Kölner Brücken: Die Mülheimer Schiffbrücke – anfällige Verbindung über den Rhein

Ein Schiff passiert die geöffnete Mülheimer Schiffbrücke, Bildquelle: unbekannt, Public Domain, via Wikimedia Commons
Ein Schiff passiert die geöffnete Mülheimer Schiffbrücke, Bildquelle: unbekannt, Public Domain, via Wikimedia Commons

Für die Mülheimer kam am 18. Mai 1888 eine große Erleichterung: Endlich konnten sie ohne Fähre von Mülheim nach Köln. Möglich machte dies eine neu eröffnete Pontonbrücke. Die aus Holz gefertigte Brücke lag auf 40 schwimmenden Nachen und verband das rechtsrheinische, damals noch eigenständige, Mülheim mit dem heutigen Köln-Riehl. Diese Brücke darf nicht mit einer ähnlichen Schiffbrücke verwechselt werden, welche das linksrheinische Martinsviertel mit Deutz verband.


Steckbrief Mülheimer Schiffbrücke

  • Breite: 12 m
  • Baubeginn: 1885
  • Eröffnung: 18. Mai 1888
  • Einstellung des Betriebs: 20. Juni 1927 

Schiffe und Hochwasser erschweren Betrieb

So bequem die Brücke auch war, hatte sie doch einen großen Haken: Für die Durchfahrt der Schiffe auf dem Rhein musste die Brücke geöffnet werden. Dafür wurde der Mittelteil abgekoppelt, um den Schiffen die Passage zu ermöglichen. Da dies, so der Riehler Stadthistoriker Joachim Brokmeier, bis zu 30 Mal täglich geschah, war ein ordnungsgemäßer Betrieb kaum möglich. 1 Kölner Stadt-Anzeiger vom 20.08.2022

Das zweite große Problem war der Wasserstand des Rheins. So musste bei Niedrigwasser und insbesondere Hochwasser der Betrieb der Brücke gesperrt werden. Und dann waren noch die Schiffe auf dem Rhein selber, welche zu einer Gefahr für die Brücke wurden. Bereits am Tag der Eröffnung rammte ein Schiff die schwimmende Brückenkonstruktion und beschädigte zwei Nachen so schwer, dass diese ersetzt werden mussten. Eine weitere große Gefahr für die Holzkonstruktion war Feuer. Deshalb war das Rauchen auf der Brücke streng untersagt.

Gebraucht gekauft – Refinanzierung durch Brückenmaut

Ursprünglich war diese Brücke in Mainz in Betrieb. Um die ungeliebte Rheinfähre durch die Schiffbrücke abzulösen, kaufte die Stadt Mülheim den Mainzern die schwimmende Brücke ab. Und griff Anfang 1888 dafür tief in die Tasche: Inklusive Transportkosten, den notwendigen Baumaßnahmen zur Verankerung der Einzelelemente und der Errichtung der Zufahrtsrampen belief sich die Investition auf rund 250.000 Mark. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Jahresverdienst eines Arbeiters lag in dieser Zeit bei etwa 660 Mark.

Ab dem 1.Januar 1915 wurde das Brückengeld für die Mülheimer Schiffbrücke von vier auf zwei Pfennig für Fußgänger reduziert, Bild: Sammlung Brokmeier
Ab dem 1.Januar 1915 wurde das Brückengeld für die Mülheimer Schiffbrücke von vier auf zwei Pfennig für Fußgänger reduziert, Bild: Sammlung Brokmeier

Dieses Geld musste irgendwie wieder eingespielt werden. Daher musste jeder, der die Brücke passieren wollte, eine Brückenmaut entrichten: Vier Pfennig für Fußgänger2Anfang 1915 wurde das Brückengeld auf 2 Pfennig reduziert, drei Pfennig für Kleinvieh, für die Passage eines Esels oder Rinds wurden zehn Pfennig fällig und Kutschen wurden mit 60 Pfennig zur Kasse gebeten. Diese Kosten schreckten aber nicht ab – die Brücke wurde rege genutzt. Allein im Jahr 1910 wurden 755.000 Fußgänger und 100.000 Karren oder Wagen gezählt.

Starke Beschädigung durch Eisgang

Erst ab 1920 wurde kein Brückengeld mehre erhoben. Allerdings war die Schiffbrücke auch bereits schwer in die Jahre gekommen. Am 27. Dezember 1926 hatte starker Eisgang auf dem Rhein die Schiffbrücke schwer beschädigt. Historiker Brokmeier dazu: „Einige Pontons wurden abgetrieben und kamen erst mit einigen Besatzungsmitgliedern führungslos in Merkenich an Land.“3Kölner Stadt-Anzeiger vom 20.08.2022

Der Betrieb der Mülheimer Schiffbrücke wurde am 20. Juni 1927 wird eingestellt und es wurde "Brücken-Abschied" gefeiert, Bild: Sammlung Brokmeier
Der Betrieb der Mülheimer Schiffbrücke wurde am 20. Juni 1927 wird eingestellt und es wurde „Brücken-Abschied“ gefeiert, Bild: Sammlung Brokmeier

Neubau einer Brücke

Im Zuge der Eingemeindungsverhandlungen zwischen Mülheim und der Stadt Köln hatte sich die Stadt Köln im Jahr 1914 dazu verpflichtet, eine feste Brücke zu errichten. Gleichzeitig war die altersschwache Schiffbrücke nicht mehr in der Lage, dem stark wachsenden Verkehr im beginnenden 20. Jahrhundert gerecht zu werden. So wurde am 20. Juni 1927 der Betrieb der Mülheimer Schiffbrücke eingestellt.

Am 13. Oktober 1929 eröffnete die erste Mülheimer Brücke – die damals mit einer Spannweite von 315 m die größte aller selbstverankerten Hängebrücken war. Die Zeit der anfälligen Schwimmbrücken war vorbei.

Aber dafür haben wir heute ganz andere Probleme mit den Kölner Brücken.


Alle bisher erschienenen Geschichten zu den Kölner Brücken 


Riehl - eine Sradtteilgeschichte in Postkarten, Buch von Joachim Brokmeier (18,50 Euro, in jeder Buchhandlung erhältlich). Bild: Brokmeier
Riehl – eine Sradtteilgeschichte in Postkarten, Buch von Joachim Brokmeier (18,50 Euro, in jeder Buchhandlung erhältlich). Bild: Brokmeier

Riehler Geschichten

Ein großes DANKE an Joachim Brokmeier. Der Stadtteilhistoriker betreibt die lesenswerte Website „Riehler Geschichten“ und hat mir Fotos für für diesen Beitrag zur zur Verfügung gestellt. Brokmeier ist ein Experte für Köln-Riehl und hat auch bereits mehrere Bücher  über diesen Stadtteil veröffentlicht.


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„Jet an de Föß han“ – man ist wohlhabend!

Wer hier wohnt, hät jet an de Föß! Bild: Rolf Heinrich, Köln, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Wer hier wohnt, hät jet an de Föß! Bild: Rolf Heinrich, Köln, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Der Kölsche schaut, oft verbunden mit ein wenig Neid, auf die, die „jet an de Föß han“. Und Menschen, die kein Kölsch sprechen, wundern sich. Denn die wörtliche Übersetzung führt zunächst in die Irre: „Jet an de Föß han“ kann man mit „Etwas an den Füßen haben“ übersetzen. Und sofort denkt manch einer an den Orthopäden, an Hühneraugen oder gar an Fußpilz. Alles völlig falsch!

Wer jet an de Föß hät: Vielleicht reich, mindestens wohlhabend

„Minsche met jet an de Föß“ sind schlichtweg wohlhabend. So ist die folgende Aussage für den Kölschen ganz einfach nachvollziehbar: „Die uss dä Marienburg und däm Hahnwald han jet an de Föß.“1Die aus Marienburg und Hahnwald sind reich. Und ganz einfach lässt sich nachweisen, dass die Bewohner der Nobelviertel Marienburg und Hahnwald über durchschnittlich mehr Geld als die übrigen Kölner verfügen.

Diese kölsche Redewendung lässt sich aber auch umkehren: So „han die uss Höhenberg oder Vingst nix an de Föß.“ Und jeder versteht, dass dort weniger Geld zu Hause ist.

