,
dat die paar Pund dann zojenommen hät.

Hör wie se piepsch, do wunders dich noch,
wo kritt die Mösch su jot un fett jekoch.

Die es d’rheim he, die friß sich satt
un gringk. Üvverflüssig wemm mer singk:

Wie kütt die Mösch, die Mösch, die Mösch…


Wie immer ein paar Erklärungen zu ausgewählten kölschen Wörtern

Meddags = Mittags

Desch = Tisch

Ehz loot se rächs, dann loot se links = Erst schaut sie rechts, dann schaut sie links,

Bösch = Die tatsächliche Übersetzung lautet „Wald“. Allerdings gib es Quellen, die in diesem speziellen Fall „Bösch“ mit „Busch“ übersetzen. Das wurde wahrscheinlich vorgenommen, um auch im Hochdeutschen den Reim zu retten. Korrekt ist aber tatsächlich die Übersetzung „Wald“.

nix zo Pecken hät = nichts zum Picken haben

bang = ängstlich

Vuggel = Vogel

Koßhuus = Kosthaus, ein Privathaushalt, in dem Kostgänger, in der Regel Arbeiter, gegen Bezahlung verköstigt werden 

gringk = grinst


Möschemännche

Von H. P. Welter aus Hürth kam noch die Ergänzung: Ein  ‚Möschemännche‘ ist jemand, der sich klein und unauffällig, aber munter unter andere Menschen mischt.

 


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Am 3. März 1933: Die Elsaßstraße wehrt sich gegen Nazis

Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsassstraße 42 - 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0
Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsaßstraße 42 – 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0

Podcast Elsaßstraße, 37

Blumentöpfe, Flaschen und jede Menge Müll flogen aus den Fenstern. Und auch so mancher Nachttopf – zum Teil mit Inhalt. Getroffen wurden damit die Richtigen: SA-Truppen, die am 3. März 1933, zwei Tage vor der Reichstagswahl, mit einem Fackelzug zeigen wollten, wer das Sagen auf den Straßen Kölns hat. Doch diese Machtdemonstration wurde zunächst jäh gestoppt. Kaum in der Elsaßstraße angekommen, mussten die vermeintlichen „Herrenmenschen“ Reißaus nehmen und sich vor den Wurfgeschossen aus den oberen Etagen in Sicherheit bringen.

Es war nicht verwunderlich, dass die Nationalsozialisten ausgerechnet auf der Elsaßstraße einen „op de Mütz“ bekommen haben. Galt doch diese Ecke der Südstadt als Hochburg der Kommunisten. Und genau hier wollte die SA mit dem braunen Aufmarsch provozieren. Womit die SA-Leute aber nicht gerechnet haben, war die Wehrhaftigkeit der Nachbarschaft. Und so wurde aus dem vermeintlichen Triumphmarsch ein Desaster, und die SA musste sich zurückziehen.

Festnahmen und verwüstete Wohnungen – ein Augenzeugenbericht

Allerdings war der Sieg über die Nationalsozialisten nur von kurzer Dauer und musste von den Bewohnern der Elsaßstraße teuer bezahlt werden: Die herbeigerufene Polizei riegelte den ganzen Straßenzug für drei Tage vollständig ab, die Wohnungen wurden durchsucht. Und die SA-Truppen als „Hilfspolizisten“ gingen dabei nicht gerade zimperlich mit Menschen und Mobiliar um. Das Ergebnis waren verwüstete Wohnungen und 70 Festnahmen.

Gedenktafel in der Elsaßstraße. Bild: Uli Kievernagel
Gedenktafel in der Elsaßstraße, Bild: Uli Kievernagel

 „Ich kam mit meiner Mutter aus dem Kolonialwarenladen, da hörten wir Marschmusik in unserer Straße. Dann begann auch schon die Schlacht.“, so der Zeitzeuge Franz Lottner (Jahrgang 1927)1Quelle: https://www.kirche-koeln.de/lutherkirche-erinnerung-an-den-wohl-letzten-strassenkampf-gegen-die-sa-im-damaligen-deutschen-reich-1933-in-der-koelner-elsassstrasse„Als alles vorbei war und die Polizei mit SS-Männern die Kontrolle übernommen hatte, wurde unsere Wohnungstür aufgebrochen. Ein SS-Mann mit Pistole kam herein und warf den Schrank um, in dem wir auch unser Geschirr aufbewahrten. Vieles zerbrach. Alle Bewohner der Elsaßstraße erhielten drei Tage Hausarrest. Die Kinder durften nicht zur Schule gehen. Wer nichts zu essen im Haus hatte, der hatte Pech gehabt und musste auf die Hilfsbereitschaft der Nachbarn hoffen.“

Kunstwerk ohne Genehmigung

Heute erinnert ein Graffito des 2009 verstorbenen Künstlers Klaus Paier an die „Schlacht auf der Elsaßstraße“. Es zeigt eine zeternde Frau, die einen Blumentopf und ein Nudelholz aus dem Fenster auf einen Mann wirft, der die Hand zum Hitlergruß erhoben hat.

Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsassstraße 42 - 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0
Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsaßstraße 42 – 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0

Und wir wären ja nicht in Köln, wenn es nicht auch Irrungen und Wirrungen um dieses Kunstwerk gegeben hätte. Paier hatte im August 1990 im Rahmen eines Straßenfests das Bild auf die nackte Wand des Hochbunkers in der Elsaßstraße 42 gemalt. Allerdings ohne offizielle Genehmigung, was dazu führte, dass das Bild zweimal übermalt wurde. Doch auch hier zeigte sich die Nachbarschaft in der Elsaßstraße wieder wehrhaft: Das Graffito wurde mehrfach in Eigenregie restauriert und ausgebessert, zuletzt bei einer unangemeldeten Aktion 2019.

Mittlerweile ist das Graffito ein eingetragenes Denkmal und unterliegt somit dem Denkmalschutz. Was allerdings stümperhafte Sprayer nicht davon abhält, das Bild zu verunstalten. Schämt euch!


Eine aufrechte Frau aus der Elsaßstraße: Maria Eßer

Andreas Andy Artmann hat mir erlaubt, seinen kurzen Bericht über seine Großmutter veröffentlichen. Vielen Dank dafür! 

Meine Familie mütterlicherseits war dabei. Meine Mutter wurde in der Elsaßstraße geboren. Sie erlebte den Bau des Hochbunkers, versorgte die Zwangsarbeiter im Auftrag meiner Oma mit Lebensmitteln. Darauf hatten die Nazis die Todesstrafe verhängt. Kommentar dazu von meiner Großmutter: In meiner Straße verhungert keiner. Oma Maria Eßer legte sich sogar mit der Gestapo an und konnte so verhindern, dass ihre Kinder zum BDM oder zur HJ mussten. Meine Mutter sah allerdings ihre beste Freundin in einem Bombenangriff sterben. Nur unter vorgehaltener Waffe war meine Großmutter bereit »ihre Elsaß-Straße« zu verlassen. Das nannte sich Zwangsevakuierung.

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Wat sin „Blauköpp“?

Die blaue Uniform der protestantischen Preußen hat zum Begriff "Blauköpp" geführt, Bild: Knötel (1883)
Die blaue Uniform der protestantischen Preußen hat zum Begriff „Blauköpp“ geführt, Bild: Knötel (1883)

„Dat sin Blauköpp“ pflegte meine Oma im besten rheinisch-katholischem Selbstverständnis zu sagen. Mit Blauköpp bezeichnet der Kölsche alle Personen, die evangelisch sind. Tatsächlich war die Bezeichnung Blauköpp (also „Blaue Köpfe“) tatsächlich ursprünglich abwertend gemeint.

Aber wie so viele kölsche Begriffe, hat auch Blauköpp eine wahre Achterbahnfahrt in der Bewertung hinter sich. Heute feiern die Protestanten unter dem Titel „Blauköpp Alaaf“ ihre eigene Karnevalssitzung. In der Hymne dieser Sitzung lautet es selbstironisch:

„Ich ben ’ne kölsche Protestant un maach Rabatz.
Ich ben ’ne Blaukopp und sing Ajuja.“

Adolf Clarenbach (rechts),auf Melaten hingerichteter evangelischer Reformator, Statue am Rathaus, Bild: Raimond Spekking
Adolf Clarenbach (rechts),auf Melaten hingerichteter evangelischer Reformator, Statue am Rathaus, Bild: Raimond Spekking

Unterdrückung und Verfolgung

Im „Hillige Kölle“ wurden protestantische Bewegungen lange stark unterdrückt. Evangelische Gemeinden konnten nur versteckt agieren – Köln war für sie ein gefährliches Pflaster. Prediger wie Adolf Clarenbach (1497-1529) wurden verfolgt und hingerichtet. Auch war es den Protestanten ab 1583 untersagt, in Köln begraben zu werden. Daher lagen evangelische Friedhöfe, wie zum Beispiel der Geusenfriedhof, außerhalb der Stadtmauern Kölns.

Der Geusenfriedhof, Bild: Uli Kievernagel
Der Geusenfriedhof, Bild: Uli Kievernagel

Färber, Schweden oder Preußen?