Herkunft: Schuhwerk

Bleibt die Frage, wieso ausgerechnet das, was man an den Füßen trägt, als Indikator für Reichtum dienen soll. Dies erklärt sich, wenn man in der Zeit zurückreist. Damals konnten sich nur reiche Menschen richtig gute Schuhe leisten. Alle anderen nutzten eher unbequeme Schuhe aus Holz oder sehr einfaches Schuhwerk aus robustem Leder, welches um den Fuß gewickelt wurde und mit Hilfe eines Riemens zusammengebunden wurde. 

Noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts besaßen die meisten Menschen nur zwei Paar Schuhe: Ein abgewetztes Paar für den Alltag und ein besseres, welches nur an Sonntagen angezogen wurde. So wurde beim Blick auf die Füße und das daran befindliche Schuhwerk schnell klar, ob der Träger „jet an de Föß hät“ oder eben nicht.

Der Träger dieses (rekonstruierten) Schuhs aus dem Mittelalter hatte mit Sicherheit "jet an Föß", Bild: Wolfgang Sauber, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Der Träger dieses (rekonstruierten) Schuhs aus dem Mittelalter hatte mit Sicherheit „jet an Föß“, Bild: Wolfgang Sauber, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

„wohlbetucht“ – Kleider machen Leute!

Überhaupt wurden die Standesunterschiede an der Kleidung festgemacht. Das hat sich bis heute kaum geändert, denn sonst würde wohl kaum ein Mann stolz sein Krokodil auf dem Lacoste-Shirt oder nur wenige Damen selbstbewusst ihre Gucci-Handtasche tragen. Diese Menschen sind – früher wie heute – schlichtweg „wohlbetucht“, wobei mit „Tuch“ die „guten Tücher“ der Kleidung gemeint sind.

Wer richtig jet an de Föß hät ist „steinreich“

Und dann sagt man Menschen, die „richtig jet an de Föß han“ auch nach, dass sie steinreich sind. Diese Formulierung entstammt der mittelalterlichen Wohnsituation. In dieser Zeit lebten die meisten Menschen in Holzhäusern oder einfachen Lehmhütten. Häuser aus Stein konnten sich nur sehr reiche Menschen leisten – und diese waren dann „steinreich“.

Bläcke Fööss

Wenn man nix an de Föß hät, kann es einem gehen wie den Bläck Fööss bei einem ihrer ersten Auftritte im Gürzenich: Als die langhaarigen Musiker mit bläcke Föß2nackten Füßen, Jeans und Verstärker in der Hand im ehrwürdigen Gürzenich auftreten wollten, hielt man sie zunächst für protestierende Hippies und verweigerte den Zutritt.

Die hatte jo uch nix an de Föß!


Fruchtbarer Ackerboden: Dä Buur hät jet an de Föß! Bild: Thomas, Pixabay
Fruchtbarer Ackerboden: Dä Buur hät jet an de Föß! Bild: Thomas, Pixabay

Kostbarer Ackerboden „an de Föß“

 
Karin Burianski hat mir noch folgende Erklärung zu „jet an de Föß“ gegeben: 
De Buure-Mädche un Jungs – meist us de Eifel- leefen natürlich mit blecke Föß op ihre Feldere eröm. An manschen Föß bleev rude Erde kleven, dat wor en Zeichen für Löß-oder erzhaltigen Boden und bedeutete: Die Buuren hatten ne janz kostbare Bodden. Mädche un Jungs mit „rude Lehmklumpe an dr Föß hatten also „jet an dr Föß“ un woren en jode Partie! 
Diese Erklärung han isch vun minger Mutter als Kind jesaat bekumme.

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Kölsche Originale: Fressklötsch – legendärer Vielfraß und hochgeachteter Bürger

Johann Arnold Klütsch, genannt "Fressklötsch", um 1834, Portait von Simon Meister, aus dem Buch "Kölsche Originale", Reinhold Louis, Greven Verlag Köln, 1985
Johann Arnold Klütsch, genannt „Fressklötsch“, um 1834, Portait von Simon Meister, aus dem Buch „Kölsche Originale“, Reinhold Louis, Greven Verlag Köln, 1985
Podcast Fressklötsch, 36
 

Um Johann Arnold Klütsch, in Köln als „Fressklötsch“ bekannt, ranken sich unzählige Legenden:

„Er hat ein 1.000 Pfund schweres Kanonenrohr eigenhändig weggeschleppt.“

„Er hat ein ganzes Rad Käse auf einen Schlag gegessen.“

„Er hat einen Franzosen mitsamt Wachhaus einfach weggetragen.“

„Er hat ein ganzes Kalb gegessen – und dazu noch ein ganzes Brot.“

„Nur er war in der Lage, die originale Rüstung Jan von Werths zu tragen.“

Wieviel Wahrheit in diesen Erzählungen steckt, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Fest steht, dass Johann Arnold Klütsch eine beeindruckende Karriere hingelegt hat – vom Analphabeten bis zum geachteten Geschäftsmann und Geschäftspartner von Ferdinand Franz Wallraf. Doch die kolportierten Geschichten über seine Fähigkeit, Unmengen trinken und essen zu können sowie über seine gewaltige Köperkraft überstrahlen alles.

Bärenstark und immer hungrig

Die bekannteste Legende rund um Fressklötsch ist die Geschichte mit dem holländischen Käse: Als Lohn dafür, dass der bärenstarke Klütsch beim Entladen eines Schiffs aus Holland geholfen hatte, erhielt er ein ganzes Rad Käse. Auf dem Weg nach Hause passierte er die Zollgrenze der Stadt. Doch statt, wie vom Zöllner aufgefordert, den fälligen Steuersatz auf den Käse zu entrichten, setzte sich Fressklötsch ganz entspannt an den Wegesrand und fing an, unter den Augen der Grenzbeamten den Käse zu verspeisen. Als dieser restlos verputzt war, setze Klütsch ungerührt seinen weg in die Stadt fort. Ohne auch nur eine Taler Zoll zu bezahlen.1Andere Zeitgenossen war bei der Vermeidung der fälligen Zollsätze etwas raffinierter, wie die Geschichte von Bolze Lott beweist.

Wieviel Wahrheit in dieser Legende liegt bleibt offen. Genau wie die Geschichte, als Fressklötsch sich mit einem französischen Soldaten angelegt hatte. Dieser hatte darauf bestanden, dass Klütsch, wie vorgeschrieben, ohne Zigarre im Mund an ihm vorbeilaufen sollte. Klütsch sah das ganz anders, packte den Besatzungssoldaten, stellte ihn in sein kleines Wachhäuschen und setzte Soldat samt Wachhaus so nah an die Kaimauer des Rheins, dass der Soldat schlichtweg nicht mehr aus seinem Häuschen kam, ohne in den Fluß zu fallen.

Überhaupt hatte Johann Arnold Klütsch es so gar nicht mit den Franzosen. Angetrunken beobachtete er, wie in der Trankgasse französische Kanonen von einem Pferdefuhrwerk abgeladen wurden. Der bärenstarke Klütsch fackelte nicht lange und schnappte sich eine der Kanonen und lief damit schnell weg. Schnell wurde klar, dass in Köln nur Fressklötsch in der Lage wäre, solche Gewichte einfach fortzutragen. Doch in dem eilig anberaumten Gerichtsprozess wurde Klütsch freigesprochen, weil es Richter und Geschworene nicht für möglich hielten, dass ein einzelner Mann ein „1.000 Pfund schweres Geschützrohr“ stehlen könnte. Hocherfreut über den Freispruch schnappte sich Klütsch noch im Gerichtssaal das als Beweismittel herbeigeschaffte Kanonenrohr und verließ mit diesem unter dem Arm tänzelnd das Gebäude.

Kein tumber Vielfraß

Die legendären Geschichten um Fressklötsch beginnen bereits mit seiner Geburt: Je nach Quelle kursieren verschiedene Geburtsdaten. Gemäß seiner Todesanzeige wäre Klütsch am 23. Februar 1775 geboren. Im Kirchenbuch seiner Pfarre wird das Geburtsjahr mit 1778 angegeben, auch gemäß der Heiratsurkunde wäre er Jahrgang 1778. Egal welcher Quelle man traut: Als Klütsch am 29. November 1845 starb, hatte er mit mindestens 67 Jahren, vielleicht sogar 70 Jahren, ein fast schon biblisches Alter erreicht. Statistisch gesehen betrug im 19. Jahrhundert die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer etwas mehr als 35 Jahre.

Bei seiner Hochzeit am 13. April 1804 fehlt auch seine Unterschrift unter der Urkunde. Stattdessen wurde dort vermerkt „Ehegatte erklärt, er könne nicht schreiben.“ Packt man diese Information mit den erzählten Legenden über Fressklötsch zusammen, ergibt sich das Bild eines tumben, übermäßig gefräßigen Menschen.

Doch je mehr man über Johann Arnold Klütsch erfährt, desto mehr erkennt man, dass dieses Bild trügt. Tatsächlich war er ein angesehener Bürger und Geschäftsmann. Im Jahr 1804, zum Zeitpunkt der Heirat, war Klütsch Abdecker und handelte mit Fleischabfällen. Doch dann lernte er Schreiben und Lesen und wurde Altrüscher.2Altwarenhändler Er lernte den Gelehrten und in der Oberschicht verkehrenden Franz Ferdinand Wallraf kennen und durch ihn auch den Blick auf wertvolle Antiquitäten. So wurde aus dem Altwarenhändler Klütsch der Antiquitätenhändler Klütsch mit einem so hervorragenden Ruf, dass er sogar als Taxator für die Stadt Köln den Wert von Antiquitäten feststellte.

Fahnenstange der 2. Compagnie des Pompiers-Corps. Klütsch war Sous-Chef dieser Compagnie, Bild: Nicola, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Fahnenstange der 2. Compagnie des Pompiers-Corps. Klütsch war Sous-Chef dieser Compagnie, Bild: Nicola, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Wegbereiter der Feuerwehr

Dank seiner Freundschaft zu Ferdinand Franz Wallraf, einem der Mitbegründer des „Festordnenden Comités“3Welches später zum heute noch existierenden Festkomitee des Kölner Karnevals werden sollte. war Fressklötsch im Jahr 1823 ganz eng an dem Kreis von Menschen, welcher den Kölschen Karneval wiederbeleben sollte. In einem späteren Rosenmontagszug soll es Klütsch gewesen sein, der dank seiner Bärenkräfte als einziger in der Lage war, die aus dem Stadtmuseum geliehene Rüstung des Jan von Werth den ganzen Zug über tragen zu können.

Ebenfalls machte er sich einen Namen beim Aufbau der Freiwilligen Feuerwehr. Stolz trug der den Titel „Sous Chef der 2. Compagnie des Pompiers-Corps“.

Gemäß dem Totenzettel Johann Arnold Klütsch nachempfunden, Original: Historisches Archiv der Stadt Köln
Gemäß dem Totenzettel Johann Arnold Klütsch nachempfunden, Original: Historisches Archiv der Stadt Köln

Für die damaligen Verhältnisse hochbetagt verstarb Johann Arnold Klütsch im Alter von 67 – oder 70 Jahren – am 29. November 1845 an einer Unterleibsentzündung, welche wohl ein Lungenödem hervorgerufen hatte. Sein Totenzettel besagt, dass es sich um einen „wohlachtbaren Herrn“ gehandelt hätte.

Und das ist ein schöneres Vermächtnis als „nur“ als Kraftprotz und Vielfraß in die Geschichte einzugehen.


Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die "Kölschen Originale"
Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die „Kölschen Originale“

Weitere Geschichten zu den „Kölschen Originalen“ gibt es hier:


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Kölner Köpfe – Kunst im Untergrund

Acht der 40 "Kölner Köpfe" in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel
Acht der 40 „Kölner Köpfe“ in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel

Etwa 25.000 Menschen sehen täglich die Mona Lisa im Louvre. Dafür steht man stundenlang an und zahlt einen hohen Eintritt. Ebenfalls ungefähr 25.000 Menschen steigen täglich am Appellhofplatz in die Bahn. Und sehen nicht nur ein Portrait, sondern gleich 40. Und das völlig kostenlos. Ohne anzustehen.

Seit 1990 gibt es die „Kölner Köpfe“ in der U-Bahnhaltestelle. Hier kann man dem Schauspieler Willy Millowitsch, der Franziskanerin Schwester Ansgaria, dem Fußballer Pierre Littbarski und 37 weiteren bekannten und unbekannten Kölnerinnen und Kölnern in die Augen sehen.

Stencil – aus Schablonen entstehen Kunstwerke

Urheber dieses Kunstwerks sind die vier Freunde Justus Herrmann, Ralf Jesse, Hans-Peter Dürhager und Andreas Paulun, die sich Ende der 1980er  regelmäßig in Ehrenfeld trafen. Bei einem dieser Treffen im Jahr 1988 zeigte Paulun seinen Kumpels ein sogenanntes „Stencil“. Stencil ist der englische Begriff für Schablone. Mit einer solchen Schablone werden Graffitis hergestellt. Stencils stammen ursprünglich aus den 1970er Jahren aus Frankreich und werden dort „pochoir“, nach dem französischen Wort für Schablone, genannt.

Bei dem Stencil wird eine vorgefertigte Schablone auf einen Untergrund gedrückt und die Farbe durchgesprüht. Kombiniert man mehrere Schablonen, entstehen bunte Motive. Und diese können dann beliebig oft und sehr schnell in unterschiedlichen Farben wiederholt dargestellt werden – ideal für illegale Graffitis.

Doch den vier Freunden kam ein anderer Gedanke: Kein eilig nachts gesprühtes Graffiti irgendwo an einer Mauer in der Stadt, sondern geschützt an einem Ort. Nicht der Vergänglichkeit preisgegeben, sondern zeitlos.

Die Haltestelle Appellhofplatz, auf den Säulen in der Mitte: Die Kölner Köpfe, Bild: ReferenceBK, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Die Haltestelle Appellhofplatz, auf den Säulen in der Mitte: Die Kölner Köpfe, Bild: ReferenceBK, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Die U-Bahnhaltestelle als idealer Ort

Eine U-Bahnhaltestelle erschien den Künstlern als idealer Ort: Viele Passanten steigen dort täglich ein und aus, die kurze Wartezeit kann dem Kunstwerk gewidmet werden. Heute würde das so nicht mehr funktionieren: Die Menschen nutzen jede noch so kurze Möglichkeit und starren in ihr Smartphone. Daran war 1990, zur Eröffnung des Kunstwerks „Kölner Köpfe“ an der Haltestelle Appellhofplatz, noch nicht zu denken.

Zusätzlich ist eine U-Bahnhaltestelle nicht der Witterung ausgesetzt. Als idealer Ort für die Stencils wurden die Säulen zwischen den Gleisen ausgemacht: Geschützt, aber trotzdem frei einsehbar.

Auch die Motive waren schnell klar: Menschen aus Köln, prominent oder unbekannt. Dabei ging es dem Künstlerkollektiv nicht darum, „einzelne Menschen hervorzuheben aus der anonymen Masse, sondern mit neuen Mitteln die alte Geschichte von Einzigartigkeit und Vielfalt, von deren gegenseitiger Bedingtheit und ihrer Bedrohung durch Anonymität und Masse neu zu erzählen.“1KölnTakt 2-2019, Zeitungsbeilage der KVB, September 2019

Idealerweise gibt es in der Haltestelle 20 Säulen. Auf jede Säule passen drei Portraits auf die Vorder- und drei auf die Rückseite. Macht insgesamt Platz für 120 Portraits. So konnte jeder der vier Künstler zehn Portraits in dreifacher Ausfertigung anfertigen.  

Thomas Kehr, Fahrradkurier

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"Kölner Köpfe", Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel

Die Auswahl der „Kölner Köpfe“

Gezeigt werden die Portraits von 40 Menschen, die in Stadt leben. Prominente und Lück wie ich und du. Und so ist ebenso der Kopf von Alfred Biolek neben dem Portrait von Thomas Kehr, einem Fahrradkurier, zu finden wie auch das Bild der Nonne Schwester Ansgaria, das neben Willy Millowitsch seinen Platz findet.  Der Travestiekünstler Fine de Cologne wurde abgebildet, genau wie der Boxer Milorad Jevremovic oder Anja Friehoff, die als „Frau des Augenblicks“ ihren Platz gefunden hat. Abgebildet wurden auch der Imbissbesitzer Adnan, Musiker Jürgen Zeltinger, Philosophieprofessor Günter Schulte und der Kölner Sammler Hermann Götting. Und 29 weitere Menschen.