Bleibt die Frage, woher denn der Begriff „Blauköpp“ stammt. Dafür sind viele Erklärungsansätze populär:

  • So sollen protestantische Handwerker aus Flamen, die in Köln tätig waren, blaue Mützen getragen haben.1Übrigens soll auch der Begriff „blau sein“ sich auf die Färber beziehen: Diese Männer sollen viel Bier getrunken haben und in den Färberbottich gepinkelt haben, weil man Urin und Alkohol für die chemische Reaktion zur Gewinnung von blauem Farbstoff aus Färberwaid benötigt.
  • Protestantische schwedische Soldaten sollen im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) Helme mit einem blauen Schimmer getragen haben.
  • Keine Belege gibt es für die Thesen, dass der Begriff sich von „blaublütig“ ableitet.

Tatsächlich aber kann man davon ausgehen, dass der Begriff Blauköpp sich auf die Preußen bezieht. Der katholische Kölner konnte mit den disziplinierten  Preußen in ihren blauen Uniformen nichts anfangen und bezeichnete diese abfällig als „Blauköpp“. Und da die Preußen mehrheitlich evangelisch waren, hat sich dieser Begriff für die Protestanten eingebürgert.    

Christen sind heute eine Minderheit

Heute sind die christlichen Kirchen wegen der Abwanderung der Gläubigen stark unter Druck. So sind gerade noch knapp 15% der Kölner evangelisch. Etwa doppelt so viele bekennen sich zum katholischen Glauben, geschätzte 11% sind Muslime. Der größte Teil jedoch ist konfessionslos – Tendenz rapide steigend.

Die traditionelle Sündenverbrennung des Bürgervereins RADERBERG und THAL e.V., immer ökumenisch, 2021 unter Corona-Bedingungen mit Abstand und Mundschutz., Bild: Uli Kievernagel
Die traditionelle Sündenverbrennung des Bürgervereins RADERBERG und THAL e.V., immer ökumenisch, 2021 unter Corona-Bedingungen mit Abstand und Mundschutz., Bild: Uli Kievernagel

Gelebte Ökumene im Veedel

Das Verhältnis der christlichen Kirchen untereinander ist sehr entspannt – vielerorts gibt es die gelebte Ökumene. So auch bei der traditionellen „Sündenverbrennung“ des Bürgervereins RADERBERG und THAL e.V.  immer an Karnevalsdienstag. Hier verbrennen der katholische Pfarrer Thomas Frings und der evangelische Pfarrer Klaus Eberhard gemeinsam die Karnevalssünden – ganz ökumenisch und sehr unterhaltsam.

Schaut euch das mal an! Lohnt sich.


Jürgen Becker: „Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin“

Nicht ganz ernst gemeint singen Jürgen Becker und Norbert Alich über die Unterschiede zwischen Katholiken und Protestanten. In dem Lied heißt es unter anderem

„Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin,
die haben doch nichts anderes als arbeiten im Sinn.

Als Katholik da kannste pfuschen, dat eine is jewiss,
am Samstag gehste beichten und fott is der janze Driss.

Kein Weihrauch, keine Witze,
keine Heiligen in Stein,
immer alles ernst gemeint,
das passt nicht an den Rhein

Fünfundneunzig Thesen,
die sin uns viel zu viel,
wir brauchen hundert Tresen
und ´nen Tisch fürs Kartenspiel.

Irgendwie ja schon treffend,
zumindest der Vers mit den Thesen und dem Tresen.


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Mer fiere Fastelovend – nur des Johr e betzje anders

Fastelovendsmotto der Session 2020/21, Bild: Festkomitee Kölner Karneval
Fastelovendsmotto der Session 2020/21, Bild: Festkomitee Kölner Karneval

Wisst ihr noch? Damals? Vor ewigen Zeiten. Also vor 12 Monaten. Wir haben Karneval gefeiert. Und in China wollte einer einen Fledermaus-Hot-Dog essen. Der Verkäufer: „Die Fledermaus ist noch nicht ganz durch.“ Der Kunde: „Ach egal, davon wird die Welt schon nicht untergehen.“

Ist sie aber. Irgendwie. Denn dann kam Corona.

Und deswegen hat sich die ganze Welt verändert – auch unser so heiß geliebter Karneval. Heute feiern wir auf Distanz. Und wer hätte gedacht, dass wir das stundenlange Anstehen vor den Kneipen, den vertrauten Geruch nach Mettbrötchen, verschüttetem Bier und dem alten Wikinger-Kostüm, welches elf Monate zuvor in einer Kiste im muffigen Keller verbracht hat, vermissen werden? Selbst das lauwarme Kölsch, serviert in den 0,25 Liter-Plastikgläsern für schlappe 3,50 Euro fehlt uns.