Ein "Kölner Kopf": Straßenbahnfahrerin Lydia Prangenberg, geb. Rick, Bild: Uli Kievernagel
Ein „Kölner Kopf“: Straßenbahnfahrerin Lydia Prangenberg, geb. Rick, Bild: Uli Kievernagel

Auch die KVB-Mitarbeiterin Lydia Prangenberg, geb. Rick, ist ein „Kölner Kopf“. Früher wurde sie oft auf das Portrait angesprochen, heute zeigen ihre Enkel und Urenkel stolz das Bild von Oma oder Uroma ihren Freunden.  

Der unbekannte Künstler „Tabot Velud“

Für heutige Verhältnisse nahezu unvorstellbar: KVB und Stadt Köln stimmten der flott skizzierten Idee schnell und unkompliziert zu, als Hauptsponsor wurde Reynolds Tobaccos (Camel, Lucky Strike oder Pall Mall) gewonnen.

Plakette "Kölner Köpfe" in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel
Plakette „Kölner Köpfe“ in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel

Als Künstler hinter dem Kunstwerk wurde „Talbot Velud“ genannt. Dieser Name hat keinerlei Bedeutung. Justus Herrmann dazu „Damit wollten wir nur möglichst viel Nebel verbreiten.“ Das ist bestens gelungen. In einem Artikel der ehemaligen Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zu den Kunstwerken in der Kölner U-Bahn schreibt die Architektin und Kunsthistorikerin zu den „Kölner Köpfen“: “Ein Schild an der Schmalseite eines der Bahnsteige nennt neben dem Namen des Kunstwerks „Kölner Köpfe“ und seines Gestalters Tabot Velud auch einen großen Tabakkonzern als Sponsor. Über Velud habe ich sonst nichts weiter in Erfahrung bringen können.“2Barbara Schock-Werner: Kölner U-Bahn-Stationen in der Kritik  – Die Kunst in Kölns Untergrund, Kölner Stadt-Anzeiger vom 2.Dezember 2014.

Kunstwerk ist heute „rechtslos“

Heute würde man sich wünschen, dass die Verantwortlichen mal ein paar Eimer Farbe an die Säulen der Haltestelle werfen und insgesamt mal etwas saubermachen würden. Allerdings: Wieso sollte es hier anders sein, wenn doch die ganze Stadt eher knüsselich daherkommt?

Der ursprüngliche Nutzungsvertrag für die Säulen mit den „Kölner Köpfen“ wurde für zehn Jahre unterschrieben und ist bereits im Jahr 2000 ausgelaufen. Seitdem ist das Kunstwerk eigentlich „rechtslos“. Aber das kümmert in Köln keinen Menschen. Auch nicht die seit der Eröffnung des Kunstwerks im Jahr 1990 bereits etwa 300 Millionen Menschen, die dieses mittlerweile gesehen haben.

Da kann noch nicht einmal die Mona Lisa mithalten.


Die leere, verlassene Station Heumarkt. Und trotzdem fährt eine Bahn durch. Zumindest akustisch. Bild: Uli Kievernagel
Die leere, verlassene Station Heumarkt. Und trotzdem fährt eine Bahn durch. Zumindest akustisch. Bild: Uli Kievernagel

Noch mehr Kunst in der U-Bahn gibt es am Heumarkt. Dort fährt täglich der Ghosttrain durch.


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Die „Römische Hafenstraße“ – eine 33 Meter lange Lüge!

Die "Römische Hafenstraße" in Köln, Bild: Uli Kievernagel
Die „Römische Hafenstraße“ in Köln, Bild: Uli Kievernagel

Fast im Schatten des Doms, unmittelbar neben dem Römisch-Germanischen Museum, liegt die „Römische Hafenstraße“ – eine vermeintlich antike Straße. Diese Straße hat es im Bewertungsportal „TripAdvisor“1Auf TripAdvisor können Menschen Sehenswürdigkeiten, Hotels, Restaurant etc. in aller Welt bewerten und kommentieren. auf immerhin 64 Bewertungen2Stand 12. August 2022 geschafft.

So hat Kerstin aus Andernach unter der Überschrift „Symbol des römischen Straßenbaus“ am 16.September 2018 über die „Römische Hafenstraße“ geschrieben:

„Damals wie heute halte ich es für unmöglich das diese Straße befahrbar war, selbst große Wagenräder sind bestimmt gebrochen, aber was solls, die Waren von und nach Köln kann man ja auch auf dem Rhein transportieren. Schön die Straße mal gesehen zu haben, Highheels gab’s bei den Römern wahrscheinlich nicht.“

Auch Ulrich aus Köln ist skeptisch. Sein Eintrag vom 24. Juli 2016 lautet:

„Kaum zu glauben, dass die Römer mit Pferdekarren über diese grobschlächtige Straße über hunderte Kilometer gereist sind. Sehr beeindruckend zu sehen.“

Und beide haben recht! Steht man vor den groben Quadern der Straße, fällt es schwer zu glauben, dass hier einst Pferdekarren drüber rumpelten. Der Achsbruch ist nach wenigen Metern garantiert und das die Karre ziehende Pferd würde nach ein paar weiteren Metern wegen massiver Verletzungen als Sauerbraten auf den Tellern der umliegenden Restaurants landen.

Das Römische Straßennetz

Das gesamte Römische Imperium beruhte auf einer extrem gut ausgebauten Infrastruktur. Die etwa 100.000 Kilometer Fernstraßen waren gut organisiert, es gab sogar eine Beschilderung mit Kilometersteinen zur Orientierung. Die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), unser heutiges Köln, war als Hauptstadt der Provinz Niedergermanien ein besonders wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Hier liefen drei große Fernstraßen zusammen:

  • Die „Via Belgica“, heute Aachener Straße, führte bis Boulogne-sur-Mer an die Kanalküste, von dort ging es per Schiff weiter nach Britannien.
  • Die „Agrippa-Straße“, heute Luxemburger Straße, führte bis nach Lugdunum, dem heutigen Lyon.
  • Die „Limes-Straße“, heute die Achse Neusser Strasse-Eigelstein-Bonner Straße, führte von den Alpen bis an die Nordsee.
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Die Konstantinbrücke endet exakt im Kastell Divitia, Bild: Nicolas von Kospoth
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse, Bild: Nicolas von Kospoth

Die Straßen in der CCAA waren, typisch für römische Siedlungen, nach einem Schachbrettmuster angelegt. Durch diese rechtwinklig zueinander laufenden Straßen führten zwei Hauptachsen. Einmal in Nord-Süd-Richtung der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse.

In diesem Schachbrettmuster würde man die „Römische Hafenstraße“ vergeblich suchen. Schlichtweg weil es sie so nicht gab.

Eine "echte" Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler
Eine „echte“ Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler

„Die Straße, die keine ist“

In einem lesenswerten Artikel der Kölschgänger von Ramona Krippner wird diese Straße als „Die Straße, die keine ist“ bezeichnet. Und das trifft den Nagel auf den Kopf! Denn diese Straße gab es nie – zumindest nicht an dieser Stelle.

Tatsächlich wurde diese Straße 1969/1970 bei Bauarbeiten zur Errichtung der Domplatte und der darunter liegenden Tiefgarage entdeckt. Damals lag diese Straße noch etwa sechs Meter versetzt nach Norden – und mitten in der Einfahrt der Tiefgarage.

„Nä – dat wör doch schad drum. Die Stroß künne mer doch nit fottschmieße.“ haben sich die Verantwortlichen gedacht. Und tatsächlich passt das Stück antiker Straße perfekt zum gleich nebenan liegenden Museum. Das Problem war aber, dass sich die Straße exakt in der Einfahrt der Tiefgarage befand. Und dort konnte sie unmöglich verbleiben. Was also tun? Schnell wurde entschieden, ein etwa 33 Meter langes Teilstück der Straße schlichtweg ein paar Meter nach Süden zu versetzen, auf den kleinen freien Platz neben dem Museum. Problem gelöst: Et kütt wie et kütt!

Die markierten Steine der "Römischen Hafenstraße" vor dem Regen, Fotograf: unbekannt
Die markierten Steine der „Römischen Hafenstraße“ vor dem Regen, Fotograf: unbekannt

Die kölsche Variante einer römischen Straße

Sogleich ging man an die Arbeit, markierte die Steine mit Nummern, um diese auch exakt so wieder zusammensetzen zu können. Danach wurden die Steine auf Paletten gelegt – und erstmal Feierabend gemacht.

Am nächsten Morgen war die Bestürzung groß: In der Nacht hatte es geregnet. Zum Schutz der Steine wurden die Nummern mit Kreide markiert. Allerdings sind Kreide und ausgiebiger Regen keine gute Kombination. Das Ergebnis: Alle Nummern waren abgewaschen und niemand konnte mehr sagen, wie das Puzzle aus Hunderten von Steinen zusammengesetzt werden sollte.

Und da kam der kölsche Pragmatismus ins Spiel: „Dat is doch ejal. Wie su en römisch Stroß ussjesinn hat, kann doch hück keiner mieh saare.“ So wurde die Straße in der kölschen Variante wieder aufgebaut: Riesige Fugen, extrem uneben, nicht befahrbar und nur sehr eingeschränkt begehbar. Ävver: Et hätt noch immer joot jejange.

Vergleich "echte" römische Straße und "kölsche römische" Straße, Bild: Uli Kievernagel, Kritzolina, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Römische Baumeister, die immerhin Arenen für bis zu 50.000 Besucher, ein gigantisches Straßennetz quer durch Europa oder Wasserleitungen mit einem perfekt ausgetüftelten Gefälle über hunderte von Kilometern gebaut haben, würden über diese Straße nur den Kopf schütteln.

Sanierung des Museums als Hoffnungsschimmer

Es bleibt die Hoffnung, dass man sich mit der umfassenden Sanierung des Römisch-Germanischen Museums, welche bis 2026 abgeschlossen sein soll, auch der „Römischen Hafenstraße“ annimmt und diese noch einmal neu verlegt.

Dann würde auch Artikel 5 des „Kölschen Grundgesetzes“ gelten:
„Et bliev nix wie et wor.“


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Kölsche Wörter: „maggeln“ – illegale Geschäfte abwickeln

Beliebte "Währung" zum maggeln: Zigaretten, Bild: Bundesarchiv / CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Beliebte „Währung“ zum maggeln: Zigaretten, Bild: Bundesarchiv / CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Muckefuck un Rövekruck
vum Schwatze Maat met heimjebraat,
op Hamsterfahrt em Vürjebirch
ne Teppich jäjen Woosch jetuusch. 1Muckefuck und Rübenkraut
vom Schwarzmarkt mit nach Hause gebracht,
auf Hamsterfahrt im Vorgebirge
einen Teppich gegen Wurst getauscht.

(Bläck Fööss „Usjebomb“)

Nachkriegszeit in Köln. Die Menschen hungern und frieren. Um zu überleben, werden alle möglichen Gegenstände gegen Nahrungsmittel getauscht. Der im Lied der Bläck Fööss beschriebene Handel „Teppich gegen Wurst“ war kein Einzelfall. Mancher Bauer aus dem Kölner Umland kam auf diesem Weg zu hochwertigem Porzellan oder Silberbesteck. Auch der Schwarzmarkt in der zerstörten Domstadt lief auf Hochtouren. Besonders beliebt: „maggeln“ mit Zigaretten, die zu einer zweiten Währung wurden.

„maggeln“ – gegen  Gesetz und Verordnung

Mit „maggeln“ beschreibt der Kölner die Fähigkeit, zumeist illegale Geschäfte abzuwickeln. Adam Wrede2Neuer Kölnischer Wortschatz, Greven Verlag Köln 1976 erklärt „maggeln“ wie folgt: „In den Notjahren 1946 bis 1948 bedeutet das Wort: Gegen Gesetz und Verordnung Handel, Tauschhandel mit rationierten Waren treiben, Schwarzhandel treiben mit Kauf und Verkauf von Waren ohne amtliche Bezugsscheine.“

Eindeutig: „maggeln“ haftet in Köln etwas illegales an. Dabei stammt das Wort von „makeln“ ab und meint somit „vermitteln“ bzw. „Geschäfte vermitteln“. Also eine durchaus legale Tätigkeit. Für den Kölschen aber ist die Sachlage eindeutig: Der Makler als Vermittler von Geschäften ist ein ordnungsgemäßer Händler, der „Maggeler“ hingegen ist der Schwarzhändler.

Aussprache und Schreibweise

Oft wird in der kölschen Sprache das „g“ als „j“ ausgesprochen. Aber nicht immer. Steht „gg“ nach einem kurzen Vokal (wie in „maggele“ aber auch zum Beispiel in „Röggelche“). Und daher wäre grundfalsch, von „majjele“ oder dem „Majjeler“ zu sprechen.

Wenn Geld diskret den Besitzer wechselt, ist oft Maggelei im Spiel, Bild: Kiwiev, CC0, via Wikimedia Commons
Wenn Geld diskret den Besitzer wechselt, ist oft Maggelei im Spiel, Bild: Kiwiev, CC0, via Wikimedia Commons

Enge Verwandtschaft mit dem Klüngel

In einem Interview der Deutschen Welle mit dem ausgewiesenen Köln-Kenner Detlef Rick wird auch der Zusammenhang zwischen maggeln und dem Klüngel deutlich. Dort lautet es „Maggeln, klüngeln und ein Fisternöllche, eine Art kölscher Dreikampf. Und alle drei Ausdrücke haben eins gemeinsam: sie bezeichnen eine nicht ganz gradlinige Handlungsweise.“ Für den Klüngel ist die Sachlage eindeutig. Bereits 1782 wird im Zusammenhang mit der städtischen Lotterie der Begriff „Klüngel“ für „betrügerische Machenschaften“ genutzt. Und ein Fisternöllche ist auch ausdrücklich eine heimliche Liebelei, in der Regel hinter dem Rücken anderer Personen.

Und auch heute wird in unserer Stadt viel gemaggelt – nicht immer zum Besten der Bürgerschaft. Wer das irgendwie verstehen will, sollte sich den sehenswerten Film „Der König von Köln“ ansehen. Dort kann man über die Machenschaften eines ganz großen Maggelers, im Film als „Josef Asch“ bezeichnet, nur staunen.


Kölns Schwarzer Markt 1939-1949: Ein Jahrzehnt asoziale Marktwirtschaft von Werner Schäfke (Autor), Marzellen Verlag, 6,95 Euro
Kölns Schwarzer Markt 1939-1949: Ein Jahrzehnt asoziale Marktwirtschaft, Werner Schäfke, Marzellen Verlag, 6,95 Euro

Kölns Schwarzer Markt

Joachim Brokmeier, Stadtteilhistoriker aus Riehl, empfiehlt  zu diesem Thema das Buch „Kölns Schwarzer Markt 1939-1949: Ein Jahrzehnt asoziale Marktwirtschaft“ von Werner Schäfke3Marzellen Verlag, 6,95 Euro.

Verlagsinformationen:

Kölns Schwarzer Markt beherrscht seit ersten Anfängen mit Kriegsbeginn im Jahre 1939 und in den ersten Jahren unter alliierter Besatzung das Bild mancher Kölner Straßen und Plätze. Nach Schätzung der Stadtverwaltung sind bis zur Währungsreform 1948 etwa 20 000 Personen in diesem Schattenbereich des wirtschaftlichen Lebens tätig, damit – wenn auch außerhalb der Legalität – einer der größten Arbeitgeber Kölns.

In diesem Buch wird dieses Jahrzehnt Kölner Lebens erstmals wissenschaftlich dargestellt und in einer Auswahl von Bildern und Zeitungsberichten der Nachkriegszeit in seinem Elend und seinem Ausmaß sichtbar gemacht.

Werner Schäfke: Kölns Schwarzer Markt 1939-1949 –
Ein Jahrzehnt asoziale Marktwirtschaft
ca. 100 Seiten
Marzellen Verlag Köln
ISBN 978-3-937795-28-7
6,95 €


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Kölner Brücken: Die Zoobrücke – leichtes Schwanken inklusive

 

Die Zoobrücke Köln, Bild: Raimond Spekking
Die Zoobrücke Köln, Bild: Raimond Spekking

Heute brettern täglich bis zu 125.000 Autos über die Zoobrücke. Ausgelegt wurde dieses Bauwerk auf gerade mal 12.000 Autos pro Tag. Kein Wunder, dass der Verschleiß an der meistbefahrenen Brücke Kölns enorm ist.