Auf der anderen Seite haben wir viel gelernt:

  • Als erstes haben wir gelernt, dass es nicht „der“ Virus sondern „das“ Virus heißt.
  • Außerdem ist „FFP 2“  keine neue Spielekonsole.
  • Den Begriff „Reproduktionsfaktor“ hatte ich vorher auch irgendwie anders abgespeichert. Mit viel mehr Spaß.

Homeschooling

Schön war auch das Homeschooling in unserer Nachbarschaft. Da hat die Schule folgende Textaufgabe gestellt: 
Zwei Erwachsene, beide im Homeoffice, und zwei Kinder, beide im Homeschooling, teilen sich zwei Computer und das Wohnzimmer. Macht einen halben Rechner und ein viertel Wohnzimmer pro Kopf. Geht irgendwie nicht auf. 

Oder der Stefan, ein Freund von mir. Der hat mit seiner 9jährigen Tochter Deutschunterricht gemacht. Zu Hause. Hat ewig gedauert, den Unterschied zwischen Pronomen, Adjektiven und Artikeln zu erklären. Aber nach sechs Stunden hat Stefan das verstanden.

Ganz einfache Kontaktregeln

Ganz anders waren die Kontaktregeln. Die hat bis heute keiner verstanden. Nur ich. Ich erkläre euch das mal: Ab 18 Uhr darf ich mich mit einer Person treffen, wenn diese maximal 14 Jahre alt ist, in meinem Haushalt lebt und mindestens zwei Kinder hat. Es sei denn, diese Person wohnt in einem anderen Bundesland, dann darf ich mich nur bei Vollmond treffen. Draußen. Drinnen geht in diesem Fall auch, aber nur, wenn ich täglich maximal 15 Kilometer bis zu Arbeit fahre. Es sei denn, ich bin älter als 80 Jahre alt. Oder systemrelevant. Dann darf ich mich drinnen und draußen treffen. An geraden Tagen. Aber nur in Bundesländern, die auf „n“ enden. Und nur auf der linken Straßenseite, wenn der Inzidenzwert über 50 liegt. Ist doch ganz einfach.

Stammtisch in der KVB

Ansonsten gilt die gute Nachricht, dass das Virus kein KVB-Ticket hat. Deswegen darf man sich im Bus immer treffen. Wir von meinem Stammtisch haben uns daher eine Monatskarte gekauft und immer freitags heißt es dann:

„Weisste wat, mer treffe uns in dä KVB.
Die Kneipe die bliev leer, mer fahre hin- und her.“
  

Der Rosenmontagszug im Hänneschen-Format, Bild: Festkomitee Kölner Karneval
Der Rosenmontagszug im Hänneschen-Format, Bild: Festkomitee Kölner Karneval

Und jetzt? Wie jeiht et wigger?

Ich kann euch nicht vorschreiben, was ihr macht. Aber klar ist: Karneval kann man nicht absagen. Genauso, wie man auch den Sommer oder den Vollmond nicht absagen kann. Wir feiern – des Johr ävver anders.

Ich schaue mir morgen den Rosenmontagszug  in der Miniaturausgabe im Hänneschen-Format an. Mit Mütze auf´m Kopp und einem Kölsch in der Hand. An Karnevalsdienstag lasse ich meine Sünden verbrennen – selbst, wenn das nur gewünschte oder verpasste Sünde sind. 

Und nächstes Jahr hole ich wieder das alte Wikingerkostüm aus dem Keller, stelle mich an einer Kneipe an und trinke mit Genuss mein 3,50 Euro-Kölsch aus dem Pappbecher.

Darauf freue ich mich heute schon. Alaaf.         

Nächstes Jahr wird wieder gefeiert. Alaaf! Bild: Norbert Bröcheler
Nächstes Jahr wird wieder gefeiert. Alaaf! Bild: Norbert Bröcheler

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Kölsche Wörter: plümerant

Kaum hat man zehn Waffeln gegessen ist einem schon plümerant, Bild: Mohamed Hassan, Pixabay
Kaum hat man zehn Waffeln gegessen ist einem schon plümerant, Bild: Mohamed Hassan, Pixabay

Nach dem Genuss von zu viel Kölsch & Kabänes kann es dem Kölner auch mal unwohl werden. Ganz vornehm nennt er das dann „plümerant“, manchmal auch „blümerant“. Dieser Begriff beschreibt einen unschönen Zustand zwischen Schwindel, Unwohlsein bis hin zu einer leichten Erkrankung.