Diese zehnfach höhere Beanspruchung macht sich massiv bemerkbar. Genau wie die anderen Rheinbrücken ist auch die jüngste der Kölner Brücken sanierungsbedürftig. Ein Gutachten aus dem Jahr 2021 konstatiert „… bereichsweise schwerwiegende Schädigungen an den innenliegenden Entwässerungsleitungen … Die Leitungen sind stellenweise durchrostet und gerissen, mit der Folge, dass Oberflächenwasser der Fahrbahnen in die Hohlkästen der Spannbetonbrücke gelangt und weitere Schäden am Beton der Brücke verursacht…“

Deswegen hat der Rat Anfang Februar 2022 einstimmig fast 2 Mio. Euro zur schnellen Sanierung der Brücke bewilligt. Wie man aber die Kölner Brückenverhältnisse kennt, wird dies wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs an Sanierungskosten sein. Geprüft wird auch der Verdacht, dass beim Bau der Brücke zum Teil Stahl mit ungewöhnlichen Zusammensetzungen verwendet wurde. Dieser Stahl könnte die Haltbarkeit des Bauwerks gefährden.


Steckbrief Zoobrücke

  • Länge: 597 m
  • Breite: 33 m
  • Baubeginn: 1962
  • Fertigstellung: 1966
  • Eröffnung: 22. November 1966

Brücke der kölschen Superlative

Bereits 1953 wurde die Notwendigkeit einer weiteren Rheinbrücke festgestellt. In einem 1962 veranstalteten Gestaltungswettbewerb für die neue Brücke setzte sich ein alter Bekannter durch: Es gewann der Entwurf des Kölner Architekten Gerd Lohmer (1909 – 1981). Lohmer hatte bereits maßgeblichen Anteil am Bau der Deutzer Brücke und der Severinsbrücke.

Bau des Pfeilers der Zoobrücke, Aufnahme um 1962/63, Bild: Foto Peters, Sammlung Brokmeier
Bau des Pfeilers der Zoobrücke, Aufnahme um 1962/63, Bild: Foto Peters, Sammlung Brokmeier

Der 22. November 1966 war ein kalter, nasser Dienstag im Herbst. Trotzdem kamen viele Kölner, um an diesem die Einweihung ihrer neuen Rheinüberquerung zu feiern. Nach nur vierjähriger Bauzeit war die Verbindung zwischen den rechtsrheinischen Autobahnen und der nie vollendeten linksrheinischen Stadtautobahn fertig. Lohmers Entwurf sah ein schlankes Bauwerk mit nur einem asymmetrisch stehenden Brückenpfeiler vor, um den Blick auf den Dom nicht zu beinträchtigen.

Die massiven Kästen unter der Zoobrücke erhöhen die Tragfähigkeit, Bild: Knöchel, Franz-Josef / Landschaftsverband Rheinland, CC-BY
Die massiven Kästen unter der Zoobrücke erhöhen die Tragfähigkeit, Bild: Knöchel, Franz-Josef / Landschaftsverband Rheinland, CC-BY

Die Zoobrücke ist Kölns Brücke der Superlative: Sie ist die weltweit am weitesten gespannte Kastenträgerbrücke1Kastenbrücken sind Brückenbauwerke, welche an der Unterseite mit einer kastenförmigen Konstruktion zur Erweiterung der Tragfähigkeit versehen werden.. Sie war, bis zur „Verdopplung“ der Rodenkirchener Brücke, mit 33 Meter Kölns breiteste Brücke und zur Fertigstellung im Jahr 1966 auch Kölns teuerste Brücke.

Kölner Architekturpreis 1967

Die Zoobrücke wurde im Jahr 1967 mit dem Kölner Architekturpreis augezeichnet. Dieser Preis zeichnet vorbildliche Bauten in Köln und dem Umland aus und wird für herausragende baukünstlerische Leistungen vergeben. Dabei werden nicht nur die Leistungen der beteiligten Architekten, sondern ausdrücklich auch der verantwortungsvolle Part der Bauherren gewürdigt.

An Aufgang der linksrheinischen Seite der Zoobrücke wurde die Plakette "Architekturpreis Köln 1967" angebracht. Bild: Hartleib
An Aufgang der linksrheinischen Seite der Zoobrücke wurde die Plakette „Architekturpreis Köln 1967“ angebracht. Bild: Hartleib

Wohin mit der Seilbahn?

Bereits zur Bundesgartenschau 1957 wurde die Kölner Rheinseilbahn eröffnet. Die bei den Kölner äußerst beliebte Verbindung zwischen Zoo und Rheinpark stand der Zoobrücke im Weg. Also: Weg damit, um Platz für die Brücke zu schaffen. Außerdem, so die Mutmaßung vermeintlicher Experten, würden die Gondeln der Seilbahn die Autofahrer auf der Zoobrücke irritieren.

Doch hier erfuhren die Verantwortlichen der Stadt heftigen Gegenwind aus der Bürgerschaft. So ruderte der Rat der Stadt Köln zurück und beschloss im Juli 1964 eine leicht veränderte Trassenführung der Seilbahn. Nach zwei Jahren war es soweit: Am 22. August wurde die Seilbahn wieder in Betrieb genommen. Und noch ist kein Autounfall auf der Zoobrücke bekannt, der durch einen Blick auf die bunten Gondeln ausgelöst wurde.

Die Rheinseilbahn quert die Zoobrücke, Bild: Ebertplatz, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Die Rheinseilbahn quert die Zoobrücke, Bild: Ebertplatz, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Aus der Nordbrücke wird die Zoobrücke im „Kölner Brückengrün“

Ursprünglich sollte die Zoobrücke den eher langweiligen Namen „Nordbrücke“ tragen. Doch dann wurden die Leser einer Tageszeitung befragt und stimmten ab: Das Rennen machte der Name „Zoobrücke“ – immerhin liegt der Zoo nur wenige Meter von der linksrheinischen Auffahrt entfernt.

Bei der Farbgebung konnte sich Architekt Lohmer nicht durchsetzen: Statt des ursprünglich geplanten roten Anstrichs wurde die Brücke, genau wie die Mülheimer Brücke, die Deutzer Brücke2Hier allerdings nur der ältere Stahlteil und nicht der neuere Betonteil, die Rodenkirchener Autobahnbrücke und die Severinsbrücke im „Kölner Brückengrün“ gestrichen.

Leichtes Schwanken

Wenn man zu Fuß über die Zoobrücke geht, kann man merken, dass das Bauwerk je nach Verkehr ordentlich schwankt. Tatsächlich setzte Architekt Lohmer bei diesem Bauwerk auf eine Leichtbauweise – und diese schwankt bei höherer Beanspruchung gerne etwas.

Merke: Nicht jedes Schwanken in Kölle hängt mit dem Genuss von elf Kölsch zusammen!


Alle bisher erschienenen Geschichten zu den Kölner Brücken 


Riehl - eine Sradtteilgeschichte in Postkarten, Buch von Joachim Brokmeier (18,50 Euro, in jeder Buchhandlung erhältlich). Bild: Brokmeier
Riehl – eine Sradtteilgeschichte in Postkarten, Buch von Joachim Brokmeier (18,50 Euro, in jeder Buchhandlung erhältlich). Bild: Brokmeier

Riehler Geschichten

Ein großes DANKE an Joachim Brokmeier. Der Stadtteilhistoriker betreibt die lesenswerte Website „Riehler Geschichten“ und hat mir Fotos für für diesen Beitrag zur zur Verfügung gestellt. Brokmeier ist ein Experte für Köln-Riehl und hat auch bereits mehrere Bücher  über diesen Stadtteil veröffentlicht.


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Die riesige Eistüte am Neumarkt – „Wat soll dä Quatsch?“

Neumarkt-Galerie, Köln mit Skulptur Dropped Cone - Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen, Bild: Raimond Spekking
Neumarkt-Galerie, Köln mit Skulptur „Dropped Cone“ von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen, Bild: Raimond Spekking

Kölns größte Eistüte befindet sich am Neumarkt. Mehr als zwölf Meter hoch ragt das riesige Objekt in den Himmel. Satte drei Tonnen, oder umgerechnet so schwer wie 37.500 Eisbällchen, wiegt das Kunstwerk „Dropped Cone“ von Claes Oldenburg am Gebäude der Neumarktgalerie.  

Wat soll dä Quatsch?

Touristen rätseln und auch Einheimische fragen sich „Wat soll dä Quatsch?“. Und damit hat Claes Oldenburg sein Ziel erreicht. Er selbst hat die Bedeutungslosigkeit seiner Kunst zum Konzept erklärt: „Die Bedeutung darin wird zweifelhaft und uneinheitlich bleiben – und genau so sollte es sein.“ Und so formte Oldenburg reichlich Alltagsgegenstände – immer in XXL-Varianten. Etwa eine riesige Spitzhacke, einen gigantischen Lippenstift, einen Stecker in der Größe einer Garage oder die gigantische Kölner Eistüte.