Um die Herkunft des wunderschönen Wörtchens „plümerant“ oder „blümerant“ ranken sich viele Geschichten. Um es vorweg zu nehmen: Es ist eines der vielen aus dem französischen übernommenen Worte.

Weder Blümchen noch Plumeau

Gänzlich falsch ist die Herleitung über „Blümchen“. Das hat nichts mit plümerant zu tun. Es sei denn, die Dinger riechen so stark, dass einem davon schwindlig wird.

Eine weitere Erklärung ist die Herleitung über sehr dünnen Kaffee. „Dä Kaffee is es esu dünn, dat de de Blömcher in dä Tass sinn kannst.“ Auch hier dienen wieder die Blümchen, diesmal auf dem Tassenboden, als Erklärung: Beim „Blümchenkaffee“ sieht man tatsächlich die blauen Blumen auf dem typischen Oma-Geschirr in der Tasse durch den zu dünnen Kaffee. Und das wäre dann ein „plümeranter“ Kaffee. Klingt schön – ist aber falsch.

Auf den ersten Blick plausibel erscheint diese Erklärung: Wenn einem plümerant ist, sinkt man ins Plümo, also in das Plumeau (Federbett). Klingt gut – hat aber nichts miteinander zu tun.

Sterbendes Blau

Die eigentliche Herkunft ist – wie bei so vielen kölschen Worten – aus dem Französischen: „bleu mourant“ bedeutet wörtlich übersetzt „sterbendes blau“. Und wenn man in die Gesichter von Personen schaut, denen plümerant ist, stellt man tatsächlich oft eine leicht blaue Farbe fest.

Und diese legt man dann doch lieber schnell unters Plümo!


Weitere Begriffe: marot und malad

Im Kölschen gibt es noch mehr Begriffe, die den Zustand zwischen leichten Unwohlsein, Erschöpfung und beginnender echter Krankheit bezeichnen. Fast gänzlich in Vergessenheit geraten ist der Begriff „marot“. Auch dieses Wort beschreibt einen Zustand des Unwohlseins. Allerdings ist dieser Zustand dann, anders als plümerant, ernster.

Wenn der Kölsche allerdings malad ist, dann wird es richtig ernst: Er ist wirklich krank und gefühlt bereits auf dem Weg zum Melatenfriedhof. Immerhin leitet sich der Name dieses Friedhofs vom französischen Wort „malade” ab. Und das bedeutet: krank.


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Aurora mit dem Sonnenstern: Die Ellmühle im Deutzer Hafen

 
Die Ellmühle in Deutz (2019), Bild: Franz-Josef Knöchel
Die Ellmühle in Deutz (2019), Bild: Franz-Josef Knöchel

Jeder über 40 hat direkt die Melodie im Kopf „Aurora mit dem Sonnenstern“. Man denkt sofort an Plätzchen, Kuchen und frisch gebackenes Brot. Das Aurora-Mehl für diese Leckereien wurde in Köln gemahlen: In der großen Ellmühle direkt am Rheinufer.

Doch der Aurora-Stern an dem Gebäude hat im Laufe der Jahre stark gelitten und in der Ellmühle wird auch seit Mitte Januar 2021 kein Mehl mehr gemahlen. Nach (wie könnte es in Kölle auch anders sein) 111 Jahren hat die Ellmühle ihren Dienst eingestellt. Keine Angst: Aurora mit dem Sonnenstern und die vielen weiteren Mehlsorten, die hier produziert wurden, gibt es auch weiterhin. Doch gemahlen wird ab sofort in der neuen Castellmühle in Krefeld. Das denkmalgeschützte Gebäude der Ellmühle bleibt aber stehen und wird in Wohnungen umgewandelt.

„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ 

Über viele Jahrhunderte hinweg war Getreide das Hauptnahrungsmittel – die Kartoffel kam erst im 16. Jahrhundert nach Europa. Das Mehl für Brot und den Getreidebrei wurde vom Müller gemahlen. Üblich war es, Vollkornmehl zu produzieren. Dabei wurden, anders als heute, nicht die Randschichten des Korns vor dem Mahlen entfernt, sondern das ganze Korn gemahlen. So hatte man zwar ein nährstoffreiches Vollkornmehl, welches aber schnell ranzig wurde. Daher ließ man immer nur den Mehlvorrat für ein paar Tage mahlen. Wenn die Kunden dann zum Müller kamen, galt strikt die Reihenfolge „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.  

Und die Müller hatten viel zu tun. Daher galt für den Müller weder das Feierabend- noch das Feiertagsgebot. Lediglich für die Dauer der Gottesdienste waren die Müller gehalten, ihre klappernden Mühlen anzuhalten.