Oldenburg-Skulptur "Spitzhacke", Bild: Cherubino, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Oldenburg-Skulptur „Spitzhacke“, Bild: Cherubino, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Mit seinen Kolossalobjekten wurde der 1929 in Stockholm geborene und am 18. Juli 2022 in New York verstorbene Oldenburg neben Roy Lichtenstein und Andy Warhol zu einem der bedeutendsten Vertreter der Pop Art.

Oldenburg-Skulptur "Plantoir", Bild: Manuelvbotelho, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Oldenburg-Skulptur „Plantoir“, Bild: Manuelvbotelho, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Vielfältige Interpretationen der Kölner Eistüte

Die Kölner Eistüte wurde im März 2001 auf dem Gebäude der Neumarkt Galerie, ein Einkaufszentrum direkt am Neumarkt, installiert. Die Betreiber der Neumarkt Galerie zahlten auch die Kosten in Höhe von 3 Mio. DM für dieses Kunstwerk. 

Ganz im Sinne von Oldenburg wurde seit dem Tag der Installation munter interpretiert, was denn die Bedeutung der Skulptur sein könnte. So wurde das schmilzende Eis schnell als Symbol der „Vergänglichkeit des Konsums“ ausgelegt. Eine andere Sichtweise wird auf Oldenburgs Kollegin und Ehefrau Coosje van Bruggen (1942 – 2009) zurückgeführt. Oldenburg und seine Frau hatten sich Postkarten von Köln zeigen lassen und Coosje van Bruggen hatte angemerkt, dass Köln offensichtlich eine Stadt der Kirchtürme sei. Und somit wurde der Eistüte eine fast schon sakrale Aussage angedichtet, weil diese an die Kirchtürme der Kölner Skyline erinnern würde. Unbestätigten Aussagen zufolge waren urspünglich sogar zwei Eishörnchen geplant, die an die beiden Türme des Doms erinnern sollten.

Noch einen Schritt weiter geht die Auslegung, dass mit diesem „Kirchturm aus Eis“ die Neumarktgalerie mit ihren Geschäften zum „Tempel des Konsums“ uminterpretiert wird.

Die Künstler selber wiesen auch darauf hin, dass im Namen der Skulptur „Dropped Cone“ sogar Buchstaben des Stadtnamens „Cologne“ zu finden sind. 

Claes Oldenburg (1929 - 2022), hier im Jahr 2012, Bild: Raimond Spekking
Humorvoll und ein bisschen „dumm wie das Leben selber“ – so sollte für Claes Oldenburg  (1929 – 2022) Kunst sein. Hier ein Bild des Künstlers aus dem Jahr 2012, Bild: Raimond Spekking

Ganz einfach: Köln bietet zu wenig Platz für Kunst!

Eindeutig hingegen ist der Hintergrund für die Platzierung der Skulptur. Oldenburg dazu: „Da wir den genauen Standort für das Werk frei wählen konnten, suchten wir nach einem Platz im Freien und entschieden uns, unsere Skulptur auf dem Dach des Einkaufszentrums zu platzieren, da die Straßen in Köln so überfüllt sind.“

Und wer den verkehrsumtosten Neumarkt und die beengten Kölner Verhältnisse kennt, kann dem weltberühmten Künstler nur beipflichten.


Sehenswürdigkeiten rund um den Kölner Neumarkt, Bilder: Uli Kievernagel, Raimond Spekking
Sehenswürdigkeiten rund um den Kölner Neumarkt, Bilder: Uli Kievernagel, Raimond Spekking

Rund um den Neumarkt gibt es viel zu erkunden!

Am Neumarkt steht nicht nur die riesige Eistüte von Claes Oldenburg, sondern auch die von Rodin geschaffene Skulptur des französischen Schriftstellers Balzac. Etwas versetzt hinter der Neumarktgalerie, in der Richmodstraße, findet sich der Richmodisturm mit den beiden sagenumwobenen Päädsköpp. Auf der Südseite des Platzes steht ein Gebäude mit bewegter Geschichte: Das Bing-Haus. Und zu Geschäftszeiten lohnt sich ein Abstecher in die benachbarte Schalterhalle der Kreissparkasse – dort gibt es 4711 kostenlos.


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Balzac auf dem Neumarkt – oder: Et kütt wie kütt!

Die Statue des Künstlers Auguste Rodin stellt den Schriftsteller Honoré de Balzac dar, Bild: Uli Kievernagel
Die Statue des Künstlers Auguste Rodin stellt den Schriftsteller Honoré de Balzac dar, Bild: Uli Kievernagel

Jetzt steht er da: Balzac. Am Neumarkt. Riesig, schwarz. Mehr als vier Meter hoch und acht Tonnen schwer. Köln ist um ein Kunstwerk im öffentlichen Raum reicher: Die von Rodin geschaffene Skulptur des französischen Schriftstellers Balzac befindet sich auf der östlichen Seite des Neumarkts.

Bewegte Geschichte des Kunstwerks

Um es gleich den Kritikern vorwegzunehmen: Die Stadt hat weder für die Skulptur noch für den Sockel etwas bezahlen müssen. Henrik Hanstein, Inhaber des Kunsthauses Lempertz, hat alle Kosten getragen.

Die Statue selber hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Der renommierte Bildhauer François-Auguste-René Rodin (1840 – 1917) fertigte bereits 1891 ein lebensgroßes Gipsmodell des Dichters Honoré de Balzac an. Dieses Modell wurde in Paris ausgestellt – und kam überhaupt nicht gut an. Die, so die Kritiker, groteske Darstellung des Schriftstellers Balzac wäre unangemessen. Rodin, mindestens leicht beleidigt, brachte das Gipsmodell in sein Haus in Meudon, einem Vorort von Paris.

Detailansicht der Balzac-Statue von Rodin, Bild: Uli Kievernagel
Detailansicht der Balzac-Statue von Rodin, Bild: Uli Kievernagel

Mehr oder minder vergessen lagerte dort das Gipsmodell. Erst 1939, immerhin 22 Jahre nach dem Tod Rodins, wurde die Statue erstmals in Bronze gegossen und in Paris an der Ecke Boulevard du Montparnasse, Boulevard Raspail aufgestellt. Die in Köln aufgestellte Skulptur ist ein Bronzeabdruck des in Paris ausgestellten Originals.

Der Plan, die Skulptur mitten auf dem Neumarkt aufzustellen, wurde schnell verworfen, da damit die nutzbare Fläche des Platzes stark eingeschränkt wäre. So müsste zum Beispiel der Zirkus Roncalli, welcher regelmäßig seine Zelte auf dem Neumarkt aufschlägt, seine Artisten um Balzac drumherum jonglieren lassen. Daher wurde der Bereich am Rand des Platzes gewählt – unmittelbar vor dem Ladenlokal des Stifters. 

Problemzone Neumarkt

Andere Städte würden Köln um den Neumarkt beneiden: Ein großer, repräsentativer Platz. Mitten in der Stadt. Top Lage. Und auch verkehrstechnisch perfekt angebunden. Und genau hier liegt das  wesentliche Problem: Der Neumarkt ist ein verkehrsumtoster Platz. Bis zu drei Fahrspuren trennen den Platz von den Fußgängerbereichen, der tägliche Stau ist Normalität. Die Aufenthaltsqualität dort ist gleich Null.

Der Neumarkt - eine verkehrsumtoste Insel in der Stadt, Bild: Raimond Spekking
Der Neumarkt – eine verkehrsumtoste Insel in der Stadt, Bild: Raimond Spekking

Gleichzeitig ist der Neumarkt der Hotspot für Kölns Drogenszene. Es wird gedealt, und man muss sich nicht besonders anstrengen, Junkies zu finden, die sich auf offener Straße eine Nadel in die Vene rammen.

Kurzum: Auf dem Neumarkt hält man sich – wenn überhaupt- nur auf, um auf die Bahn zu warten, oder man versucht, sich diesen Platz auf dem Weihnachtsmarkt mit reichlich Glühwein schönzutrinken.

Aufwertung Neumarkt als Teil des Speer-Masterplans

Die Skulptur ist Teil einer Initiative, den Neumarkt aufzuwerten. Und diese Aufwertung ist wiederum Teil des „Masterplan Innenstadt Köln“, auch bekannt als „Speer-Masterplan“, welcher bereits seit 2009 vorliegt.