Die Kölner Rheinmühlen

Viele Kölner Müller nutzen die Strömung des Rheins, um ihre Mühlen anzutreiben. Auf dem Fluss klapperten bis zu 36 solcher im Fluss verankerten Mühlen zur Versorgung der Stadtbevölkerung. Der Erzbischof und die Müller teilten sich das einträgliche Recht, diese Mühlen betreiben zu dürfen.

Die Kölner Rheinmühlen, Ausschnitt aus "Große Ansicht von Köln 1531" von Anton Woensam
Die Kölner Rheinmühlen, Ausschnitt aus „Große Ansicht von Köln 1531“ von Anton Woensam

Aber auch Windmühlen waren in Köln präsent. Die Bekannteste dürfte die Bottmühle sein. Zwischen dem Bayenturm und Severinstorburg, wurde diese massive Windmühle im 17. Jahrhundert gebaut. Aber auch die Ulrepforte, heute die Heimat der Roten Funken, wurde im 15. Jahrhundert als Mühle genutzt.

Die Bottmühle, Kupferstich von 1635, Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln
Die Bottmühle, Kupferstich von 1635, Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln

Deutzer Hafen als Standortvorteil

Auch der Unternehmer Heinrich Auer betrieb bereits ab etwa 1850 zwei Mühlen in der Stadt. Seine Söhne gaben diese Mühlen auf und errichteten 1909 am Deutzer Rheinufer eine neue Großmühle. Der Hafen in Deutz bot wesentliche Standortvorteile: Getreide konnte per Schiff angeliefert und das fertig gemahlene Mehl wiederum verschifft werden. Zusätzlich gab es einen Gleisanschluss.

Das bekannte Aurora Mehl mit dem Sonnenstern, Bild: Aurora Mühlen GmbH
Das bekannte Aurora Mehl mit dem Sonnenstern, Bild: Aurora Mühlen GmbH

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Mühle stark beschädigt, der Betrieb konnte erst Ende 1950 wieder aufgenommen werden. Zur gleichen Zeit erkannte auch die Firma Leysieffer & Lietzmann den Standortvorteil am Rheinufer und errichte in der Nachbarschaft der Auer-Mühle eine eigene Mühle. In den 1970er Jahren wurden die beiden Betriebe verschmolzen. Nach einigen weiteren Zukäufen firmiert das Unternehmen heute als Good Mills GmbH und ist Deutschlands größtes Mühlen-Unternehmen.

Die Ellmühle war dabei mit ihrer Kapazität von 380.000 Tonnen pro Jahr eine der bedeutendsten Mühlen in ganz Europa. Alleine mit dem Mehl aus dieser Mühle lassen sich jedes Jahr mehr als 7 Milliarden Brötchen oder etwa 1,2 Milliarden Marmorkuchen backen.

So soll es ab 2030 im Deutzer Hafen aussehen, Bild: moderne stadt GmbH
So soll es ab 2030 im Deutzer Hafen aussehen, Bild: moderne stadt GmbH

Die „moderne stadt“ in Deutz

Der Betrieb der Mühle wurde im Januar 2021 eingestellt. Das Gelände wurde bereits im Jahr 2016 für 80 Millionen Euro von der Stadtentwicklungsgesellschaft „moderne stadt“, ein Gemeinschaftsunternehmen der Stadt Köln und der Stadtwerke Köln GmbH, gekauft. Und sofort ging der Ärger los. Der Stadtkonservator Dr. Thomas Werner lies 90% der Gebäude unter Denkmalschutz stellen. Dagegen klagte das Unternehmen: Die geplante Nutzung – unter anderem für neue Wohnungen – sei so nicht mehr möglich. Erst im Januar 2021 einigte man sich außergerichtlich. Der Kompromiss: Die Fassaden bleiben erhalten, dafür dürfen die Gebäude im Inneren neu beplant werden und Öffnungen für Fenster sind möglich. Den Fortgang der Bauarbeiten dokumentiert ein Blog auf der Website „Baustelle Deutzer Hafen“.

Klar – wer will schon eine Luxuswohnung wie ein Bunker ohne natürliches Licht? Immerhin bedeutet Aurora „Morgenröte“ und hat den „Sonnenstern“. Und beides sollte schon in den teuren Wohnungen auf geschichtsträchtigem Grund zu sehen sein.


Auch im Hamburger Hafen gibt es eine Aurora-Mühle, Bild: Dietmar Gessner
Auch im Hamburger Hafen gibt es eine Aurora-Mühle, Bild: Dietmar Gessner

Die Good Mills GmbH betreibt noch viele weitere große Mühlen in Deutschland, unter anderem in Berlin, Mannheim, Frankfurt und Hamburg. 


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Kaltes Eck – oder „Namen und Steine“

Das "Kalte Eck" in Köln am Rheinufer, Bild: Uli Kievernagel
Das „Kalte Eck“ in Köln am Rheinufer, Bild: Uli Kievernagel

In der Markmannsgasse, direkt am Rhein in der Nähe der Bootsanleger, befindet sich ein Kunstwerk, welches oft übersehen wird. Dort an der Rheinpromenade, wo sich viele Touristen aufhalten,  findet man auf dem Boden, in Stein gemeißelt, vorwiegend die Namen von Männern:

Thomas Spolert – Ernst Melotte – Trixi –
Gerd Prasch – Ikarus – Markus Dedy –
Rolf Haferkamp – Stephan Singer –
Lothar Will – Jean-Paul Aron – Armin Hartwig …

Dies sind nur ein paar der etwa 100 Namen, über die sich täglich unzählige Menschen mehr oder minder achtlos bewegen. Nur die wenigsten Passanten bemerken, dass sie mitten über das Kunstwerk „Das Kalte Eck“ laufen.

Solidarität mit HIV-infizierten Menschen

Die verkratzte Metalltafel am Rand des Weges gibt kurz & knapp Auskunft:

Metalltafel "Kaltes Eck", Bild: Uli Kievernagel
Metalltafel „Kaltes Eck“, Bild: Uli Kievernagel

Diese Kunstinstallation gibt es in Köln bereits seit 1992. Dabei handelt es um ein Projekt des Künstlers Tom Fecht (geb. 1952), welches anlässlich der Documenta IX entstanden ist. Unter dem Titel „mémoire nomade“ hat Fecht mehr als 40 temporäre und feste Installationen in ganz Europa geschaffen. Ziel der Installationen ist es, ein „nomadisierendes Gedächtnis und ein europaweites Epitaph des Gedenkens und der praktischen Solidarität mit HIV-infizierten Menschen“ zu schaffen. Ähnliche Installationen befinden sich unter anderem auch in Dortmund, Frankfurt, Hamburg oder Zürich

Dabei ist der Auswahl des jeweiligen Standorts von entscheidender Bedeutung. Nicht irgendwo, sondern immer an Orten, an welchen die Verstorbenen sich auch im Leben aufgehalten haben. 

Erweiterung zum Christopher Street Day

Jedes Jahr zum Christopher Street Day werden neue Steine eingesetzt. Wer auch einem Verstorbenen auf diese Art und Weise gedenken will, kann sich an die Aidshilfe Köln wenden, die den Stein und eine Gedenkfeier organisiert. Die Kosten dafür belaufen sich auf 250 Euro.

Der Gedenkstein für Keith Haring im "Kalten Eck" Köln, Bild: Uli Kievernagel
Der Gedenkstein für Keith Haring im „Kalten Eck“ Köln, Bild: Uli Kievernagel

Unter den Namen auf den Steinen ist übrigens auch ein ganz prominenter, ebenfalls an der Immunschwächekrankheit gestorbener Künstler zu finden: Keith Haring. Allerdings starb Haring bereits 1990, vor der Errichtung des „Kalten Ecks.“ Daher kann man davon ausgehen, dass ein Kölner Fan des Künstlers diesen Stein gestiftet hat. 


Nur ein paar Meter weiter, am Rheinufer entlang in Richtung Dom, befindet sich der „Rosa Winkel“, das Mahnmal für die schwulen und lesbischen Opfer des Nationalsozialismus in Köln


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Bäume auf Wanderschaft: Die Kölner Wanderbaumallee

Die Wanderbäume sorgen für mehr Aufenthaltsqualität in der Stadt, Bild: Wanderbaumallee Köln
Die Wanderbäume sorgen für mehr Aufenthaltsqualität in der Stadt, Bild: Wanderbaumallee Köln

Die Idee ist bestechend: Graue Straßenzüge in unserer (zugegeben) nicht immer schönen Stadt werden kurzzeitig zu Alleen. So können Nachbarn erleben, wie schön es im Veedel wäre, wenn statt Autos auf einmal Bäume auf den Straßen stehen.

Geht nicht? Geht doch!

Die Wanderbaumallee macht es möglich: Bäume, angepflanzt in speziellen beweglichen Modulen, können den Standort wechseln. Ganz anders als ein fest eingepflanzter Baum. Und die Module bieten noch viel mehr: Durch Sitzgelegenheiten rundherum werden die Wanderbäume zu Treffpunkten für die Nachbarschaft.