Aus ein paar Meter Entfernung wirkt die Rodin-Statue etwas verloren zwischen Ampeln, Autos und Leuchtreklame, Bild: Uli Kievernagel
Aus ein paar Meter Entfernung wirkt die Rodin-Statue etwas verloren zwischen Ampeln, Autos und Leuchtreklame, Bild: Uli Kievernagel

Die konkrete Idee im Masterplan zum Neumarkt: Die Nordseite (die Seite, an welcher die Schildergasse einmündet) soll vollständig autofrei werden und zusammen mit der Apostelnstraße eine große Fußgängerzone werden.

Und bis dies irgendwann mal geschieht, kann Balzac dem lauten Treiben und den Staus rund um den Neumarkt zusehen. Und irgendwie war Balzac extrem weitsichtig. Ihm wird dieses Zitat zugeschrieben, welches perfekt seine Sicht auf den Neumarkt und die Aufwertung des Platzes zusammenfasst:

Alle Macht des Menschen besteht
aus einer Mischung von Zeit und Geduld.
Honoré de Balzac (1799-1850)

Die kölsche Übersetzung dazu lautet:
Et kütt wie et kütt.


Umzug der Skulptur 2026

Im Januar 2024 hat die Bezirksvertretung Innenstadt entschieden, dass die Skulptur noch maximal zwei Jahre am Standort stehen bleiben soll. Bin mal gespannt, wie lange Rodin sich das Treiben am Neumarkt noch tatsächlich ansehen wird.


Sehenswürdigkeiten rund um den Kölner Neumarkt, Bilder: Uli Kievernagel, Raimond Spekking
Sehenswürdigkeiten rund um den Kölner Neumarkt, Bilder: Uli Kievernagel, Raimond Spekking

Rund um den Neumarkt gibt es viel zu erkunden!

Am Neumarkt steht nicht nur die riesige Eistüte von Claes Oldenburg, sondern auch die von Rodin geschaffene Skulptur des französischen Schriftstellers Balzac. Etwas versetzt hinter der Neumarktgalerie, in der Richmodstraße, findet sich der Richmodisturm mit den beiden sagenumwobenen Päädsköpp. Auf der Südseite des Platzes steht ein Gebäude mit bewegter Geschichte: Das Bing-Haus. Und zu Geschäftszeiten lohnt sich ein Abstecher in die benachbarte Schalterhalle der Kreissparkasse – dort gibt es 4711 kostenlos.


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Zum Tod von Fritz Schopps: Es wird still im Märchenwald.

Et Rumpelstilzje Fritz Schopps (1946 - 2022), Bild: Martin Schopps
Et Rumpelstilzje Fritz Schopps (1946 – 2022), Bild: Martin Schopps

Still wird es im Märchenwald
Eine Hommage an et Rumpelstilzje Fritz Schopps

Stille herrscht im Märchenwald,
Rapunzel friert, selbst Frau Holle ist kalt.

Schneewittchen und die sieben Zwerge sind ganz leise,
auch Rotkäppchen trauert auf seine eigene Art und Weise.

Jeder dort hat es mittlerweile erfahren:
Et Rumpelstilzje ist in den Märchenhimmel eingefahren.

Pinocchio weint kleine Holztränen,
der böse Wolf knirscht mit den Zähnen.

Wer, fragt Dornröschen, wird in Zukunft berichten
über die neuesten Märchenwald-Nachrichten?

Er ist jetzt fort, zieht nicht mehr den Hut,
zollt den Märchenwald-Figuren nicht mehr Tribut.

Gewitzt war er, mit spitzer Feder,
zog er auch manchmal derber vom Leder.

Getroffen hat immer die Richtigen,
ganz oft waren das die vermeintlich Hochwichtigen.

Reimen konnte er, wie kein Zweiter,
exakt auf den Punkt und immer heiter.

Im Saal hörten alle ihm aufmerksam zu,
den Meister zu stören, das war tabu!

Jetzt im Märchenhimmel ist er bei den ganz Großen,
de Doof Nuss un et Botterblömche wollen mit ihm anstoßen.

Da sitzt neben Ferdi Huick, dem Bergischen Landboten
der Toni Geller, beide lauschen Rumpelstilzchens Anekdoten.

Der ganze Märchenwald ist außer Rand und Band,
der Meister jetzt seinen Weg zu ihnen fand.

Auch der gestiefelte Kater erblasst jetzt vor Neid,
trägt doch jetzt Rumpelstilzchen die schönsten Stiefel weit und breit.

Die kunterbunte Jacke, die Feder am Hut,
jeder im Märchenwald erkennt den Fritz Schopps gut.

Ach wie gut, dass dort jeder weiß,
dass der Schopps eigentlich Rumpelstilzchen heißt.


Fritz Schopps – Et Rumpelstilzje (1946 – 2022)

Fritz Schopps wurde 1946 geboren, studierte Englisch, Geschichte und Mathematik auf Lehramt und war als Lehrer an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Köln-Höhenhaus tätig. Ab den 1980er Jahren war er, mit roten Stiefeln, kunterbunter Flickenjacke und Hut mit großer Feder als Rumpelstilzje eine feste Größe im Kölner Karneval.

Schopps hatte mit seiner für ihn typischen Reimrede mit den neuesten Nachrichten aus dem Märchenwald immer die Gesellschaft und die Politik deutlich aber liebevoll aufs Korn genommen.

Als Rumpelstilzchen wollte er eigentlich im Jahr 2021 seine Karriere beenden, doch die Corona-Pandemie machte ihm einen Strich durch die Rechnung.  So plante er, noch ein Jahr dranzuhängen, um sich auf der Bühne von seinem Publikum zu verabschieden. Doch diese Chance hat er leider nicht mehr bekommen.

Fritz Schopps – et Rumpelstilzje – ist am 5. Juni 2022 im Alter von 76 Jahren verstorben.

Und wir Kölner ziehen den Hut vor einem ganz großen in der Bütt.


Ein großes DANKE an Martin Schopps, Sohn von Fritz Schopps, der mir das Bild für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat.

Martin Schopps ist doppelter Hinsicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten: Er ist auch Lehrer und ist ein gern gesehener Redner und Moderator auf den (Karnevals-) Bühnen im ganzen Land..

Weitere Infos zu ihm gibt es auf seiner Website.

Martin Schopps


Wolfgang aus Köln hat mein Gedicht überarbeitet. Diese Version entspricht eher der Reimkunst von Fritz Schopps. Vielen Dank, dass ich diese Version veröffentlichen darf.

Im Märchenwald sich Stille zeigt.
Rapunzel friert, Frau Holle schweigt.
Schneewittchen mit den sieben Zwergen
trauert ratlos in den Bergen.
Rotkäppchen nimmt die Nachricht schwer:
Et Rumpelstielzche ist nicht mehr!
Pinocchio aus Holz weint Tränen,
Der  böse Wolf knirscht mit den Zähnen.
Wer, fragt Dornröschen, wird berichten die
neu‘sten Märchenwaldgeschichten?
Gezogen wird nicht mehr der Hut , 
dem Märchenwald fehlt der Tribut .
Gewitzt zog mit gespitzter Feder
auch manchmal derber er vom  Leder
Dabei traf genau die Richtigen,
 er die vermeintlich Superwichtigen !
Reimen konnt‘ er wie kein zweiter,
punktgenau und immer heiter.
Ernsthaft hörten alle zu,
Ihn zu stören, war Tabu !
Aufmerksam die Narren lauschten, 
danach stets Beifallsstürme rauschten.
Im Märchenhimmel bei den Großen 
vereint gemeinsam anzustoßen 
mem Botterblöömche und Doof Nuss
bereitet ihm jetzt Hochgenuss!
Mit Ferdi Huick, dem Landesboten
tauscht Toni Geller Anekdoten. 
Zu ihnen hat er sich gesellt
und grüßt uns aus der „ander‘n Welt“
Die schönsten Stiefel weit und breit
trägt Rumpelstielzchen, und vor Neid
erblasst der Kater und mit Graus
zieht er entnervt die Schuhe aus!
 
Die Jacke kunterbunt , die Feder
am Hut , so kennt bis heute jeder
FRITZ SCHOPPS , wie gut dass jeder weiß,
dass eigentlich er Rumpelstielzche heißt!
 

 


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