Wanderbäume machen aus Straßenschluchten Alleen, Bilder: Wanderbaumallee Kööln
Wanderbäume machen aus Straßenschluchten Alleen, Bilder: Wanderbaumallee Köln

Platziert werden die wandernden Bäume auf Parkbuchten, ein ähnliches Prinzip wie letzten Sommer, als Parkplätze von den Gastronomen genutzt wurden.  Statt parkender Autos gab es Pizza und Kölsch. Mitten in der Stadt. Bei den Wanderbäumen gibt es den Klaaf1Kölsch für Klatsch aus der Nachbarschaft, denn diese werden zu gerne genutzten Treffpunkten im Veedel.

Kaffeeklatsch mit der Nachbarschaft an den Wanderbäumen, Bild: Wanderbaumallee Köln
Kaffeeklatsch mit der Nachbarschaft an den Wanderbäumen, Bild: Wanderbaumallee Köln

Melani Lauven vom Verkehrsclub Deutschland e. V. engagiert sich für die Wanderbäume: „Da entstehen auf einmal völlig neue Möglichkeiten. Nachbarn haben die Gelegenheit, sich ungezwungen vor ihrer Tür zu treffen.“ Lauven betont, dass insbesondere die neu gewonnene Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum die Menschen begeistert.  

Pionierarbeit vor knapp 30 Jahren in München

In München sind bereits seit dem Anfang der 1990er Jahre die Wanderbäume in der Stadt unterwegs: Mittlerweile mehr als 150 Exemplare begrünen dort graue Straßenschluchten. Ganz so weit ist man in Köln noch nicht: Seit dem Start im September 2019 sind aktuell zehn Bäume in Köln auf Wanderschaft. Und diese haben bereits unter anderem Straßenzüge in Nippes, Ehrenfeld, am Eigelstein, am Rathenauplatz oder in Raderberg verschönt. 

Die Wanderbäume vor der Eigelsteintorburg, Bild: Wanderbaumallee Köln
Die Wanderbäume vor der Eigelsteintorburg, Bild: Wanderbaumallee Köln

Bizarr anmutende Diskussionen

Ganz unumstritten sind die Bäume nicht: Für viele Kölner ist der Parkplatz vor der Tür wichtiger als die Lebensqualität in der Nachbarschaft. Bei den ersten Stellplätzen in Ehrenfeld schritt sogar das Ordnungsamt ein, weil „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ vermutet wurde. Zwischenzeitlich gibt es klare Vereinbarungen mit der Stadt.

Und trotzdem führen ein paar harmlose Bäumchen öfters zu teilweise bizarr anmutenden Diskussionen. So unterstellte ein CDU-Kommunalpolitiker aus dem Kölner Süden auf Facebook, dass die Aufstellung der Wanderbäume „ideologische Gründe“ habe. Ganz so weit will Uli Kievernagel vom Bürgerverein RADERBERG und -THAL dann doch nicht gehen: „Ein paar Bäume, die über vier Wochen den Platz nutzen, auf welchem sonst ein Auto stehen könnte, sind keine Ideologie sondern einfach nur nett für die Nachbarschaft.“ Der Bürgerverein hatte im Dezember 2020 die Bäume zu Gast im Veedel. „Viele Nachbarn haben bereits gefragt, wann uns denn die Bäume mal wieder besuchen.“, so Kievernagel.

Schön, wenn Bäume auf Wanderschaft gehen können.

Die Wanderbäume sind unterwegs, Bild: Uli Kievernagel
Die Wanderbäume sind unterwegs, Bild: Uli Kievernagel

Wanderbäume vor deiner Haustür? Na klar! 

Die Wanderbäume bleiben für jeweils vier bis acht Wochen an einem Standort. Wer Interesse hat, auch seine Straße zumindest zeitweilig zu begrünen, kann sich direkt an den VCD wenden. Alle Informationen finden sich auf der Website der Wanderbaumallee Köln.  


Die Wanderbäume im Radio

Die Journalistin Elin Hinrichsen hat für DeutschlandFunk Kultur den Umzug der Wanderbäume von Raderberg nach Zollstock mit dem Mikro begleitet und einen sehr schönen Radiobeitrag von etwa fünf Minuten dazu erstellt. Hört da mal rein! 


Das Kölner Baumkataster

In einem öffentlichen Verzeichnis sind alle 132.321 Bäume in unserer Stadt verzeichnet. So gibt es 367 Gingkobäume, 1.762 Kirschbäume oder 1.211 Eichen in Köln.   


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